Hamburg. Shazimet Soylu bietet Lampenschirme an, auf denen Wunsch-Motive vom Lieblingsstrand zu sehen sind. Kunden senden ihr dafür Sand zu.

Sand hat es Shazimet Soylu angetan. Und zwar so sehr, dass sie vor gut drei Jahren ihren gut dotierten Job als Projektmanagerin an den Nagel hängte und 2017 Deutschlands erste Manufaktur für sandapplizierte Leuchten gründete.

Seitdem stellt die 53-Jährige aus diesem mal grob-, mal feinkörnigen Material in ihrem Atelier außergewöhnliche und sehr individuelle Leuchtenschirme her.

Wie sehr ihr der Umgang mit diesem Rohstoff Spaß macht, spürt man in jeder Sekunde des Atelierbesuchs. Mit sicherer Hand greift sie in die Schale vor sich auf dem Tisch, um einen frisch mit Leim versehenen Leuchtenschirm mit Sand vom Elbstrand zu bestreuen. Dabei wird deutlich: Sand ist nicht gleich Sand!

Mit Sand zum Glück

„Der aus Hamburg ist zum Beispiel eher grobkörnig, hat aber einen wunderschönen goldfarbenen Schimmer, wenn er zum Leuchten gebracht wird“, erzählt die Frau mit dem dunklen Lockenkopf, die in der Türkei geboren ist.

Eigentlich nur eine Randnotiz, wäre damit nicht eine berührende Anekdote verbunden. Denn Soylu feiert den Tag, an dem ihre Eltern sie und ihre Schwester nach Deutschland nachgeholt haben – „es war der 31. Mai 1974“ –, alle fünf Jahre mit Familie am Hamburger Flughafen mit Sekt und Essen in einem Restaurant vor Ort.

Die Elbe und der Strand gehören seit jeher zu ihren Lieblingsplätzen. Dass Sand jemals so viel zu ihrem Glück beitragen würde, hat die studierte Modedesignerin erstmals geahnt, als sie einen Bericht im Fernsehen über Menschen auf den Magdalenen-Inseln in Kanada sah, die Lampenschirme mit Sand verschönerten. „Damals habe ich sofort gedacht: Das wäre auch was für mich!“

Auch Blätter können inszeniert werden. Diese beiden Schirme zeigen, wie unterschiedlich Sand wirken kann.
Auch Blätter können inszeniert werden. Diese beiden Schirme zeigen, wie unterschiedlich Sand wirken kann. © Marcelo Hernandez | Foto:

Anfangs viel Lehrgeld gezahlt

Trotzdem vergingen viele Jahre, bis sie tatsächlich den Mut fasste, es auch zu tun. „Ich habe anfangs bestimmt gut 50 bis 60 Lampenschirme verhunzt, bis der Sand auch wirklich schön auf einem Schirm aussah und dort haptisch einen guten Eindruck hinterließ“, erzählt sie lachend. Viel Lehrgeld hätte das gekostet.

Zum Glück waren es nur Papierschirme. Was das Problem war? „Tatsächlich musste ich erst einmal die richtige Rezeptur für den Leim finden“, erzählt sie. Denn einfach nur den Sand mit irgendeinem Kleber oder Tapetenkleister zu verbinden – diese Rechnung ging nicht auf!

Kunden senden ihr das Material zu

Wie die genauen Zutaten aussehen, will Shazimet Soylu nicht verraten. Das sei ihr Geheimnis. Aber Allergiker bräuchten sich keine Sorgen zu machen. „Alles, was ich für meinen Leim verwende, ist hochwertig und ungiftig!“

Manchmal ist es auch die Konsistenz des Sandes, die zum Problem werden kann. Den Sand aus St. Peter-Ording beispielsweise habe sie erst mit Spüli waschen müssen, bevor sie ihn verwenden konnte. Woran das lag? Die Kreative vermutet, dass er zu oft mit Öl in Kontakt gekommen ist. Sie selbst arbeitet am liebsten mit Sand aus Sylt oder Dänemark.

