Immer wieder kommt es zu Missverständnissen, was Verhaltens- und Vorfahrtsregeln angeht. Einige wichtige Erklärungen zur Rechtslage.

„Hier gilt die StVO!“ So steht es auf dem Schild an der Einfahrt des Supermarktparkplatzes. Gemäß der Straßenverkehrsordnung müsste dann auch rechts vor links gelten. Meint der Mercedes-Fahrer. Er fährt Richtung Ausfahrt, als sich von links ein Ford nähert. Der Mercedes fährt unbeirrt weiter, davon ausgehend, dass der Ford-Fahrer ihm die Vorfahrt lassen wird. Falsch gedacht! Es kommt zum Unfall. Fazit: Der Mercedes-Fahrer hat Kosten in Höhe von gut 3000 Euro und eine Teilschuld.

Immer wieder gibt es Unsicherheiten hinsichtlich der Verhaltens- und Vorfahrtsregeln auf Parkplätzen, Stellplätzen und Parkhäusern, die dann häufig zu Unfällen und Rechtsstreitigkeiten führen. Was aber ist denn nun richtig? Gilt die StVO oder nicht? Richtig ist, dass die StVO grundsätzlich überall dort gilt, wo öffentlicher Verkehr stattfindet. Das betrifft also Straßen aller Art, aber auch öffentlich genutzte Parkplätze oder Parkhäuser. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Schild „Hier gilt die StVO“ aufgestellt ist oder nicht.

Öffentlich ist ein Parkraum immer dann, wenn er für jedermann zugänglich ist. Wem die Fläche gehört, ist ohne Belang. Als privater Parkraum gilt ein Platz, wenn er baulich von der öffentlichen ­Fläche getrennt ist, zum Beispiel durch eine Schranke, eine Kette oder einen Zaun, und nur für einen eingeschränkten Personenkreis benutzbar ist. Dazu gehören Tiefgaragen, die nur für Hausbewohner reserviert sind, Stellplätze auf einem Betriebsgelände sowie Firmenparkplätze, die nur von den Angestellten befahren werden dürfen. Hier kann der Eigentümer eigene Regeln aufstellen, die nicht einmal rechtlich verbindlich sein müssen. Im Falle eines Unfalls kann die Schuld­frage dann oftmals nur vor Gericht ­geklärt werden.

Fahrspuren sind juristisch gesehen keine Straßen

Doch auch wenn auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz die Straßenverkehrsordnung gilt, hat sich in der Rechtsprechung ein Unterschied ­zwischen dem Verkehr auf Straßen und dem auf öffentlich zugänglichen Parkflächen herauskristallisiert. So gilt der Paragraf 8, Absatz 1 – „An Kreuzungen und Einmündungen hat Vorfahrt, wer von rechts kommt“ – nur bedingt, da die Fahrspuren auf Parkflächen im juristischen Sinn keine Straßen sind. Sie ­dienen nicht dem fließenden Verkehr, um zügig vorwärtszukommen, sondern der Suche nach einer Parkmöglichkeit. Heißt: Wo keine Straße ist, gibt es auch keine Vorfahrt und somit auch keine Rechts-vor-links-Regelung.

Ein Straßenschild, das auf Parkplätzen und in Parkhäusern zu sehen ist, weist auf die geltende Straßenverkehrsordnung hin.
Ein Straßenschild, das auf Parkplätzen und in Parkhäusern zu sehen ist, weist auf die geltende Straßenverkehrsordnung hin. © iStock | --

Die Vorfahrtsregel greift bei sich kreuzenden Fahrspuren auf Parkplätzen nur dann, wenn die Fahrspuren ­zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben, zum Beispiel für Verbindungen zwischen mehreren Parkplätzen, die Straßenmarkierungen tragen oder baulich klar abgegrenzt sind, etwa durch Bordsteine. Die Fahrspur muss eindeutig als Straße erkennbar sein. Sie darf nicht zum Suchen von Parkplätzen dienen, sondern nur als Zu- und Ausfahrt.

Zwei Gebote gelten immer

Was allerdings immer gilt, ist Paragraf 1 der StVO: „(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“

An diese beiden Gebote müssen und sollten sich die Autofahrer auch in öffentlichen Parkräumen halten – denn sie dienen als Grundlage für viele Gerichtsurteile. So verlangt das Landgericht Bremen, dass „die Fahrzeugführer anhalten, sich verständigen und erst dann ihre Fahrt fortsetzen, wenn sie sicher sein können, den anderen nicht zu gefährden“. Das hatte der eingangs erwähnte Mercedes-Fahrer versäumt – und das ist auch der Grund für seine Teilschuld (Az. 7 O 485/12).

Der Klassiker: Unfall beim Rückwärtsausparken

Hinzu kommt, dass sich auf einem Parkplatz oder in einem Parkhaus ­generell alle verkehrsgerecht verhalten müssen, um Unfälle zu vermeiden. Dazu gehört auch, Schritttempo zu fahren. Wer nachweislich schneller ist und damit einen Rechts-vor-links-Unfall provoziert, bekommt meist eine Teilschuld von 50 Prozent. Aufgrund dieses Rücksichtnahme-Prinzips kommt es laut ADAC anders als im fließenden Verkehr nur selten vor, dass bei einem Unfall die alleinige Haftung bei einem der beteiligten Fahrzeugführer liegt.

Das gilt auch, wenn es beim Rückwartsausparken kracht – ein Unfallklassiker. Laut ADAC-Rechtsexperten bekommt der Vorwärtsfahrende häufig eine Mitschuld, zum Beispiel weil er schneller als Schritttempo gefahren ist oder weil der Ausparkende behauptet, er ­habe noch gebremst und stand längst. Denn den Fahrer eines stehenden Autos trifft keine Schuld (Saarbrücken, Az. 13 S 122712). Doch das ist oftmals nicht leicht zu beweisen, sodass beide Fahrer in die Haftung genommen werden. In vielen Fällen wird ein Gutachter hinzugezogen, der den Unfallhergang klären soll. Kann er das nicht, haften beide Fahrer.

Fazit: Es gibt keinen verlässlichen Leitfaden. Selbst Richtungspfeile auf der Fahrspur sind nur eine Empfehlung und keine Vorgabe, an die man sich halten muss. Letztlich müssen Autofahrer immer davon ausgehen, dass andere Fahrer Fehler machen, und sich entsprechend defensiv verhalten, langsam fahren und ständig bremsbereit sein.