Boston. Keine Abgase, keine Geräusche: US-Forscher haben ein Flugzeug mit Ionenantrieb fliegen lassen. Die Idee haben sie auch von „Star Trek“.

Ein Stück Science-Fiction wird Realität: Zum ersten Mal ist ein kleines Flugzeug einige Dutzend Meter mit einem Ionentriebwerk geflogen. Der Antrieb, der nach Angaben der Entwickler von der beliebten US-Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ („Star Trek“) inspiriert wurde, kommt ohne bewegliche Teile aus und ist nahezu geräuschlos.

Das Team um Steven Barrett, Professor für Luft- und Raumfahrt vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), stellt den unbemannten Flieger mit einer Flügelspannweite von rund fünf Metern im Fachblatt „Nature“ vor.

Als Kind sah der Professor die Science-Fiction-Serie

Es handele sich um den ersten Motorflug eines Flugzeugs ohne bewegte Teile im Antriebssystem, betont Barrett in einer Mitteilung seines Instituts. „Dies kann neue und unerforschte Möglichkeiten für Flugzeuge eröffnen, die leiser sind, mechanisch einfacher und keine Verbrennungsabgase ausstoßen.“

Ein Schema des neuen Ionen-Fliegers.
Ein Schema des neuen Ionen-Fliegers. © dpa | mit

Barrett hatte nach eigenen Worten als Kind regelmäßig die Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ geschaut und war von den lautlos gleitenden Shuttles beeindruckt. „Das ließ mich darüber nachdenken, dass Flugzeuge auf lange Sicht keine Propeller und Turbinen haben sollten. Sie sollten eher wie die Shuttles in ‚Star Trek‘ sein, die nur ein blaues Leuchten produzieren und still dahingleiten.“ Mit dem Ionenantrieb will das Team dieser Vision nun näher kommen.

Der futuristische Antrieb funktioniert über eine starke elektrische Spannung: Diese Spannung wird zwischen zwei Drähten angelegt, die an der Vorder- und der Rückseite der Flügel gespannt sind. Das starke elektrische Feld am vorderen, dünneren Draht erzeugt elektrisch geladene Luftmoleküle, sogenannte Ionen. Die Ionen werden durch die elektrische Spannung zum hinteren Draht hin beschleunigt. Auf dem Weg dorthin stoßen sie mit zahlreichen weiteren Luftmolekülen zusammen, schieben sie dabei an und erzeugen so einen Luftstrom. Dieser Luftstrom, den Forscher Ionenwind nennen, treibt das Flugzeug an.

In den Zwanzigern hielt man den Ionenantrieb für nicht realisierbar

Dieser „elektroaerodynamische Schub“ wurde bereits in den 1920er-Jahren erdacht, galt aber weitgehend als nicht realisierbar für frei fliegende Luftfahrzeuge. Das ist den Forschern um Barrett nun jedoch mit einem speziell angefertigten Leichtbauflugzeug gelungen. Das MIT-Modell hat dabei nicht einen einzelnen Draht an Vorder- und Rückseite der Tragflächen, sondern jeweils einen ganzen Miniatur-Drahtzaun. An diese Drahtkon­struktionen legten die Forscher eine Spannung von 40.000 Volt. Das 2,5 Kilogramm schwere Flugzeug konnte mit dem resultierenden Ionenwind zwar nicht starten, sich aber selbstständig in der Luft halten.

Das Team testete sein Modell in einer 60 Meter langen Sporthalle: Auf den ersten fünf Metern wurde das Flugzeug per Katapult gestartet, die folgenden 55 Meter flog es alleine. Im Schnitt gewann der Ionenflieger dabei einen knappen halben Meter an Höhe. Ohne eingeschalteten Antrieb war der Flug dagegen bereits nach spätestens zehn Metern zu Ende. Die Flugversuche dauerten jeweils etwa zwölf Sekunden. Das sei vergleichbar mit dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright vor 115 Jahren, der am 17. Dezember 1903 in ebenfalls zwölf Sekunden 36 Meter weit führte, schreiben die Wissenschaftler.

Allerdings konnte der etwas mehr als sechs Meter lange Doppeldecker der Wrights einen Piloten tragen. Davon sind die Versuche mit dem Ionenantrieb noch weit entfernt. Das MIT-Modell kann zwar die nötigen Akkus, einen speziell entwickelten Hochspannungswandler und eine Fernbedienung transportieren, für eine Nutzlast ist derzeit jedoch keine Kapazität vorhanden. Das Verfahren lasse sich aber optimieren, betonen die Forscher.

Ionenantrieb ist zunächst nur für leichte Flieger gedacht

Auch die Skalierbarkeit des Antriebssystems für große Flugzeuge müsse noch gezeigt werden, betont Franck Plouraboué von der Universität Toulouse in einem Begleitkommentar in „Nature“: „Kann der Ionenwind-Antrieb ein Flugzeug von mehreren Tonnen fliegen lassen? Diese praktische Frage ist noch offen.“

Es sei aber denkbar, dass der Ionenwind Leichtbauflieger wie das unbemannte, autonome Solarflugzeug „Solar Impulse 2“ in der Luft halten könne, das mit konventionellen Elektromotoren 2015 und 2016 in mehreren Etappen um die Welt geflogen war.

Auch die Entwickler sehen den Ionenwind zunächst eher als Antrieb für leichte, unbemannte Flüsterflieger und Drohnen. Auf lange Sicht stellt sich Barrett aber auch effizientere Hybrid-Passagierflugzeuge vor, die sowohl einen klassischen Antrieb als auch einen Ionenantrieb haben. Das Team arbeitet nach eigenen Angaben an einer Erhöhung der Effizienz seines Antriebs, um mehr Ionenwind mit weniger elek­trischer Spannung zu produzieren. Außerdem wollen sie die Schubdichte erhöhen, also den Schub pro Fläche, um den Ionenantrieb kleiner zu machen.