Pläne der EU-Kommission verunsichern die Autofahrer. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen

Houssem Hassali, 41, drückt den Zapfhahn gelassen in den Tank seiner alten E-Klasse. "Ach", sagt der Taxifahrer. Heute morgen hat er es im Radio gehört, dass Diesel teurer werden soll, gleich um mehr als 30 Cent. Er sagt, er rege sich darüber nicht mehr auf. "Schlecht ist das natürlich", meint er. Schließlich werde dann alles teurer, Sprit, Taxi-Tarife, Busfahrten und Lebensmittel. Auch privat fährt er einen Diesel, einen Golf, dunkelblau, Baujahr 1999. "Den werde ich dann wahrscheinlich verkaufen", sagt der Hamburger. Es sind zusätzlich zum Wirbel um den Biosprit E10 nun Pläne der EU, die Hamburger Autofahrer beunruhigen. Demnach könnte Diesel künftig sehr viel höher besteuert werden als bisher. Die "FAZ" hat berechnet, die Steuer könne um 28 Cent steigen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Hintergründe hat der Vorstoß der EU-Kommission?

Grundlage des Richtlinienentwurfs ist die Überlegung der EU, Kraftstoffe nach dem Energiegehalt zu besteuern und die Klimaverträglichkeit, also die CO2-Emissionen zu berücksichtigen. Da ein Liter Diesel energiehaltiger ist als ein Liter Benzin, könnte sich der Dieselkraftstoff deutlich verteuern. Demnach müsste der Mindeststeuersatz für Diesel 17 Prozent über dem für Benzin liegen, schreibt die "FAZ" unter Berufung auf Berechnungen von EU und Autobranche. Derzeit wird Diesel hierzulande mit 47,04 Cent pro Liter besteuert, Benzin mit 65,45 Cent. Wenn Deutschland den Satz für Benzin nicht senke, müsste der Preis für Diesel um rund 28 Cent auf knapp 75 Cent steigen, schreibt das Blatt.

Warum werden Diesel und Benzin bisher unterschiedlich besteuert?

Seit 1939 gibt es in Deutschland Steuern auf Benzin und Diesel, anfangs entsprach das 2,29 Cent beim Benzin und 1,68 Cent beim Diesel. Nach dem Krieg stieg die Steuer stetig an, wobei die Differenz zwischen Diesel und Benzin bis Ende 1988 kaum ins Gewicht fiel. Erst danach entwickelten sich die Steuersätze auseinander. Seit dem 1. Januar 1994 liegt der Abstand bei 18,41 Cent. Da der Güterverkehr in der Regel dieselbetriebene Fahrzeuge nutzt, bedeutet die unterschiedliche Besteuerung im Prinzip eine versteckte Subvention des Transportgewerbes - obwohl bei der Kfz-Steuer Dieselfahrzeuge stärker belastet werden als Benziner (Diesel 9,50 Euro pro 100 ccm, Benziner 2 Euro pro 100 ccm, jeweils mit Zuschlägen bei mehr als 120 g/km CO2 in Höhe von 2 Euro pro Gramm/km). Höhere Dieselsteuern würden zahlreiche Produkte verteuern.

Ist Diesel gesundheitsschädlicher als Benzin?

Ja, Diesel ist schädlicher als Benzin. Anders als Benzinfahrzeugen setzen Dieselfahrzeuge feine Rußpartikel frei, die beim Einatmen tief in die Lunge eindringen. Auch bei der Freisetzung von Stickstoffoxiden haben moderne Dieselfahrzeuge laut Umweltbundesamt im Vergleich zum "Benziner" einen erheblichen Nachteil. Sie emittieren acht- bis zehnmal mehr Stickstoffoxide, die etwa zur Bildung des gesundheitsschädlichen Sommersmogs beitragen. Stickstoffdioxid führt zu Entzündungen in den Atemwegen und verstärkt die Reizwirkung anderer Luftschadstoffe zusätzlich. In der Folge können Atemnot, Husten, Bronchitis, steigende Anfälligkeit für Atemwegsinfekte sowie Störungen der Lungenfunktion auftreten.

Warum kosten Dieselmodelle mehr als Benziner?

Wer zum Beispiel einen VW Golf mit 105 PS Leitung kaufen will, kann zwischen dem Benziner 1.2 TSI und dem Diesel 1.6 TDI wählen. Der Diesel verbraucht 1,2 Liter pro 100 Kilometer weniger, ist in der Anschaffung dafür 2150 Euro teurer. Joachim Staat vom Fachmagazin "Auto Bild": "Der Mehrpreis von Dieselmotoren erklärt sich durch die komplexere Technik. Die Einspritzdrücke moderner Selbstzünder liegen bei bis zu 2000 bar, dazu gibt es oft eine mehrstufige Turboaufladung, Ausgleichswellen gegen Vibrationen und eine aufwendige Motorsteuerung. Technologisch gesehen, ist der Dieselmotor viel weiter als der Benziner."

Wie wahrscheinlich ist die Einführung der höheren Steuer?

Zwar strebt die Kommission an, dass die Richtlinie schon ab 2013 wirksam wird. Doch ob es dazu kommt, steht noch in den Sternen. Die deutsche Automobilindustrie, ein mächtiger Lobbyist, ist gegen die höhere Besteuerung von Diesel. Deutsche Autobauer haben in der Vergangenheit Milliarden in die Entwicklung kraftstoffsparender Dieselfahrzeuge gesteckt. Der Anteil der Dieselfahrzeuge deutscher Hersteller bei den Neuzulassungen liegt inzwischen bei 51 Prozent.

Selbst wenn die Richtlinie unverändert wirksam werden sollte, hat die Kommission lange Übergangsfristen eingeplant. Schließlich solle die Industrie die Möglichkeit Haben, sich auf die Neuregelung einzustellen. Es heißt, die Regelung soll erst 2020 voll greifen. Die Meinung vieler Mitgliedsländer zu dem Vorstoß ist noch unklar. Und Steuerfragen müssen in der EU einstimmig entschieden werden.

Preise für 50 Liter Diesel

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