Busan. Wenige Touristen kennen die Stadt im Süden. Sie verhält sich wie die Antithese Seouls: übersichtlich, am Meer und fern vom Norden.

Die kleine Kim Su-an ist ganz außer sich, als ihr Vater nach Hause kommt. „Ich will doch nur Mama in Busan besuchen!“, ruft sie. „Ich kann auch alleine fahren, ein Ticket habe ich sowieso!“ Ihr Vater Gong Yoo ist genervt von der Siebenjährigen, aber sagt: „Okay, okay. Ich begleite dich!“

Das ist einer der ersten Dialoge im koreanischen Film „Train to Busan“, der seit ein paar Wochen beim Streamingdienst Netflix läuft. Fast jeder Südkoreaner hat ihn gesehen, ikonisch die Szene, wie Vater und Tochter im Morgengrauen in den Zug steigen – und dann geschieht etwas, das ihre Ankunft fraglich erscheinen lässt.

Dass Busan aber durchaus eine Reise wert ist – auch mit dem Zug –, das spricht sich erst langsam außerhalb Asiens herum. Die meisten ausländischen Gäste, die in das ostasiatische Land reisen, bleiben in der Nähe der Hauptstadt Seoul.

Salzige Luft in Busan

Sie hat in der Tat viel zu bieten: Paläste und Tempel, Katzencafés und Shoppingmalls sowie die Grenze zu Nordkorea, die nur 40 Kilometer nördlich liegt.

Ein Markt in Busan.
Ein Markt in Busan. © Getty Images/Robert Harding World Imagery | Andrew Michael

Doch wer ­einmal die salzige Luft Busans, der zweit­größten Stadt des Landes, eingeatmet hat, der wird nicht so schnell in die engen Gassen Seouls zurückwollen. Zumal es quasi zu allen Jahreszeiten besseres Wetter zu bieten hat: Busan ist im Sommer kühler und im Winter dank des Meeres mindestens zwei Grad wärmer. Die touristischen Pfade sind außerdem weniger ausgetreten und – glaubt man den Einheimischen – leben hier die freundlichsten Menschen Koreas.

Mit mehr als 300 km/h geht es von Seoul auf Schienen in den Südosten

Die Anreise empfiehlt sich in der Tat auf Schienen. Ein Ticket mit dem Schnellzug KTX kostet umgerechnet rund 50 US-Dollar, die Züge fahren fast im Zehn-Minuten-Takt, und die Fahrt dauert weniger als drei Stunden. Mit über 300 km/h rauscht der KTX bis an die ­Südostspitze der Halbinsel. Der Zug bietet selbstverständlich kostenloses Wlan an – immerhin ist Südkorea das Land mit der ­weltweit besten Verfügbarkeit von Breitband-Verbindungen.

Übrigens: Die Tickets werden am Schalter im Hauptbahnhof in Seoul verkauft, und selbst wenn die Schlange davor lang sein sollte, die Wartezeiten sind bemerkenswert kurz. Koreaner brauchen für ihren ­Ticketkauf rund 20 Sekunden, sie sagen den Namen der Zielstadt und bezahlen mit Karte. Alles andere gilt als unhöflich den Wartenden gegenüber.

Kometenhafter Aufschwung

Die Ankunft in Busan ist, zugegeben, zunächst wenig beeindruckend: unrenovierte 80er-Jahre-Hochhäuser, billig aussehende Businesshotels und ein wuseliger Shopping-Distrikt zeugen vom Willen der Koreaner zu schnellem Wachstum.

Die pragmatischen, kantigen Gebäude sind ein Zeichen für den ­kometenhaften Wirtschaftsaufschwung, der das Land in nur 50 Jahren vom Status eines Entwicklungslandes zum ökonomischen ­Powerhouse des asiatischen Kontinents wachsen ließ. Doch wer sich gleich neben dem ­Ufo-ähnlichen Bahnhof in einen der Busse für eine Stadtrundfahrt setzt, wird eine Überraschung nach der nächsten erleben.

