Zell am See. Die Region Zell am See-Kaprun in Österreich ließ das Sommerskifahren und eine Katastrophe hinter sich. Nun will man wieder hoch hinaus.

Hoppla! Beim Blick über den Rand des Korbes macht das Herz einen ordentlichen Satz, Adrenalin strömt in den Körper, die Hände krallen sich am Korb fest. Von wegen, es geht langsam hoch. Mit vier Metern pro Sekunde steigt der 7000 Kubikmeter fassende Heißluft­ballon auf – schnell gleichen die Häuser, Straßen, Bäume des österreichischen Skisportorts Zell am See der Miniaturlandschaft einer Modelleisenbahn.

Einmal durch die Wolken hindurch, ist der Ballon schnell auf Höhe der 3000er-Berge. Trotz winterlicher Ausrüstung kriecht die Kälte in die Klamotten, vor allem in Schuhe und Handschuhe. Im Kopf macht sich Druck breit. „Minus 17 Grad – aber wir wollen noch höher“, sagt Ballonführer Peter Flaggl und schießt per Hebeldruck wieder Feuer in den Ballon.

Flaggl fährt (beim Heißluftballon heißt es niemals fliegen!) seit drei Jahrzehnten im Korb durch die Luft, und er sagt: „Bis 4000 Meter geht das bequem ohne Sauerstoffmasken.“

Eine Kette aus aneinander gereihtenSeilbahnen soll 2261 Höhenmeter überwinden

Atemberaubend ist indes jetzt schon die Aussicht: Das 360-Grad-Panorama umfasst die vergletscherten Bergmassive des Großglockners, Österreichs höchster Berg, des Kitzsteinhorn-Gletschers, des Großvenedigers und den markanten, wellenförmigen Gebirgsstock Steinernes Meer. Umgeben von den weißen Riesen ruht am Boden gewissenhaft der Zeller See – ein Tintenklecks in der schneeweißen Landschaft.

Ballonfahrten sind in Zell am See-Kaprun, so heißt das Gebiet offiziell, beliebt und eine gelungene Abwechslung zum Pistenspaß auf Brettern. Das Kitzsteinhorn (3203 Meter) ist der einzige Gletscher im Salzburger Land und gilt als eines der drei schneesichersten Skigebiete Österreichs. Die Skisaison beginnt Mitte Oktober.

Insgesamt gilt es, 41 Pistenkilometer zu erkunden, oft schöne, bestens präparierte, breite Hänge für alle Könnerstufen, dazu kommen fünf Free­ride-Routen und Snowparks, in denen Nationalmannschaften aus aller Welt ihre Sprünge und Tricks trainieren.

Die „Black Mamba“ hat 63 Meter Gefälle

Von der Talstation Kristallbahn gelangen Skifahrer mitunter zur „giftigsten“ Abfahrt: „Black Mamba“ genannt, schlängelt sich die Piste über 1000 Meter zum Langwiedboden. Vorsicht: 63 Prozent Gefälle! Beschaulicher lässt es sich indes auf dem Mauskogel rutschen, Kapruns familienfreundlicher Hausberg, der viel Platz für ausgiebige Carving-Schwünge bietet.

Der Skisportort Kaprun gilt als Klassiker unter den Wintervergnügungsorten. Wie schon vor 30 Jahren, als die heutigen Eltern noch Kinder waren und die ersten Skiurlaube im Salzburger Land auf den damals ungelenken Zwei-Meter-Brettern verbracht haben. Gleichwohl muss das Familienskigebiet mit den Wettbewerbern der Skizirkusse mithalten.

So hat sich Kaprun zum 50. Geburtstag vor drei Jahren zwei neue Liftanlagen gegönnt, um die Wintersportler auf den Gipfel des Kitzsteinhorns zu bringen. Ganz oben gibt es jetzt ein Restaurant mit Aussichtsterrasse, die Nationalpark-Galerie und das „höchstgelegene Kino der Alpen“.

Tal- und Bergstation des Maiskogels sollen miteinander verbunden sein

Doch das bisher ehrgeizigste Projekt in Zell am See kommt noch: Die sogenannte K-onnection soll die Skigebiete Maiskogel und Kitzsteinhorn künftig seilbahntechnisch miteinander verbinden. Eine zwölf Kilometer lange Kette aus sechs Seilbahnen werde dann 2261 Meter überwinden – „die größte Höhendifferenz der Ostalpen“, heißt es.

Baustart war im April, die erste Etappe ist fast geschafft. So sollen ab Dezember Tal- und Bergstation des Maiskogels miteinander verbunden sein – vorher mussten Wintersportler mehrmals umsteigen. Läuft alles nach Plan, können Skifahrer und Wanderer ab Winter 2019 von dort aus den Kitzsteinhorn-Gletscher in einem Rutsch erreichen und müssen sich nicht mehr für einen der beiden Berge entscheiden.

