Auf dem legendären Concorso d'Eleganza am Comer See zeigen Autosammler aus aller Welt einmal im Jahr ihre schönsten Fahrzeuge

Cernobbio. Das Leben ist nicht fair. Auch nicht zu Gebrauchtwagen. Die einen enden mehr oder weniger ordentlich recycelt auf dem Schrottplatz, wo Teile von ihnen vielleicht in Pseudo-TV-Dokus weiterleben. Die anderen werden gehätschelt und gepflegt und spiegeln den Stolz ihrer Besitzer in glänzendem Lack wider, wenn sie einmal im Jahr groß ausgeführt werden. Aber auch hier gibt es Unterschiede, was die artgerechte Haltung und den täglichen Zuspruch angeht. Wenn man etwas über das Schicksal solcher Autos erfahren will, ist eine Reise nach Cernobbio im Frühling kein schlechter Anfang. Dort, im Park der Villa d'Este, treffen sich alljährlich die Besitzer ausgewählter Altautos und zeigen sich und der Welt die gepflegten Chromjuwelen.

Zum Beispiel den Mercedes SL 300 Roadster, den ein Bremer Sammler mit an den Comer See gebracht hat. Der feuerwehrrote Sportwagen gehört zu jenen Preziosen, denen die Jury am Ende des Tages einen Preis überreicht. Er wird als besterhaltenes Nachkriegsfahrzeug ausgezeichnet. Tatsächlich unterscheidet sich dieser Benz auf dem Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011 von den meisten dort gezeigten Modellen. Er ist nicht restauriert, im Grunde ein Gebrauchtwagen mit 25 000 Meilen auf dem Tacho. Aber man sieht es ihm nicht an. Der Wagen wirkt wie neu. Der Lack glänzt wie am ersten Tag, das Leder der Sitze ist geschmeidig. Und doch würde der TÜV, sollte er ihn heute prüfen, wohl die Plakette verweigern. Die Reifen sind nicht mehr verkehrssicher. Auch sie sind, wie der ganze Wagen, 49 Jahre alt. "Damit kann man nicht mehr fahren, aber sie sind eben original", räumt Heiko Seekamp, der Besitzer des Zweisitzers, ein. Für die regelmäßige Bewegung des Oldies kommen andere Pneus drauf. Aber weil es um den Erhaltungszustand im Original geht, werden eben auch die Reifen aufgehoben.

Das Fahrzeug hat der Bremer bereits vor 25 Jahren günstig aus zweiter Hand erworben, ein Notverkauf. Wobei günstig durchaus relativ ist. Damals wechselten 400 000 Mark den Besitzer, bevor das Auto den Weg aus den USA nach Deutschland antrat. Heute ist der Benz gut das Doppelte in Euro wert. Damit dürfte er unter den ausgestellten Fahrzeugen im Park der Renaissance-Villa im guten Mittelfeld liegen. Selbst zu Hause, in seiner Garage, ist der SL rein wertmäßig nur Durchschnitt. Aber er gehört quasi zur Familie - und daher verkauft man so ein Auto nicht.

Der Concorso ist eine der bedeutendsten Autoveranstaltungen auf der Welt. Die Örtlichkeit vor dem traditionsbeladenen Grand Hotel Villa d'Este könnte perfekter nicht sein und sticht jedes Jahr erfolgreich die finanzkräftigere Gegenveranstaltung des Concorso d'Eleganza im kalifornischen Pebble Beach aus. Mehr als 50 Oldtimer machen das perfekt gepflegte Seegelände drei Tage zum Mittelpunkt einer automobilen Weltordnung. Schon durch das Motto der "Swinging Sixties" setzten sich in diesem Jahr einmal mehr die Nachkriegsfahrzeuge stilecht in Szene. Wo sonst bekommt man einen segenswerten Glas 3000, ein faszinierend schönes Aston Martin DB5 Cabriolet oder einen grazilen Rolls-Royce Silver Ghost III im Neuzustand zu sehen? Das Publikum jedenfalls versucht neben Kleinserienmodellen und exklusiven Einzelstücken wie dem Citroën SM Opera, einem Alfa Romeo 6C 2500 SS oder einem von Rennen gezeichneten Ferrari 375 MM nicht vollends zu verblassen. Und die Sammler der automobilen Schmuckstücke zeigen dem fachkundigen Publikum gerne die Schätze aus der hauseigenen Garage. Seltene Motorvarianten, einzigartige Karosserien oder spezielle Konfigurationen sind bei den Fahrzeugen, die in acht Wertungsklassen gegeneinander kämpfen, an der Tagesordnung. So gehen ihre Werte in astronomische Höhen. Aber der Glanz der Karossen hält weitaus länger als bis zum nächsten Concorso.

Mehr und mehr setzen sich am Comer See aber auch exklusive Design-Stücke der Neuzeit in Szene. Star des Wochenendes ist der grandios sportliche BMW 328 Hommage in Anlehnung an den legendären Sportroadster BMW 328, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert und erst vor wenigen Tagen beim Traditionsrennen Mille Miglia zwischen Brescia und Rom für Aufsehen sorgte. "Das Auto soll die Idee des puristischen Leichtbau-Sportwagens in die Zukunft transferieren", erklärt BMW-Designchef Adrian van Hooydonk die Studie. Voreilige Hoffnungen von Autoliebhabern aber macht Karl Baume, Classic-Chef der weiß-blauen Marke, gleich wieder zunichte: "Eine Serienfertigung ist nicht geplant."

Video: Concorso d'eleganza Villa d'Este 2011