Essen. Künstliche Intelligenz ermöglicht es Ärzten, Augenerkrankungen früh zu erkennen. Dies und weitere Trends vom Treffen der Augenärzte.

Das Auge kann viel von einem Menschen erzählen. Von seinem Alter, seinem Geschlecht, seinen Gewohnheiten – auch von seiner Gesundheit. Das machen sich Augenärzte zunutze, um mithilfe modernster Technik Erkrankungen frühzeitig an der Netzhaut abzulesen.

Über diesen Einsatz Künstlicher Intelligenz, den sensiblen Umgang mit Daten und andere aktuelle Entwicklungen in der Augenheilkunde haben Experten auf der größten Fortbildungsveranstaltung für Augenärzte diskutiert. Ein Überblick.

Computer analysiert Bilder von Netzhautschäden

In Amerika ist es schon gang und gäbe, auch in Deutschland könnte es kommen: Die Netzhaut des Auges wird mithilfe von Fotografien, die ein Computer systematisch analysiert, auf Krankheiten untersucht. „So können Veränderungen, die zum Beispiel durch die Zuckerkrankheit entstehen, frühzeitig erkannt und behandelt werden“, erklärt Professor Horst Helbig von der Universitäts-Augenklinik Regensburg.

Ein computergestütztes Screening ist nach seinen Worten auch denkbar, um Augenerkrankungen wie die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD), den Grünen Star (Glaukom) oder Netzhautschädigungen bei Frühgeborenen festzustellen. Die Therapie kann ebenfalls durch künstliche Intelligenz gesteuert werden: Wenn Schnittbilder des Augenhintergrundes vom Computer analysiert werden, bekommt der Arzt eine Empfehlung, ob er beispielsweise Medikamente gegen eine Makuladegeneration geben soll oder nicht.

„Eine solche Unterstützung kann bei Routineuntersuchungen und der darauffolgenden Auswertung großer Datenmengen durchaus sinnvoll sein, vor allem in Gegenden, wo die medizinische Versorgung schlecht ist“, sagt Professor Helbig und warnt zugleich: „Fotos des Augenhintergrundes bergen sensible Informationen, die nicht an Konzerne weitergegeben werden sollten. Hier sind die rechtlichen Rahmenbedingungen noch unklar und keiner weiß bisher, nach welchen Kriterien künstliche Intelligenz angewendet werden sollte.“

Laut Helbig ist es möglich, Geschlecht, Alter, Rauchgewohnheiten und sogar den Blutdruck an Bildern des Augenhintergrundes zu erkennen.

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Ein ätzender Notfall: Lauge im Auge

Rund zwölf bis 22 Prozent aller Augenverletzungen entstehen durch Verätzungen – meist bei einem Arbeitsunfall, wenn zum Beispiel ein Bauarbeiter einen Spritzer Lauge aus einem Werkstoff oder einem Reinigungsmittel abbekommt. „Laugen sind fettlöslich. Sie können durch die Gewebeschichten der Lider, der Bindehaut und der Hornhaut ins Auge vordringen und dort das Gewebe verändern“, erläutert Dr. Thomas Fuchsluger, Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Universitätsmedizin Rostock.

Der Experte hat an einer neuen Leitlinie mitgearbeitet, die das Vorgehen bei akuten Verätzungen durch Laugen, Säuren oder Tenside erläutert. Diese gelten als Notfälle, die zur Blindheit führen können. Deshalb muss das Auge sofort gespült werden, um sämtliche Reste der Chemikalie zu entfernen. Der Arzt untersucht Ausmaß und Tiefe der Verätzung, testet die Sehschärfe und entscheidet je nach Schweregrad, wie er behandelt.

Bei leichten bis mittelgradigen Verätzungen werden Medikamente eingesetzt, in schweren Fällen muss häufig der Chirurg eingreifen, abgestorbenes Gewebe entfernen oder Defekte mithilfe von Transplantaten abdecken. So kann dem Verletzten eine Hornhauttransplantation helfen, wieder besser zu sehen. Fuchsluger: „Solche Eingriffe sind in der Regel erst ein Jahr nach der Verätzung möglich.“

Kritisch: Laserimpulse gegen frühe Makuladegeneration

Können Nanolaser der jüngsten Generation verhindern, dass sich das Gesichtsfeld von Menschen durch die AMD immer mehr einschränkt? Die Idee dahinter: Der Laser soll gegen die Stoffwechselprodukte eingesetzt werden, die sich bei der AMD im Bereich des Sehzen­trums, der Makula, anlagern.

Diese sorgen im Lauf der Erkrankung dafür, dass die Betroffenen verschwommen sehen, später zeigt sich in der Mitte des Gesichtsfeldes nur noch ein dunkler Fleck. Bisher gibt es für die knapp sieben Millionen Menschen, die laut der Gutenberg-Gesundheitsstudie von Frühstadien der AMD betroffen sind, keine wirksame Therapie.

Kurze Laserimpulse sollen nun mit ungleichmäßig verteilter Energie die Regeneration der Netzhaut stimulieren und dadurch die Ablagerungen (Drusen) in der Netzhautmitte reduzieren.

Experten wie Professor Robert P. Finger von der Universitäts-Augenklinik Bonn sehen dieses Verfahren aber trotz positiver Studienergebnisse kritisch: Sie betonen, dass es auf die Art der Ablagerungen ankommt, ob der Laser wirksam ist oder eher schadet, zum Beispiel Blutungen verursacht. Ihr Rat: Finger weg von dieser Therapie – die bereits auf eigenes Risiko angeboten wird –, und weitere Studien abwarten.

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Minimal-invasive Hilfe bei zu vielen Tränen

Kinder kennen es ebenso gut wie ältere Menschen: Die Augen wollen einfach nicht aufhören zu tränen. Experten sprechen in solchen Fällen von Epiphora – dem griechischen Ausdruck dafür, dass der Körper zu viele Tränen produziert, die nicht richtig abfließen können. „Dafür sorgt normalerweise ein komplexes System, auch Tränenpumpe genannt“, erklärt Professor Karl Heinz Emmerich von der Augenklinik am Klinikum Darmstadt. Er ist spezialisiert darauf, den Tränen wieder ihren Weg zu bahnen. Rund 1000 Patienten mit Epiphora behandelt er jedes Jahr.

Das bedeutet, erst einmal festzustellen, ob die Wege, über die die Tränen abfließen, verengt oder verstopft sind. Auch eine Fehlstellung des Lides oder ein schlaffes Unterlid kann eine Ursache für das Problem sein – die möglichen Ursachen sind ebenso vielfältig wie die hilfreichen Eingriffe: Das Lid kann chirurgisch korrigiert oder gestrafft werden.

Und während früher der Tränensack und die -kanäle von außen geöffnet werden mussten, können diese heute dank moderner, winzig kleiner Endoskope durchgespült werden, bis kein Widerstand mehr zu spüren ist. „Die Erfolgsrate liegt ein Jahr nach dem Eingriff bei 80 Prozent“, sagt Emmerich.

Er hat aber noch weitere Möglichkeiten, Epiphora-Patienten zu helfen – etwa eine Sonde, die feine Polypen entfernen kann, oder einen Laser, der punktförmige Verengungen im Bereich der Tränenkanälchen und des Tränensacks wieder öffnen kann.