Hamburg. Feinstaub und Schadstoffe können Menschen krank machen. Smarte Wetterstationen zeigen eine Belastung der Innenluft an.

20.000 Atemzüge für fast 9000 Liter Luft – das ist die tägliche Leistung unserer Lungen. Da sollte die Qualität unseres wichtigsten Lebensmittels stimmen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO verbringen wir bis zu 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen, ein Drittel unseres Lebens allein im Schlafzimmer.

Raumluft stärker belastet als vermutet

„Dafür wissen wir noch sehr wenig über unser Raumklima“, sagt Fred Potter, Gründer und Geschäftsführer der Firma Netatmo, die smarte Wetterstationen auch zur Überwachung der Luftqualität von Innenräumen entwickelt. „Sechs von zehn Deutschen glauben laut einer Studie aus dem Jahr 2013, dass die Außenluft stärker verschmutzt ist als die Innenluft“, so Potter. Dabei sei es umgekehrt: Raumluft sei bis zu fünfmal höher belastet als die Außenluft.

Stark verschmutzte Raumluft kann Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel hervorrufen, langfristig sogar Allergien und Entzündungen der Atemwege.

Ein Grund für die Zunahme dieser Beschwerden liegt in veränderten Bauweisen: „Dabei sind die zunehmende Dichtigkeit und der geringere natürliche Luftaustausch das Problem“, sagt Peter Bachmann, Geschäftsführer der Sentinel Haus Institut GmbH. Zudem halten immer mehr Chemikalien Einzug, wo es gar nicht notwendig wäre.

Sachverständige erkennen Gefahren

So können Lösemittel, flüchtige organische Bestandteile (VOC), eine krankmachende Wirkung entfalten. Das gilt auch für Feinstaub und Radon. Das Edelgas, das vornehmlich in gebirgigen Lagen, aber auch in Norddeutschland (siehe diese Karten des Bundesamtes für Strahlenschutz; www.bfs.de) zum Problem werden kann, gilt als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs.

Bachmann rät daher, vor einem Immobilienkauf die Qualität der Innenraumluft von anerkannten Sachverständigen prüfen zu lassen. Eine solche Untersuchung koste etwa 1000 Euro – „gemessen am Kaufpreis eine übersichtliche, aber lohnende Investition“, sagt Bachmann.

Hier wird mit einem Messgerät geprüft, ob die Innenluft belastet ist.
Hier wird mit einem Messgerät geprüft, ob die Innenluft belastet ist. © SchwoererHaus Lippert | Foto: Jürgen Lippert

Um selbst einen Überblick über die Raumluftqualität zu bekommen, kann man zunehmend auf technische Unterstützung bauen. Dabei spielt insbesondere der Gehalt an Kohlendioxid (CO2) eine wichtige Rolle. „Viele Menschen wachen morgens mit dicken Augen auf und denken, sie haben schlecht geschlafen. Dabei lag lediglich die CO2-Konzentration im Schlafzimmer zu hoch“, sagt der Raumluftexperte.

Bei Überschreitung wird automatisch gelüftet

„Der Kohlendioxidgehalt ist der beste Indikator für die Raumluftqualität“, bestätigt Fred Potter. Ein hoher CO2-Wert beeinträchtige die kognitive Leistungsfähigkeit erheblich. Um eine gute Raumluftqualität zu gewährleisten, sollten 1000 ppm (parts per million, heißt wörtlich übersetzt „Anteile pro Million) pro Kubikmeter Luft nicht überschritten werden. Rund 400 ppm sind es in frischer Außenluft.

Netamo-Geschäftsführer Potter führt noch einen weiteren Aspekt an: „Andere Schadstoffe im Raum potenzieren sich bei einem steigenden Kohlendioxid-Gehalt.“ Neben regelmäßigem Lüften können auch Geräte hilfreich sein, die in Innenräumen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt messen und wie die Netatmo-Wetterstationen bei Überschreitung festgelegter Grenzen eine Benachrichtigung auf das Smartphone des Nutzers senden oder eine Lüftungsanlage aktivieren.

Einen Schritt weiter gehen Hightech-Luftreiniger wie der Dyson Pure Hot+Cool. Sie messen zusätzlich den Gehalt an Feinstaub und VOCs und sind in der Lage, Gase, Gerüche, Haushaltsdämpfe und VOCs aus der Luft herauszufiltern und zu absorbieren. Bis solche Sensoren und Anlagen in Immobilien jedoch zum Standard gehören, wird es noch dauern.

Peter Bachmann ahnt, woran das liegt: „An Essen und Trinken wird viel Geld verdient. Luft ist dagegen einfach da. Wohl auch deshalb ist der Fokus darauf relativ gering.“Sabine Müller-Dietrich, Geschäftsführerin des Berufsverbandes Deutscher Baubiologen, beobachtet jedoch, dass das Thema gesundes Raumklima in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen hat. „Baubiologisches und schadstoffarmes Bauen ist eine zentrale Anforderung an das neue Wohnumfeld geworden“, sagt die Expertin.