Ingolstadt. Im neuen Luxusliner Audi A8 steckt viel Innovation: Das Modell ist ein mild-Hybrid mit elektromechanischem Fahrwerk und künstlicher Intelligenz.
Keine Frage, es ist höchste Zeit für einen neuen Audi A8. Die Ingolstädter Luxuslimousine sah zuletzt nicht nur rein äußerlich alt aus. Sie verlor gegen die Oberklasse-Konkurrenz aus Stuttgart und München auch stückzahlenmäßig mehr und mehr an Boden und musste zum Ende des Modellzyklus in Deutschland sogar den dritten Platz hinter der S-Klasse und dem Siebener an den Porsche Panamera abtreten. Das soll sich gründlich ändern.
Und damit auch der Markenclaim „Vorsprung durch Technik“ wieder an Substanz gewinnt, überholen die Herren der Ringe zumindest technologisch mit der vierten Generation des A8 den gesamten Wettbewerb in einem Schwung und reklamieren für sich, als erster Autohersteller weltweit einen Serien-Pkw mit einem autonomen Fahrsystem nach Level 3 für „hochautomatisiertes Fahren“ an den Start zu bringen. Einziger Wermutstropfen: Wenn der Audi A8, der zu Preisen ab 90.600 Euro bereits bestellt werden kann, Ende November über den Handel ausgeliefert wird, sind die autonomen Systeme noch nicht eingebaut.
Audi hat zwar den Staupiloten („Traffic Jam Pilot“), der bis Tempo 60 im Kolonnenverkehr selbsttätig lenkt, bremst, anfährt und beschleunigt, dank eines zentralen Fahrerassistenzsteuergeräts (zFAS) mit gigantischer Rechnerleistung und einer umfangreichen Sensorik vom Radarsensor bis zum erstmals eingesetzten Laserscanner zur Serienreife gebracht. Das AI-System („Artificial Intelligence“ – künstliche Intelligenz), das komplett das Kommando übernimmt, dem Fahrer Freiräume zum Lesen, Mail checken oder Filme gucken eröffnet und in einem Schadensfall den Hersteller in der Haftung sieht, ist rechtlich aber noch nicht zugelassen.
Der Traffic Jam Pilot ist wohl bis 2019 per Gesetz erlaubt
Audi ist in dem Punkt quasi schneller, als die Polizei erlaubt. Die Ingolstädter rechnen damit, dass bis 2019 die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz des Traffic Jam Pilot eingeführt sein könnten. Bis dahin müssen A8-Kunden darauf verzichten und haben auch später nicht die Möglichkeit der Nachrüstung. AI-Piloten für ferngesteuertes Ein- und Ausparken in Längs- und Querparklücken („Remote Parkpilot“) sowie in die eigene Garage („Remote Garagenpilot“) werden allerdings ebenso wie ein neuer Manövrier-Assistent, der Parkschäden vermeiden soll, bereits 2018 verfügbar sein.
Das erste Modell, das vollständig unter der Verantwortung des Chefdesigners Marc Lichte entstand, wirkt von vorne mit seinem breiter gewordenen Sechseck-Singleframe-Kühlergrill und den flachen HD-Matrix-LED-Scheinwerfern mit optionalem Laserlicht noch wuchtiger. Die erstmals unterbrochene seitliche Schulterlinie mit muskulöser ausgeformten Radhäusern zur Betonung des serienmäßigen Quattro-Allradantriebs und die Heckpartie mit dem über die gesamte Fahrzeugbreite gezogenen OLED-Leuchtenband untermauern ebenfalls den Anspruch auf Status und Prestige.
Im Innenraum darf sich der A8-Kunde über ein nicht minder gelungenes Interieursdesign mit einem neuen, nahezu knopf- und schalterfreien Bedienkonzept freuen. Fast alles wird über zwei hochauflösende Touchscreens in der Mittelkonsole geregelt – mit einem ganz besonderen haptischen Erlebnis. Denn obwohl nur das Display berührt wird, hört man ein leises Klicken, und es fühlt sich an, als habe man einen Schalter gedrückt. Das bisherige Eingabe-Touchpad und der Drehdrücksteller werden damit überflüssig.
Die Höhepunkte der Detroit Motor Show
Zu Beginn gibt es nur die beiden V6-Motoren mit drei Litern Hubraum
Der Audi A8 streckt sich gegenüber dem Vorgänger um weitere 3,7 Zentimeter auf nunmehr 5,17 Meter. Der Längenzuwachs kommt fast vollständig dem vorn wie hinten großzügigen Innenraum zugute, obwohl der Radstand mit drei Metern unverändert blieb. Die vor allem als Chauffeurslimousine ausgelegte Langversion dehnt sich von Stoßfänger zu Stoßfänger sogar auf 5,30 Meter aus, bietet im Fond noch mehr Luxus bis hin zu Komfortsitzen, bei denen die umfangreichen Massagefunktionen sogar die Füße einschließen. Im Kofferraum stehen je 505 Liter Volumen zur Verfügung.
