Berlin . Vor Sex mit dem Ex-Partner wird gewarnt. Doch US-Forscher wollen jetzt entdeckt haben, dass diese gängige Meinung nicht stimmt.

Kurz nach Mitternacht piepst das Handy. Eine WhatsApp-Nachricht. „Hey, was machst du? Willst du vorbeikommen? Zwinkersmiley“. Der Absender: Eine Nummer, die man eigentlich schon vor drei Wochen löschen wollte. Damals, als die Welt zusammenbrach. Als dieser geliebte Mensch plötzlich verkündete, dass die Beziehung zu Ende sei: „Die Gefühle sind halt weg, ich kann das nicht ändern. Das musst du verstehen.“

Nein, man versteht es nicht. Aber seitdem hat man zumindest versucht, es zu verstehen. Und zu vergessen. Jetzt diese Nachricht. „Vorbeikommen“, mitten in der Nacht – schon klar, was das bedeutet. Und schon klar, was nun zu tun ist. Oder?

„Auf keinen Fall antworten!“, rät die beste Freundin. Denn Sex mit dem Ex – das ist immer eine schlechte Idee, sagt sie. Und nicht nur sie.

Zugegeben: Da braucht man eigentlich gar keinen weisen Rat, da reicht der gesunde Menschenverstand. Schließlich fragt man ja auch seinen Hausarzt nicht, ob es eine gute Idee war, dass man gestern Abend auf dem Sofa den gesamten Inhalt der Chipstüte verschlungen hat. Doch in diesem Moment fühlte es sich einfach so verdammt gut an. Der Morgen danach? Ist erst mal egal.

Mehr als jeder vierte Deutsche hatte schon Sex mit dem Ex

Und schließlich tun es viele: 25 Prozent der Deutschen hatten in einer Zeit ohne Beziehung schon mal Sex mit dem oder der Ex. Sieben Prozent haben sogar parallel zu einer anderen Beziehung mit dem Verflossenen geschlafen – das ergab eine YouGov-Umfrage von 2017.

Warum das aber gerade in der Trennungsphase keine gute Idee ist, wusste schon TV-Ikone Samantha Jones, die in der Kultserie „Sex and the City“ sonst nicht gerade Enthaltsamkeit predigt: „Sex mit dem Ex kann deprimierend sein: Wenn er gut ist, wird dir klar, dass du ihn leider nicht mehr hast. Wenn er schlecht ist, hattest du eben nur Sex mit deinem Ex.“

Soweit die gängige Meinung, die „Aus den Augen, aus dem Sinn“ als beste Trennungsstrategie predigt. Zu recht? Nein, sagen jetzt amerikanische Forscher. Sie wollen in einer aktuellen Studie, die nun in der Zeitschrift „Archives of Sexual Behaviour“ erschien, herausgefunden haben, dass Sex mit dem Ex gar nicht so schlimm ist. Im Gegenteil: Er kann sogar einen positive Effekt haben.

Der Heilungsprozess wird nicht verlangsamt

Das Forscherteam um Stephanie Spielmann, Psychologie-Professorin an der Wayne State University in Michigan, befragte in zwei verschiedenen Studien hunderte Menschen, die gerade eine Trennung hinter sich hatten. In einer Zeitspanne von zwei Monaten sollte die Testpersonen notieren, ob sie noch Gefühle für eine/n Ex-Partner/in hatten und ob sie mit diesem Menschen geschlafen hätten.

„Wir fanden heraus, dass jene, die noch Gefühle für ihren Ex-Partner hegten, auch diejenigen waren, die dann mit diesem Partner Sex hatten“, erklärt Stephanie Spielmann unserer Redaktion. „Aber gleichzeitig schadete dieser Sex nicht, er verlangsamte nicht den Heilungsprozess.“ Nach dem Sex fühlten sich die Studienteilnehmer sogar positiver und konnten den Alltag besser bewältigen.

So haben Langzeitpaare mehr Spaß im Bett

weitere Videos

    Ein Ergebnis, dass erst mal überrascht, schließlich gibt es nicht nur die herkömmliche Meinung, die dagegen spricht, sondern auch viele Studien, die das Gegenteil bezeugen. So testeten bereits 2005 Forscher an der University of Arizona, ob Kontakt – kein Sex, sondern nur Kommunikation – mit dem Ex-Partner den Trennungsschmerz verschlimmere.

    Die Testpersonen mussten 28 Tage lang ein Emotions-Tagebuch führen. Bei denjenigen, die noch Kontakt mit dem Ex-Partner hatten, verlangsamte sich der Heilungsprozess. Sie notierten mehr Trauer und auch noch stärke Gefühle als diejenigen, die keinen Kontakt hatten.

    Experte: Hoffnungen werden enttäuscht

    Buchautor und Diplom-Pädagoge Udo Baer interpretiert die Studie von Stephanie Spielmann deshalb so: „Nach gutem, einvernehmlichen Sex fühlen sich Menschen besser. Mit wem auch immer. Vielleicht auch mit der oder dem Ex“, sagt er. Aber er weiß auch: „Ich kenne keinen Menschen, bei dem Sex mit Ex den Trennungsprozess positiv beeinflusst hat. Ich kenne nur Menschen, bei denen dadurch Hoffnungen entstanden, die dann enttäuscht wurden.“

    Eine Enttäuschung, die programmiert ist, wenn beide nicht dieselbe Motivation haben: Was für den einen nurunverbindlicher Sexmit einer vertrauten Person ist, ist für den anderen vielleicht ein letzter Versuch, den Partner umzustimmen. Denn meist hofft immer einer von beiden auf ein Liebes-Comeback. Es droht ein Schrecken ohne Ende.

    „Unsere Studie kann den Menschen helfen, zu hinterfragen, warum sie Sex mit dem Ex wollen“, sagt Forscherin Spielmann. Denn ihre Untersuchungen hätten eben auch ergeben, dass die Probanden, die sich wieder mit ihrem Ex-Partner einließen, alle noch Gefühle für diese Person hegten – „unverbindlicher Spaß“ ist in diesem Fall also wirklich ein Mythos.

    Der Gradmesser ist die Würde

    Doch wie sieht eine gelungene Trennung nun tatsächlich aus? Was hilft den Verlassenen? Für Experte Baer gibt es da kein Allgemeinrezept. Wichtig sei vor allem, auf den inneren Kompass zu hören: „Der Gradmesser für gelingende Trennungen ist die Würde. Achten Sie darauf, ob und wodurch Sie sich gewürdigt oder entwürdigt fühlen. Fragen Sie Ihr Würde-Ich, Ihre innere Instanz, mit der Sie Würdigung und Entwürdigung unterscheiden können“, rät er.

    Außerdem solle man die Trauer ernst nehmen. Nur wenn Menschen trauern dürfen, könne das Loslassen gelingen. Ob für dieses Loslassen ein WhatsApp-Nachricht vom Ex-Partner nach Mitternacht lieber unbeantwortet bleiben sollte – das muss dann jeder tatsächlich selbst entscheiden.