Hermanus. Von Juli bis Dezember sind die Südlichen Glattwale in Südafrika zu Gast. Ein Ort dort gilt als einer der besten, um sie zu sichten.

Die „Dreamcatcher“ fährt hinaus aus der ­Walker Bay. Wellen kräuseln sich auf dem ­Atlantik. Dass aus dem Whale ein Wave ­Watching wird, damit ist an diesem sonnigen, windstillen Tag nicht zu rechnen. Der Skipper nimmt Kurs auf die Nachbarbucht, der Guide hält Ausschau.

Er werde die Richtung als ­Uhrzeit umschreiben, sagt der junge Biologe von Dyer Island Cruises, dem Öko-Tour­Anbieter aus Klein­baai, einem Hafenort rund 170 Kilometer süd­östlich von Kapstadt.

Wale hinterlassen eine Art Abdruck im Wasser

Kurz darauf entdeckt er auf 15 Uhr einen sogenannten Footprint, den deutlichen ­Hinweis auf einen Wal: einen großen, glatten Kreis auf der Wasseroberfläche. Je dichter wir an den ­einsamen Strand heranfahren, desto zahlreicher werden die Ab­drücke. Dann der erste Rücken auf 11 Uhr. Und plötzlich erhebt sich ein Southern Right, ein Südlicher Glattwal, aus dem Wasser und zeigt sein pockennarbiges Gesicht.

Die hellen Flecken auf der schwarzen Haut seien Hornhäute, auf denen sich Seepocken ansiedeln, erklärt der Guide. Jedes Tier habe eine individuelle Musterung. Alle Kameras richten sich auf 18 Uhr, wo plötzlich eine Schwanzflosse auftaucht.

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    Die Wale werden übermütig, schwimmen ums Schiff herum, einer taucht gar drunter durch, ein anderer schlägt mit der Rückenflosse aufs Wasser. „Der hat ein Baby dabei!“, sagt der Biologe. „Das Schlagen heißt: Bleib bei mir.“ Leider hört das Junge auf seine Mutter und lässt sich nicht blicken.

    Schwangere Glattwale arbeiten mit Hebammen

    Von Juli bis Dezember sind die Südlichen Glattwale in der Walker Bay zu Gast. Sie ­nehmen die lange Reise aus der Antarktis auf sich, um sich hier zu paaren und um ihre ­Babys zur Welt zu bringen, für die es im Polarmeer zu kalt wäre.

    Da es den Krill, eine Art Krebstier, den die Bartenwale aus dem Wasser filtern, nur in ihrer kalten Heimat gibt, fasten die Weibchen während der Babypause – und produzieren trotzdem rund 500 Liter Milch pro Tag. Schwangere Tiere bringen sogar eine Hebamme mit, die ihnen bei der Geburt ­beisteht.

    Kelp – kaum ein anderer Rohstoff wächst so schnell nach

    Der Kelp, große Braunalgen, dessen ockerfarbene Blätter sich in den Wellen wiegen, ist ein gutes Versteck für Babywale. Bis zu zwölf Meter hoch wächst der Tang, einer der am schnellsten nachwachsenden Rohstoffe der Welt. Den Khoisan, den Ureinwohnern, die in der Steinzeit in Höhlen an der Küste lebten, diente er als Nahrung; heute nutzen ihn die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie.

    Kelp bildet einen regelrechten Tangwald, der die Küstenbewohner vor allzu hohen Wellen schützt und die Meeresbewohner mit Nahrung und Verstecken versorgt. Abalonen, eine Schneckenart, etwa leben darin. Weil sie in Asien so begehrt sind, tauchen die Ärmsten nach Perlemoen, wie die Schnecken auf Afrikaans heißen, und riskieren ihr Leben.

