Berlin. Wenn Tagesausflüge sehr günstig sind, verbirgt sich dahinter oft eine Bustour samt Verkaufsevent. Dabei ist längst nicht alles erlaubt.

Für wenig Geld endlich mal wegkommen von zu Hause? Vor allem ältere Menschen nehmen an Kaffeefahrten teil, um etwas Abwechslung vom Alltag zu haben. Dass eine Verkaufsveranstaltung mit zum Programm der Busfahrt gehört, nehmen sie in Kauf – und bereuen es oft genug danach, wie die Verbraucherzentralen und die Polizei berichten.

„Die Teilnehmer müssen damit rechnen, unter Druck gesetzt zu werden und überteuerte oder minderwertige Waren angedreht zu bekommen. Schließlich wollen die Anbieter ihren Schnitt machen“, sagt etwa Julia Gerhards, Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Sie rät: Wer bei einer Fahrt mitmacht, sollte seine Rechte kennen – die der Gesetzgeber jetzt verbessert hat: Seit Ende Mai gilt eine neue Bestimmung in der Gewerbeordnung, wo Kaffeefahrten zu den sogenannten Wanderlagern zählen (§ 56a). „Bei Verstößen können die Gewerbeämter eingreifen“, so die Verbraucherschützerin.

Kaffeefahrt: Was erwartet mich auf dem Ausflug?

In Postwurfsendungen, Zeitungsinseraten und der Internetwerbung taucht die Bezeichnung Kaffeefahrt in der Regel nicht auf. Laut Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen locken die Veranstalter mit einem supergünstigen Tagesausflug und versprechen Gewinne, Geschenke, ein leckeres Mittagessen und viele Schnäppchen. Tatsächlich stehe aber das Geschäft des Anbieters im Mittelpunkt. Lesen Sie auch:Bei diesen Anrufen sollten Sie sofort auflegen

So berichtet das LKA, dass geschulte Verkäuferinnen und Verkäufer in der „meist mehrstündigen Präsentation“ zum Kauf animieren. Dabei entpuppten sich die vermeintlichen Schnäppchen – zum Beispiel Decken, Kochtöpfe oder Wellnessprodukte – als „schlichtweg nutzlos“ oder als extrem überteuert und von minderer Qualität. „Die Verkaufsveranstaltung findet meist in einem abgelegenen Lokal statt, damit kein Mitreisender entwischt, sondern alle daran teilnehmen“, so das LKA. Außerdem würden die Ausflügler „aggressiv bedrängt“, wenn das Geschäft nicht wie vom Anbieter gewünscht verläuft.

Ein Flop ist oft auch das Freizeitprogramm. Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentralen wird etwa das Fahrtziel kurzerhand geändert oder die Anreise dauert doppelt so lange wie angekündigt. Bei dem versprochenen üppigen Mahl handele es sich nicht selten um karge Hausmannskost. Sogar die versprochenen Gewinne gebe es häufig nicht oder „sie stammen aus der Kategorie Ramsch“, so die Verbraucherschützer.

Ein Tipp: Der Lahn-Dill-Kreis führt im Netz eine bundesweite Warnliste mit „unseriösen“ oder „betrügerischen“ Kaffeefahrt-Angeboten. Wer eine entsprechende Einladung erhält, kann sie im Original oder als Scan/Foto an den Landkreis senden, der nach eigenen Angaben als einzige deutsche Behörde über eine solche Liste verfügt.

Welche Verbraucherrechte gelten jetzt neu?

Kaffeefahrt: Oft findet diese per Bus statt. Geworben wird mit viel Freizeit für einen kleinen Preis.
Kaffeefahrt: Oft findet diese per Bus statt. Geworben wird mit viel Freizeit für einen kleinen Preis. © dpa | Jens Büttner

Zum einen müssen die Veranstalter in ihrer Werbung genauer informieren über die Fahrt. Zum anderen dürfen sie bestimmte Produkte gar nicht mehr verkaufen und auch nicht mit Gewinnen, Preisausschreiben oder Verlosungen werben. Verstöße können mit einer Geldbuße bis 10.000 Euro geahndet werden (früher 1000 Euro). „Das sind deutliche Verbesserungen der Kundenrechte. Wir müssen aber abwarten, ob sich die Veranstalter an die Regeln auch halten werden“, sagt Juristin Gerhards. Auch interessant:PayPal: Mit dieser Masche werden Verbraucherdaten gestohlen

