Berlin. In Baden-Württemberg sind mindestens vier Schüler an einer Tuberkulose erkrankt. Die Krankheit war nie aus Deutschland verschwunden.

In Baden-Württemberg sind vier Kinder einer Schule an Tuberkulose (TB) erkrankt, insgesamt haben sich dort 109 Schüler und Lehrer mit dem Bakterium infiziert. So viele Ansteckungen über alle Klassenstufen hinweg sind nach Aussage des Behördenarztes „ungewöhnlich“ – nicht jedoch die Tatsache, dass Fälle von Tuberkulose in Deutschland auftreten. Denn die Infektionskrankheit war nie verschwunden.

In der öffentlichen Wahrnehmung jedoch spielt die Tuberkulose, deren Erreger Robert Koch vor 137 Jahren entdeckte, kaum mehr eine Rolle. Vorbei sind die Zeiten, als noch wie Ende des 19. Jahrhunderts die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung an der Schwindsucht starb.

Tuberkulose war nie aus Deutschland verschwunden

Professor Stefan Kaufmann, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, warnt jedoch vor einer Verharmlosung: „Die Tuberkulose wurde schon häufig totgesagt, aber leider ist sie nicht tot.“ Im Gegenteil töte der Erreger weltweit mehr Menschen als jeder andere. „Wir müssen uns klarmachen: Wir können uns nicht abschotten. Erreger kennen keine Grenzen und Passkontrollen.“

Weltweit sterben an keiner Infektionskrankheit mehr Menschen als an der Tuberkulose. Nicht an HIV, nicht an Malaria, Zika oder Ebola. 1,7 Milliarden sind derzeit infiziert, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das ist fast ein Viertel der Weltbevölkerung. Bei jedem zehnten bricht die Krankheit aus.

Eine Übertragung der durch Bakterien ausgelösten Krankheit findet nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) über Tröpfchen in der Luft statt. Erkrankte leiden unter Kraftlosigkeit, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme oder anhaltendem Husten. Rechtzeitig diagnostiziert ist die Krankheit heute gut behandelbar und heilbar.

2018 gab es 5400 Tuberkulosefälle in Deutschland

Auch in Deutschland wurden laut RKI im vergangenen Jahr bundesweit über 5400 Tuberkulosefälle registriert. Die Zahl war ähnlich hoch wie 2017 und etwas geringer als 2016. Berichtet werde darüber kaum. „Das ist das Problem mit Dingen, die schon immer da waren. Tuberkulose gibt es, seit es Menschen gibt. Wir haben uns daran gewöhnt“, sagt Kaufmann, der an der Charité auch als Professor lehrt, und zieht den Vergleich zu Ebola.

Über jeden Verdachtsfall in Deutschland sei berichtet worden. „Aber haben Sie etwas gelesen über das Auftreten multiresistenter TB-Erreger in Deutschland? Nein.“ Diese Fälle gibt es aber. Rund 125 zählte das RKI im vergangenen Jahr, die unempfindlich gegenüber der gängigen Medikamente waren. Und weltweit sind Tuberkulose-Erreger für 25 Prozent der 700.000 Todesfälle im Zusammenhang mit resistenten Erregern verantwortlich, weiß Stefan Kaufmann.

Tuberkulose ist eine Erkrankung der Armen

Tuberkulose ist nicht nur eine Infektionskrankheit, sondern eine Armutserkrankung, die zum Beispiel mit Unter- oder Mangelernährung einhergeht. Deswegen sind auch die in Deutschland Betroffenen häufig Menschen ohne festen Wohnsitz oder Drogenabhängige. Unbehandelt sterben die Erkrankten.

Zuletzt stiegen die Fallzahlen in Deutschland auch durch die Flüchtlinge an. Sie kommen unter großem psychischem und körperlichem Stress nach Deutschland. Das Immunsystem ist geschwächt. Bei TB-Infizierten kann das einen Ausbruch der Krankheit befördern.

Kaufmann mahnt jedoch zu Besonnenheit: „Wir haben in Deutschland die Möglichkeit der schnelleren Diagnose und Behandlung. Wir können anders agieren als Länder wie Südafrika.“ Auch das Robert Koch-Institut (RKI) teilte schon im November 2015 mit, es gebe „keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende“.

Wissenschaftler entwickeln einen Impfstoff

Um in besonders betroffenen Ländern wie Indien, China, Nigeria, Pakistan, Südafrika und Indonesien die Situation zu verbessern, hat sich Kaufmann vor zehn Jahren mit anderen Wissenschaftlern zusammengetan. Sie entwickeln einen neuen Impfstoff, der sich gerade in der letzten Stufe der klinischen Testung befindet. Denn der derzeit eingesetzte Impfstoff schützt nicht gegen die Lungentuberkulose, die durch Husten verbreitet wird.

Erste Studien am Menschen hätten vielversprechende Ergebnisse gebracht. „Wir stehen hier also wirklich vor einem Durchbruch“, sagt Kaufmann. Der nach Dosen größte Impfstoffhersteller der Welt baue bereits eine eigene Produktionsstätte für den neuen Impfstoff.