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      In der Shark Alley könnte es einem mulmig werden

      Wir erreichen Dyer Island, die kleine Insel ist Sitz einer Kolonie von Brillenpinguinen, der einzigen heute noch in freier Wildbahn lebenden heimischen Art. Gegenüber ragt ein schroffer Felsen aus dem Meer, auf dem Robben in der Sonne dösen und kopfüber ins Wasser hüpfen. Eine Robbe schlägt ihren Kopf so lange wild hin und her, bis der Tintenfisch in ihrem Maul die Besinnung verliert.

      Direkt unter uns seien weiße Haie unterwegs, sagt der Biologe. Wegen der Robben. Die Passage zwischen Insel und Fels wird Shark Alley­ genannt, eine Art Schnellrestaurant für den größten Raubfisch der Welt.

      Kleinbaai gilt als bester Ort zum Haiebeobachten

      Deshalb liegen im Hafen von Kleinbaai auch Boote mit Käfigen dran, in denen sich Mutige zum Shark Cage Diving ins Meer begeben, zum Haie-Beobachten. Kleinbaai gilt als bester Platz der Welt dafür, erzählt mir Renée, als sie mir in ihrem freundlichen White Shark Guest House ein großartiges Frühstück serviert.

      Kleinbaai liegt im Osten der Walküste, die kurz vor Betty’s Bay beginnt, einer Ortschaft, die sich an die faltigen Flanken des Kogelberg-Biosphärenreservats kuschelt und wo eine von zwei verbliebenen Landkolonien der ­Brillenpinguine heimisch ist. Anders als am Boulders Beach nahe Kapstadt muss man diese nicht durch Zäune vor zu vielen Touristen schützen, weshalb die furchtlosen Vögel einfach in der Gegend herumwatscheln.

      Städtchen wie Kleinmond, wo rosa Pelikane in der Lagune stehen, und Stanford mit seinen weiß getünchten viktorianischen Villen, säumen die Küste. In der Lagune von Botrivier lebt neben Tausenden von Wasservögeln auch eine kleine Herde von Wildpferden. Und an den fruchtbaren grünen Hügeln im Hinterland reifen ausgezeichnete Rotweine wie die der Weingüter Raka und Beaumont.

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        Wale trauen sich nah an die Klippen von De Kelders heran

        Mittendrin liegt Hermanus. Die Hauptstadt des Waltourismus hat ein Walmuseum, einen Wettermast mit Wal drauf, eine Sitzbank in Form einer Flosse – und einen Walschreier. Wenn er einen Meeressäuger sichtet, bläst er in sein Horn aus Kelp. Wobei das gar nicht nötig wäre, so nahe wie die der Küste kommen.

        Am gegenüberliegenden Ende der Bucht erkenne ich die große blonde Düne, die bei De Kelders den Hang hinaufklettert. Dorthin kommen nur wenige Touristen, dafür umso mehr Wale, und die trauen sich ganz nah ran an die traumhaft schönen, geschützten ­Klippen, auf denen ein Wanderpfad entlangführt. De Kelders ist der idyllische weiße ­Vorort der Stadt Gansbaai, Nachbarin von Kleinbaai und Heimat der Marine Big Five: Wale, Delfine, Pinguine, Robben und Weiße Haie sind dort zu finden.

        Leben im Township ohne fließendes Wasser

        In den beiden Townships von Gansbaai leben, nach Hautfarbe und sozialem Status getrennt, Farbige in Häusern aus Stein und Schwarze in Wellblechhütten. Die Schwarzen sind Xhosa, gehören zum Volk Mandelas, kommen aus dem ländlichen Ostkap ins ­reiche Westkap und arbeiten, wenn sie denn einen Job finden, in der Fischfabrik.

        Mzi ist Xhosa. In Masakhane, dem schwarzen Township, lebt der 20-Jährige mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Raum ohne fließendes Wasser. Das ­zapfen sie an Tanks, erzählt er mir, als er mich herumführt und mir auch die ­Klohäuschen zeigt, die sich die Bewohner ­teilen.