Die Seebrücke ist ein Wahrzeichen der Stadt

Die glitzernden Fassaden der beein­druckenden Hochhäuser im Finanzdistrikt zum Beispiel spiegeln sich im nahe gelegenen Meer und umgekehrt, und die malerisch ­zerklüftete Bucht von Busan ist besonders gut von der Seebrücke (Gwangandaegyo) aus zu sehen. Diese spannt sich über ganze sieben Kilo­meter über den Ozean und sieht in der Tat beeindruckend aus.

Inzwischen ist sie eines der Wahrzeichen der Stadt und vor allem nachts ein beliebtes Touristenziel, wenn die LED-Lichter am Brückengeländer die Fahrt zu einem romantischen Erlebnis machen.

Jährlich findet ein Filmfestival statt

Von dort aus kann man auch erkennen, dass die Stadtstruktur von Busan sehr besonders ist: Gleich hinter dem Strand erhebt sich eine Hügellandschaft, in die sich die Ortschaft einfügen muss. Die einzelnen Stadtteile sind deshalb getrennter als in anderen Städten, weil sie sich den Möglichkeiten anpassen mussten.

Die verschiedenen Touristenat­traktionen wie der Tempel „Beomeosa“, der „Taejongdae“-Park oder das „Cinema Center“ liegen deshalb zwar weit entfernt voneinander, lassen sich aber meist bequem mit dem Taxi oder mit der U-Bahn erreichen. Kino ist wichtig in Busan, findet doch hier seit 1996 alljährlich im Herbst das BIFF statt, das Busan International Filmfestival. Es ist das größte seiner Art in Ostasien.

Das pittoreske Dorf Gamcheon bietet sich für einen Spaziergang statt

Gleich in der Nähe des Bahnhofs aber liegen zwei Attraktionen: Chinatown und Fischmarkt. Besonders der Fischmarkt ist mit dem in Seoul nicht zu vergleichen. Direkt am Meer gelegen, kommt der Fisch in die Tanks der Händler und kann von denen auch direkt zubereitet werden. Alle Händler arbeiten mit Fischrestaurants am Hafen zusammen.

Sie beherrschen nicht nur das Filetieren, sondern kochen aus den Resten auch eine fantastische Suppe. Das absolute kulinarische Muss einer ­jeden Busan-Reise allerdings ist der Pfannkuchen mit Meeresfrüchten („Haemulpajeon“). Er hat sich von dieser Stadt aus im ganzen Land verbreitet.

Die Frühlingszwiebeln sind etwas dünner als in Deutschland, aber werden in Busan vor der Zubereitung akkurat nebeneinandergelegt. Zusammen mit der gewürzten Sojasauce ist das ein Highlight der ohnehin sehr diversen koreanischen Küche.

Aufs Meer schauen und ein Selfie machen

Für einen Verdauungsspaziergang eignet sich das pittoresk gelegene Dörfchen Gamcheon mitten in der Stadt. Es wird wegen der Bauklötzchen-Fassaden auch „Santorini des Ostens“ genannt. Die regenbogenbunten Häuser fügen sich in die Landschaft vom Hügel bis zum Strand.

Jedes zweite Häuschen ist eine Boutique mit ausgefallenen T-Shirts (mit Sprüchen wie: „You don’t love me yet“) oder ein Café mit Dachterrasse. Und man möchte in Gamcheon auch im Prinzip nichts anderes tun, als sitzen, aufs Meer schauen, ein Selfie machen und den freundlich lächelnden Anwohnern zuwinken.

Nach dem Wandern empfiehlt sich eine Sauna mit Salzlake und Eisbad

An dieser Stelle eine Warnung: Südkorea hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre von einem Grüntee-Land zu einer der größten Kaffee-Trinker-Nationen gewandelt. Neben der US-Marke Starbucks, die mehr Geschäfte in Seoul hat als in Seattle oder Los Angeles, gibt es ­viele Café-Ketten, die sich ständig neue Getränke einfallen lassen, um den Kunden ­etwas Besonderes zu bieten.

Derzeit gilt es zum Beispiel als hip, künstlichen „Schnee“, also kalten Milchschaum, auf seinen Kaffee rieseln zu lassen. Ein weiterer Trend ist ein süßes und buntes Erfrischungs-Mixgetränk mit Namen „Snow“ – ganz ohne Kof­fein, aber dafür in ganz ausgefallenen Geschmacksrichtungen: Minze, Blaubeere oder Pfirsich-Joghurt. Leider sind diese Lifestyle-Produkte nicht billig, ein Café Latte etwa kostet in Südkorea umgerechnet zwischen zwei und vier Euro – ein großer aber auch bis zu sieben Euro.