Infopflichten: Die potenziellen Kundinnen und Kunden haben nun Anspruch darauf, dass in der Werbung der genaue Ort der Verkaufsveranstaltung und die Art der Waren, die feilgeboten werden, angegeben sind. Außerdem müssen die Unternehmen ihren Namen, die Anschrift sowie die Kontaktmöglichkeiten per Telefon und E-Mail aufführen. „Wenn diese Angaben nicht vorhanden sind, dann auf jeden Fall Finger weg“, rät Gerhards.

Bislang war es so, dass sich die Veranstalter hinter Fantasienamen und einer Postfach-Adresse, womöglich im Ausland, verstecken konnten. Unklar blieb oft auch, wohin die Fahrt geht. Ein Beispiel der Verbraucherzentrale: Ziel ist angeblich das „wunderschöne Nürnberg“ – wo dann aber nur ein von der Altstadt weit entfernter Stadtteil durchfahren wird.

Verkaufsverbote: Nach dem neuen Recht dürfen die Veranstalter folgende Produkte nicht mehr verkaufen oder vermitteln: Medizinprodukte wie Sehhilfen, Blutdruckmessgeräte oder Stützstrümpfe, Finanzprodukte, etwa Versicherungen und Bausparverträge, sowie Nahrungsergänzungsmittel wie Mineralstoffe und Vitamine.

Dazu Juristin Gerhards: „Wir sind froh, dass damit ganz kritische Produktbereiche, die bisher sehr häufig auf Kaffeefahrten angeboten wurden, klar ausgenommen sind.“ So könne bei Medizinprodukten mit den Ängsten und Sorgen der Menschen gespielt werden, und bei Finanzprodukten bedürfe es einer individuellen, fachkundigen Beratung – die auf einer Kaffeefahrt nicht zu leisten ist. Dass Nahrungsergänzungsmittel nicht mehr verkauft werden dürfen, begrüßen die Verbraucherschützer wegen der gesundheitlichen Gefahren eines übermäßigen Verzehrs.

Vertrag widerrufen: Bei Bestellungen auf Kaffeefahrten besteht – wie bei Onlinekäufen – das Recht zum Widerruf, worüber die Anbieter nun ebenfalls in ihrer Werbung informieren müssen. Widerruf bedeutet: Der Käufer oder die Käuferin darf innerhalb von 14 Tagen ohne Begründung vom Vertrag zurücktreten. Kommt das Unternehmen seiner Informationspflicht nicht nach, verlängert sich diese Frist auf 1 Jahr und 14 Tage.

Aber Achtung: Laut LKA Hamburg versuchen unseriöse Anbieter, das Widerrufsrecht auszuhebeln, indem sie den Kaufvertrag zurückdatieren. Wer etwas bestellt, sollte deshalb unbedingt auf das richtige Datum im Vertrag achten, sich die Vertragsdurchschrift geben lassen und kein Geld anzahlen. Ausgenommen vom Widerruf sind nur wenige Produkte, zum Beispiel verderbliche oder versiegelte Waren.

Wenn die Veranstalter Druck ausübt

Viele denken, sie müssten bei einer Kaffeefahrt an der Verkaufsveranstaltung auf jeden Fall teilnehmen. Nach Angaben des LKA Hamburg können die Ausflügler in dieser Zeit aber auch etwas anderes unternehmen, also zum Beispiel spazieren gehen. „Der Anspruch auf alle Leistungen, die gebucht und bezahlt wurden, bleibt dennoch bestehen“, so das LKA. Lesen Sie auch:So schützen Sie sich vor Betrügern auf ebay-Kleinanzeigen

Dessen Rat: Hindert der Anbieter Teilnehmer daran, den Veranstaltungsraum zu verlassen, oder bedrängt und bedroht er einzelne Personen, den Saal zu betreten, sollte die Polizei über den Notruf 110 alarmiert werden. Anschließend könne Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung beziehungsweise Nötigung gestellt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.