„Der ist so schön hell und feinkörnig.“ Mittlerweile bekommt sie den Rohstoff aus allen Winkeln dieser Welt zugesendet – von Kunden, die sich von ihr individuelle Schirme fabrizieren lassen. Soylu holt zum Beleg ihr Handy raus. Auf einem Foto ist der Vater einer Kundin zu sehen. Neben ihm eine Leuchte, auf deren Schirm das Logo seiner Firma mit Sand seiner Lieblingsinsel zu entdecken ist. Unter dem Foto zu lesen: „Er hat sich riesig gefreut!“ und „Danke schön!“

Mehr als ein Eimer Sand sollten es nicht sein

Ein andermal hat sie eine ältere Dame aus Hildesheim spätabends angerufen, um ihr mitzuteilen, wie schön die Leuchten aussehen, die ihr Sohn für sie hat anfertigen lassen. „Das Licht ist so warm; man erkennt Maserungen und Verläufe, die an die Silhouette des Fujiyama erinnern.“

Sand ist nicht gleich Sand, wie man an dieser Vorlage sehen kann.
Sand ist nicht gleich Sand, wie man an dieser Vorlage sehen kann. © Foto: Marcelo Hernandez

Beispiele, die zeigen: Sand verbinden viele mit unvergesslichen Momenten und Orten. Soylu ist dankbar, dass sie mit diesem Rohstoff, der nahezu von überall und bis zu einer gewissen Menge – ein Eimer ist nach Auskunft eines befragten Rechtsanwalts unproblematisch – mitgenommen werden darf, etwas gefunden hat, um Emotionen zu bannen. „Ich habe noch nie so viel Wertschätzung erfahren, wie durch diese Arbeit“, sagt sie.

Allerdings – ganz billig sind ihre Kreationen nicht. Je nachdem, wie hoch der Aufwand ist, kann eine von ihr mit Sand dekorierte Leuchte schon mal 600 Euro und mehr kosten. „Das hängt davon ab, wie viel Zeit ich aufbringen muss, um das gewünschte Motiv zu zeichnen und es dann millimetergenau auf dem Rechner zu entwerfen.“

Unterschiedlich hoher Arbeitsaufwand

Erst dann erstelle sie eine Schablone, die nach der Grundierung des Schirms auf ihm appliziert werde, um anschließend mit Sand und Leim das Motiv herauszuarbeiten. Die Schirme sind übrigens längst aus Baumwolle, Leinen oder aus Seide, falls gewünscht, und werden von einem Schirmmacher aus Mitteldeutschland geliefert. Manchmal vergingen so Tage und Wochen, bis eine Leuchte dem Kunden ausgehändigt werden könne.

„Aber dann sind es auch echte Unikate“, sagt Soylu. Ein Blick auf ihre Webseite zeigt: Man kann auch auf vorhandene, sehr beliebte Motive zurückgreifen: So zum Beispiel auf die Leuchte Hamburg mit dem Namenszug der Stadt in Sand (450 Euro) oder der Skyline (590 Euro).

Ein Mitbewerber ist weltweit bekannt

Viele Mitbewerber hat die Hamburgerin nicht. Einer davon, Tim Bengel aus Stuttgart, hat es allerdings geschafft, weit über Deutschlands Grenzen zum Shooting-Star der Kunstszene zu werden.

Auch weiß Soylu von Claudine Vasseure aus Frankreich und der Syrerin Talin Hazber zu berichten. „Die entwerfen so schöne Leuchten aus Sand, so weit bin ich noch nicht“, sagt sie bescheiden. Welche Ideen sie für dieses Jahr verfolgt? „Ich könnte mir vorstellen, Tapeten mit Sanddekor zu fertigen oder Sandbilder für die Wand.“