Zum Verkaufsstart werden zunächst nur die beiden V6-Motoren mit drei Litern Hubraum angeboten. In der Benziner-Version als A8 55 TFSI leistet der Luxusliner 340 PS und verfügt über 500 Nm Drehmoment. Als 286 PS starker Selbstzünder A8 50 TDI entwickelt das Flaggschiff gar 600 Nm Drehmoment. In beiden Fällen reicht das für Tempo-100-Sprints unter sechs Sekunden und elektronisch begrenzte Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h.
Beide Sechszylinder-Triebwerke, die an eine Achtgang-Tiptronic gekoppelt sind, mögen bei statusbewussten Zeitgenossen vielleicht durchfallen, rational zu begründen ist das nicht. Denn auf ersten Testrunden zeigten sie sich in allen Situationen souverän, nie überfordert oder angestrengt. Selbst bei der Laufruhe bewegt sich der Diesel auf dem Benziner-Niveau.
Die Vorzüge des Dieselmotors machen sich bei großen Limousinen wie dem A8 natürlich besonders stark in puncto Verbrauch und CO2-Emissionen bemerkbar. So ist der allerdings nicht sehr realistische Normwert von 7,5 l/100 km Super für den TFSI gewiss nicht schlecht, der TDI zeigt sich mit 5,6 Litern Diesel in dieser Disziplin aber um fast zwei Liter besser. Für den CO2-Ausstoß bedeutet dies 145 zu 171 g/km zugunsten des Selbstzünders.
Sämtliche Varianten sind sogenannte Mild-Hybride
Auch eine Plug-in-Hybrid-Variante, die in der Kombination eines V6-Benziners mit einem Elektromotor 450 PS leisten kann und deren Batterie nicht nur an Steckdose, sondern auch induktiv ohne Kabel wieder aufladbar sein soll, ist für 2018 versprochen. Ebenso fürs kommende Jahr fest eingeplant sind V8-Versionen als Diesel (435 PS) und Benziner (460 PS) sowie, vor allem im Hinblick auf beiden stärksten Märkte in China und USA, auch wieder ein Zwölfzylinder mit 585 PS, der heute schon bei Bentley im Einsatz ist.
Die Ingolstädter setzen ihren Luxusdampfer aber nicht erst mit dem Plug-in-Hybriden unter Strom, denn sämtliche A8-Varianten verfügen serienmäßig über einen elektrifizierten Antriebsstrang und sind als sogenannte Mild-Hybride mit einem Riemenstartergenerator und einer Lithium-Ionen-Batterie mit 10 Ah elektrischer Kapazität ausgestattet. Versorgt von einem 48-Volt-Bordnetz, kann der A8 zwischen 55 und 160 km/h mit ausgeschaltetem Motor damit bis zu 40 Sekunden emissionsfrei „segeln“, und der Start-Stopp-Betrieb ist schon ab 22 km/h möglich. Maßnahmen, die den Verbrauch bis 0,7 l/100 km senken können.
Viel Innovationskraft
Auch beim Fahrwerk stößt Audi in neue Dimensionen vor und will mit der Dynamik-Allradlenkung und dem AI-Aktivfahrwerk, einem vollaktiven elektromechanischen Federungssystem, den Spagat schaffen zwischen dem samtigen Abrollen einer klassischen Luxuslimousine und der Dynamik eines Sportwagens. Mit einem Wendekreis von 11,4 Meter bewegt sich der Fünf-Meter-Kreuzer auf dem Niveau eines A4.
Fazit: Es steckt tatsächlich viel Innovationskraft im neuen Audi A8, der in der Verfolgerrolle gegenüber S-Klasse und Siebener viel Boden gutmacht. Das hat seinen Preis. Für Audi, weil man durch die vielen Neuerungen vom strikten Leichtbaukurs etwas abgekommen ist und selbst die Basisversion bereits mit rund zwei Tonnen zu Buche schlägt. Und für Kunden: Weil der Einstieg in die A8-Welt mit 90.600 Euro für den 50 TDI und mit 93.500 Euro für den 55 TFSI höher ausfällt als bei der deutschen Nobelkonkurrenz. Und die ganzen schönen neuen Systeme sind in diesem Tarif ohnehin noch nicht drin.