An diesem Wochenende zieht es Oldtimerfans zum Rennsport-Revival in Hamburg. Mit dabei ist Helmut Ruge, 87, auf seiner BD 250.

Wer die kleine Werkstatt von Helmut Ruge betritt, fühlt sich für einen kurzen Moment, als wäre er aus der Zeit gefallen. Zwischen eng aneinandergereihten Fahrrädern finden sich Schrankwände voller Ersatzteile: Zylinderköpfe, Karosserieelemente. Und überall stehen Motorräder. Alte Motorräder. Es sind meist Modelle aus den Vorkriegsjahren, über denen der Geruch von altem Öl wabert.

Und irgendwo zwischen diesem organisierten Chaos wuselt ein älterer Herr, der zu jedem Modell eine Geschichte erzählen kann. Der Mann mit der Brille und den weißen kurzen Haaren führt gern durch den Raum, durch seinen Bastelkeller, sein privates Museum. In der Mitte der Werkstatt hält er kurz inne und weist dezent auf sein Schmuckstück hin. Der Außenstehende hätte sie fast übersehen, dabei ist sie der ganze Stolz von Herrn Ruge: eine alte, weinrote BD 250, Baujahr 1939. "Gut in Schuss", sagt der 87-Jährige in der zerschlissenen Jeans.

+++Tageskarte für zwölf Euro+++

+++Das Wochenende der Legenden+++

Er plant, an diesem Wochenende mit seiner Maschine wieder an den Start zu gehen. Schon am Sonnabend wird er wieder aufgerufen werden, wenn zum bereits zehnten Mal das Stadtpark-Revival beginnt. Jahr für Jahr zieht das Ereignis interessierte Motorsportfans aus der ganzen Welt nach Hamburg. Und dann wird der halbe Stadtpark für zwei Tage zu einem Mekka für Rennsportfreunde.

Fans halten den Stadtpark für einen der vielleicht schönsten Straßenrundkurse Europas. Auf der 1,7 km langen, abgesperrten Strecke treffen alljährlich Profis auf Amateurfahrer und Hobbybastler. Familien verbringen hier ihr Wochenende, Kinder bestaunen die Rennfahrer, Rennfahrer treffen auf Händler, und diese verkaufen rare Ersatzteile. Heute wie damals gehen Rennmaschinen und Sportwagen an den Start. Und natürlich die heiß begehrten Oldtimermodelle.

Wie das von Herrn Ruge. Seit der ersten Veranstaltung 1999 nimmt der Rentner an dem Rennen teil. Und bleibt dem Stadtpark-Revival treu. Er und die alte BD 250, die eine ganz besondere Rolle in seinem Leben spielt. 1939 war das Jahr, in dem er als junger Mann bei der Hamburger Niederlassung der Triumph-Werke in die Lehre ging. Bei Robert Bremer. Damals, im alten Finkenhof. Die Zeit, als Ruge noch unbeschwert und glücklich war. Eigentlich war er mehr auf Autos angesetzt, doch Motorräder waren seine heimliche Leidenschaft. Wie die BD 250. "Seinerzeit das einzige Zweitaktmodell, das autobahnfest war", erinnert sich der alte Herr. Und die erste Maschine, die der Lehrling auseinandernehmen durfte. Leider folgte eine schreckliche Zeit.

Herr Ruge hat sie archiviert. In der Hand hält er die ledergebundenen Erinnerungen an sein Leben. Das schwere Buch, nur eins von vielen, beklebt mit Briefen, Fotografien, die ihn als jungen Mann zeigen, als er gerade seine Lehre begonnen hatte, und später, gezeichnet vom Leid des Krieges. Alles musste neu aufgebaut werden, erinnert er sich. Das tat er dann auch. Und zog einen Fahrrad- und Motorradladen hoch. Verkauft hat er immer die neuesten Modelle. Gesammelt aber hat er seine Erinnerungen. Er hat sie Stück für Stück zusammengesetzt. Wie sein geliebtes Motorrad.

Irgendwann wurde er auf das Hamburger Stadtparkrennen aufmerksam. Das Original. Für Motorfreunde schon damals ein einmaliges Event. Man meinte beim Zuschauen, den Fahrtwind zu spüren, wenn Rennfahrerlegenden wie Schorsch Meier den Stadtpark umkreisten. Irgendwann wusste Helmut Ruge, dass er das auch will. Und dann begann er zu fahren. Immer vorwärts. Die Kriegszeit, die Nachkriegszeit ließ er hinter sich - irgendwo im Rückspiegel. Herr Ruge gewann viele Rennen. Die kleine Vitrine in seiner Werkstatt ist überfüllt, zwei Pokale mussten noch oben aufgestellt werden. Aber die meisten Trophäen sind heute verwelkt. Die Erinnerungen an damalige Siege bestehen nur noch aus den schwarz-weißen Erinnerungsfotos.

Zwischen ihnen findet sich auch ein alter Bericht im Magazin "Sternchen" über seinen Sohn Peter, damals vier Jahre alt, wie er lachend von einem Mini-Motorrad winkt. Eine Sonderanfertigung des Vaters, die dem Jungen in der Presse einige Aufmerksamkeit einbrachte. "Diese alten Geschichten", winkt Peter Ruge heute lachend ab. Mittlerweile ist er 61 Jahre alt, Steuerberater und von den Motorrädern abgekommen. Die Geschwindigkeit liebt er nach wie vor sehr, aber auf vier Rädern - so sitzt man bei durchgedrücktem Gaspedal doch etwas sicherer. "Ich fahre nun mal gerne, was die Klamotte hergibt", sagt er lachend. Doch zumindest die Liebe zu den Oldtimern teilt er mit seinem Vater. "Das ist einfach noch ein echtes, originäres Fahrgefühl", sagt Ruge junior. Er fährt einen alten Porsche 911er, Baujahr 1965.

Seinem Vater fällt es schwer zu benennen, was das Oldtimerfahren für ihn so besonders macht. Vielleicht ist die Frage auch zu offensichtlich gestellt, hier in seiner Werkstatt, seiner Raritätensammlung, in deren Chrom sich seine Lebensgeschichte spiegelt. "Na ja", probiert er es dann doch. "Es ist einfach ein Stück Nostalgie." Ruge schaut seinen Sohn an, ein bisschen fragend.

Am Stadtpark-Revival werden beide teilnehmen, natürlich nicht in Konkurrenz. Um Preise muss sich Ruge senior keine Sorgen mehr machen. "Ich bekomme sowieso einen", sagt er und lacht. Einen Ehrenpreis für seine Teilnahme im hohen Alter. Aber um Preise ging es dem Mann mit seiner weinroten BD 250 ja eigentlich noch nie.