Ruheräume im ägyptischen Stil

Wem nach einer Wanderung durch die hüge­lige Landschaft die Beine müde geworden sind, dem sei eine der großen Saunen Busans empfohlen. Obwohl Südkorea ähnlich wie Finnland generell als Sauna-Land bekannt ist, gibt es nirgends im Land schönere Saunen als in Busan. Zwei der schönsten sind das super-moderne „Spaland“ und das „Hurshimchung“.

Ersteres beeindruckt durch Ruheräume im ägyptischen Pyramiden-Stil und Entertainment-Anlagen (Massage-Stuhl mit eingebautem TV-Gerät) und Letzteres durch seine schiere Größe. Unter einer gläsernen Kuppel, die an ein Budapester Badehaus erinnert, verteilen sich unterschiedliche Wasserbecken.

Koreanisches Badeerlebnis nicht ohne Hautreinigung

Dampfendes 40 Grad heißes Wasser neben Salzlake und einem Eisbad. Ein koreanisches Badeerlebnis ist aber nicht komplett ohne eine 20-minütige Hautreinigung. Mit rund 15 Euro ist diese auch in teuren Bädern häufig ein Standard.

Abschließend eine Reise-Warnung: Es gibt mehrere Casinos in Busan, aber wer fröhliche bunte Einrichtungen wie in Las Vegas oder Macao erwartet, wird enttäuscht sein. Das ­Betreten des Casinos „Paradiso“ im Stadtteil Haeundae zum Beispiel ist für Koreaner selbst verboten. Die Regierung will so Spielsucht verhindern.

Aber das erklärt nicht, warum die Reisepässe von Nicht-Koreanern so unfreundlich kontrolliert werden, als sei man ein Verbrecher. Drinnen dann dreht eine gelangweilte Dame am Roulette oder gibt ein wortkarger Mann die Karten beim Blackjack.

Freigetränk lässt auf sich warten

Das als ­kostenlos versprochene Freigetränk wird erst nach sehr langen 15 Minuten serviert, und ­irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die anderen Gäste hier sehr wohl alles Süd­koreaner sind. Ihre Tattoos lassen nicht ge­rade auf ehrliche Büroangestellte schließen.

Gerade wenn man in Busan am Roulettetisch auf seinen Drink wartet, fällt einem plötzlich wieder „Train to Busan“ ein, jener Film, der plötzlich eine Wendung erfährt, die sich so gar nicht andeutet im Dialog zwischen Vater Gong Yoo und Tochter Kim Su-an.

Kurz nachdem der Zug nach Busan losfährt, bekommt die hübsche Schaffnerin glasige Augen und wird zum Zombie. Sie schüttelt sich und hat offensichtlich große Lust auf Menschenfleisch. Einige haben den Film als Kritik an Nordkorea verstanden, aber wer das windige Busan einmal erreicht hat, kann sich sicher fühlen. Die Grenze zum kommunistischen Nachbarn ist vor allem eines: sehr weit weg.

Tipps & Informationen

Die Anreise nach Busan führt am besten über Seoul: zum Beispiel mit Finnair über Helsinki. Der Hochgeschwindigkeitszug KTX von Seoul nach Busan kostet
60.000 Won (rund 50 Euro).

Das Paradise Hotel im Stadtteil Haeundae liegt nah am Stadtstrand und hat ein Casino, DZ rund 150 Euro pro Nacht, www.busanparadisehotel.co.kr. Etwas edler, mit Meerblick, übernachtet man im Westin Chosun Busan, DZ etwa 190 Euro/ Nacht, https://twcb.echosunhotel.com

Vor allem im Oktober lohnt sich die Reise nach Busan, denn da findet sowohl das Feuerwerk-Festival am Strand als auch das Busan International Film Festival (BIFF) statt. Außerdem sind folgende Orte empfehlenswert: der Jagalchi Fish Market, der Songdo Skywalk mit der Schwebebahn und der Haedong Yonggungsa Tempel am Wasser.

(Die Reise wurde unterstützt durch Finnair und Korea Tourismus, KTO)