Die Kapruner Sommersausen waren legendär

Die Akteure sprechen von einem Generationentraum. „Die geplante Investition von 81,5 Millionen Euro ist bei Weitem die größte, die die Gletscherbahnen Kaprun in ihrer mehr als 50-jährigen Geschichte getätigt hat“, sagt Arno Gasteiner, Aufsichtsratsvorsitzender der Gletscherbahnen Kaprun. Die Investoren hoffen, dass die beschauliche Wintersportregion dann insgesamt an Fahrt aufnimmt. „Die neue Verbindung wird und muss neue Aktivitäten im Ort auslösen“, betont Gasteiner.

In den vergangenen Jahrzehnten lockte Zell am See seine Wintersportler hauptsächlich mit den guten Schnee­bedingungen. Tatsächlich konnte man dort auch im Hochsommer Ski fahren. Ursprünglich errichtet, um internationalen Skiprofis das Training in den heißen Monaten zu ermöglichen, schwebten 1965 bereits die ersten Skifahrer mit der Seilbahn auf den Gletscher.

Das wollten bald auch die Hobbyfahrer, so wurden die Kapruner Sommersausen, in denen man die Pisten in Jeans und mit Sonnenbrille bezwang, legendär. Nun schmilzt die Saison aufgrund der Erderwärmung immer weiter zusammen, genug Schnee gibt es auf dem Kitzsteinhorn „nur“ noch bis Ende Mai. Die Berge werden im Sommer abgedeckt, damit sie einigermaßen eisig bleiben.

Heute wird bei Bauprojekten sehr auf die Natur geachtet

Noch ein Ereignis ist in Erinnerung geblieben, ein sehr trauriges. Am 11. November 2000 ereignete sich am Kitzsteinhorn die größte Katastrophe in der Nachkriegsgeschichte Österreichs. Ausgelöst durch einen defekten Heizlüfter, geriet die Standseilbahn in Brand, im Tunnel breitete sich das Feuer rasend schnell aus.

Lediglich zwölf Menschen konnten sich aus dem brennenden, bergauf fahrenden Zug retten. 155 Menschen starben, unter ihnen 37 Deutsche. Am Fuß des Berges steht heute gegenüber der Talstation eine Gedenkstätte.

Wo einst die Seilbahn durch den Tunnel fuhr, schweben Gondeln mit mas­siven Doppelhalterungen durch die Luft und halten Windstärken von bis zu 160 km/h stand. „Die Katastrophe hat das Bewusstsein verändert“, sagt Norbert Karlsböck, der damalige Bürgermeister Kapruns und heutige Chef der Gletscherbahnen.

Man würde nicht mehr so stark zu Superla­tiven greifen, sondern zu dem, was die Natur zu bieten habe. So nahm man – zumindest bisher – nur sanfte Veränderungen vor.

Kooperation mit dem Institut für Ökologie

Für Bauprojekte kooperieren die Gletscherbahnen schon länger mit dem Salzburger Institut für Ökologie und dem Nationalpark Hohe Tauern, und es wird achtgegeben, dass nicht allzu viel zerstört wird. Zeit, dass Kaprun die Vergangenheit hinter sich lässt, sei es allemal, haben die Bewohner entschieden.

Möglich, dass mit der K-onnection schon bald ein kräftiger Wind durch den Ort fegt. Für Peter Flaggl darf es allerdings nicht allzu viel realer Wind sein, wenn er den Heißluftballon landen will. „Ballonfahrer wissen: Das Unplanmäßige ist planmäßig. Der Wind bestimmt das Ziel“, sagt er und lässt langsam Luft aus dem Ballon.

Nach zwei Stunden und 28 Kilometer Luftlinie setzt der Ballon auf – an einem Hang auf dem Grundstück eines Bio-Bauern. Die Kühe im Stall muhen zur Begrüßung, während die Touristen vom Korb in den Tiefschnee springen.

Tipps & Informationen

Anreise Ab Berlin mit Easyjet oder Eurowings, ab Hamburg oder Düsseldorf mit Eurowings nach Salzburg. Weiter mit der Bahn. Oder die ganze Strecke mit Auto (über A9 und A6) oder Bahn.

Übernachtung zum Beispiel im Hotel Fischerwirt Zell am See, DZ ab 122 Euro, Seegasse 5, Tel. 0043/6542/781, https://www.fischerwirt.com/

Termin Balloonalps 2.–9. Februar 2019 (Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Zell am See-Kaprun Tourismus.)