Berlin. Genanalyse soll es Schwangeren erleichtern, die Risiken für die Geburt eines Kindes mit Trisomie abzuklären. Das ist umstritten.

Bluttests für Schwangere auf ein Down-Syndrom beim ungeborenen Kind werden künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen (G-BA) hat den dafür fehlenden Beschluss zur Pflichtaufklärung gefasst. Eine Routineleistung soll der Test – kurz NIPT – nicht werden.

Es gibt mehrere Tests, um das Down-Syndrom bei Ungeborenen festzustellen. Wie funktionieren sie?

Mit steigendem Alter der Mutter beziehungsweise bei einem elterlichen Gesamtalter von über 70 Jahren steigt das Risiko für die Geburt eines Kindes mit Trisomie. Folge des von dem englischen Mediziner John Langdon Down 1866 erstmals beschriebenen Syndroms sind etwa körperliche Auffälligkeiten bei Größe, Gewicht und Kopfform.

Hinzu kommen eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung sowie häufig auch organische Schäden. Etwa eines von 800 Kindern wird mit Down-Syndrom geboren. In Deutschland leben rund 50.000 Menschen damit.

Menschen mit Down-Syndrom haben in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere – 47 statt 46. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, statt wie bei anderen Menschen zweifach. Daher heißt das Syndrom auch Trisomie 21. In Deutschland entstehen nach Angaben der EU über alle Altersgruppen hinweg bei 10.000 gezeugten Kindern 19,42 Fälle von Trisomie.

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Zu den invasiven pränatalen Diagnose-Methoden zählen Plazentapunktion und Fruchtwasseruntersuchung. Hierbei werden Zellen aus Mutterkuchen oder Fruchtwasser untersucht. Die diagnostische Sicherheit beträgt laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über 99 Prozent. Das Risiko für eine Fehlgeburt liege bei 0,5 bis 2 Prozent.

NITP gehört wie das Ersttrimesterscreening (ETS) zu den nichtinvasiven Methoden. Dabei wird das Blut der schwangeren Frau auf DNA-Schnipsel des ungeborenen Kindes untersucht. Diese werden ausgelesen und den Chromosomen zugeordnet. In einer Schwangerschaft mit einer Trisomie werden verhältnismäßig mehr DNA-Schnipsel vom Chromosom 21 ausgezählt.

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Was ist der Vorteil von NITP?

Der Bluttest ist von der zehnten Schwangerschaftswoche an möglich. NIPT ist nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) „ähnlich sensitiv und spezifisch wie die invasiven Methoden“ und zuverlässiger als ETS. Das Risiko für eine Fehlgeburt sei niedriger als bei invasiven Methoden. Außer Trisomie 21 können mit NIPT auch die selteneren Trisomien 13 und 18 festgestellt werden. Allerdings gibt es hier für die Zuverlässigkeit nur Schätzungen, die nicht robust seien, so das IQWIG in seinem Prüfbericht.

Wie ist die aktuelle Situation?

Zugelassen ist NIPT bereits seit 2012. Bisher müssen Schwangere den Test ebenso wie das Ersttrimesterscreening selbst zahlen. Die günstigste Variante kostet rund 130 Euro. Fruchtwasseruntersuchung und Plazentapunktion werden bei Risikoschwangerschaften von der gesetzlichen Kasse gezahlt.

Was sagen Ärzte?

Die Bundesärztekammer (BÄK) nennt den Test eine sinnvolle Ergänzung vorgeburtlicher Diagnostik. „Deshalb muss der Zugang für alle Versicherten gleichberechtigt möglich sein“, so die BÄK. Der Gesetzgeber aber müsse dafür sorgen, dass Schwangere vor dem Test ergebnisoffen beraten werden.

Der Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP) betonte hingegen mehrfach: Wenn der Test als Kassenleistung kommen soll, dann nur „indikationsbezogen“, also nur in Fällen, wo es einen medizinischen Grund gibt, von einem erhöhten Risiko auszugehen. Bei positivem Ergebnis sollte aus Sicht des Verbandes unbedingt eine weiterführende Diagnostik erfolgen.

Für den GB-A erklärte dessen Vorsitzender, Josef Hecken: „Es ist rational und medizinisch richtig, schwangeren Frauen, denen das Wissen um eine mögliche Trisomie bei ihrem Kind wichtig ist, eine sichere Alternative zu invasiven Methoden anzubieten“.

Was muss vor einem Test geschehen?

Vor dem Test gibt es eine verpflichtende ärztliche Beratung. Fester Bestandteil davon ist eine 24-seitige Broschüre. In dieser wird betont, dass NIPT nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen gehört. Die werdenden Eltern werden gebeten, sich damit zu beschäftigen, was sie bei einem auffälligen Testergebnis tun wollen.

Außerdem werden sie darüber aufgeklärt, wie selten Trisomien vorkommen, welche Fehleranfälligkeit die Tests haben, an welche Beratungsstellen sie sich wenden können und wo sie Hilfe bekommen, wenn sie sich für ein behindertes Kind entscheiden. Die Tests sollen nur im Einzelfall nach einer gemeinsamen Entscheidung mit Arzt oder Ärztin eingesetzt werden oder wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat.

Wie ist die weitere Umsetzung?

Die Tests werden nach Angaben des GB-A frühestens ab Frühjahr Kassenleistung sein. Wenn das Bundesgesundheitsministerium den Beschluss zur obligatorischen Aufklärung nicht beanstandet, wovon auszugehen ist, haben Krankenkassen und Ärzteverbände sechs Monate Zeit, die Honorierung zu verhandeln.

Was sagen Kritiker?

Mehr als 100 Politiker mehrerer Bundestagsfraktionen hatten im Vorfeld der Entscheidung Kritik geübt. Durch die Übernahme der Kosten durch die Kassen könnten Eltern unter starken Rechtfertigungsdruck geraten, wenn sie sich gegen den Test und für die Geburt eines Kindes mit Trisomie entschieden.

„Die Erwartungshaltung an Schwangere, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, wird zunehmen“, erklärte jetzt Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Die Entscheidung werde dazu beitragen, „dass ein Leben mit Beeinträchtigung als etwas Negatives erscheint, das es zu vermeiden gilt.“

Kritik kommt auch von NoNIPT, einem zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen die Kassenfinanzierung. „Die Solidargemeinschaft der Versicherten wird künftig einen Test ohne medizinischen Nutzen finanzieren“, teilte deren Vertreter Taleo Stüwe mit: NIPT könne nichts heilen. Dies sende eine fatale Botschaft an werdende Eltern, dass Kinder mit Down-Syndrom vermieden werden könnten und die Solidargemeinschaft dies unterstütze.

Stüwe kritisierte auch, dass allein die Angst vor einem Kind mit einer Behinderung als Indikation für die Kassenleistung ausreiche. Damit sei die Tür zu einem generellen Screening aufs Down-Syndrom weit geöffnet worden.