        Mzi könnte sich eine eigene Wohnung leisten, doch er will lieber seine Familie unterstützen und in seiner Community leben. Der junge Mann arbeitet als Fußalltrainer für die Grootbos Foundation, eine Stiftung, die Kindern aus den Townships mit Sportangeboten Wege aus der Armut zeigt. Als Kind kam er zur Not ­barfuß auf den Kunstrasenplatz, der, wie ein Mahnmal gegen die Rassentrennung, genau zwischen den weißen, farbigen und schwarzen Vierteln liegt.

        Starkes Selbstbewusstsein statt Drogen

        Mzi unterrichtet als Coach mithilfe von Freiwilligen aus der ganzen Welt, die hier, an einem der schönsten Flecken der Erde, nach der Schule oder während des Studiums Sinnvolles leisten wollen. Ihre Aufgabe: das Selbstbewusstsein der Kinder stärken, weil sie das fernhält von Kriminalität und Drogen.

        „Das ist genau das, was wir hier brauchen“, sagt Ruth Crichton, Leiterin der Stiftung, die auch ­erwachsene Schwarze zu Gärtnern ausbildet. „Vorbilder wie Mzi, die den Kindern zeigen, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, sind die größte Motivation.“

        Aus privatem Ferienhaus wurde eine Vorzeige-Öko-Lodge

        Gegründet hat die Grootbos Foundation Michael Lutzeyer. Mit seinem Bruder betreibt der 66-Jährige die gleichnamige Luxus-Lodge oberhalb von De Kelders. Die Familie stammt aus Lüneburg, wanderte nach Südafrika aus, als die Brüder klein waren.

        In dem privaten Naturreservat stand ursprünglich ihr Ferienhaus, heute sind es 27 Bungalow-Suiten, teils romantisch-afrikanische, teils modern-minimalistische, sowie zwei Pools und zwei Meerblick-Restaurants, die ihre Zutaten von der eigenen Bio-Farm beziehen. Zuschauer von „Sing meinen Song“ kennen die Lodge, denn die bekannte TV-Show wird auf Grootbos ­gedreht.

        Das unter Naturschutz stehende Gelände beherbergt 804 Pflanzenarten

        Von der Küste aus ist die Lodge nur schwer auszumachen. Die Gebäude verstecken sich im Fynbos, der endemischen Vegetation aus Ginster, Proteas, Malven und Erikagewächsen. Michael Lutzeyer kümmert sich nicht nur um Benachteiligte, sondern auch um die Natur. Das unter Naturschutz stehende Gelände beherbergt 804 Pflanzenarten, ­darunter auch welche, die nur auf Grootbos vorkommen und nach Vater Heiner benannt wurden, der sie entdeckte: Lachenalia lutzeyeri und Capnophyllum lutzeyeri.

        Sohn Michael gilt als Vorreiter des Öko-Tourismus in Südafrika, wurde vielfach ausgezeichnet. Bei Fynbos-Safaris sensibilisieren Ranger Gäste für die Artenvielfalt bei Pflanzen, Vögeln und Schmetterlingen.

        Mein Guide Christoff lenkt wachsamen Auges den grünen Jeep über rote Pisten, vorbei an Sträuchern mit gelben, weißen, blauen oder lilafarbenen Blüten, springt alle paar Minuten vom Geländewagen, um mir eine weitere Protea-Art zu zeigen oder eine Amaryllis, die wie ein dunkelroter, vielarmiger Kerzenleuchter aus der trockenen Erde hervorlugt.

        Und natürlich bringen die Ranger ihre Gäste auch nach Kleinbaai, damit sie die kennenlernen, die der Walküste ihren Namen gab: die Besucher aus der Antarktis. Gerade sind sie wieder zu Gast.

        Tipps & Informationen

        Anreise ab Berlin zum Beispiel mit Lufthansa/South African über Frankfurt nach Kapstadt. Weiter nach Hermanus mit Pkw, Bus oder Zug.

        Übernachtung z. B. White Shark Guest House Gansbaai, DZ/F ab 65 Euro, www. whitesharkguesthouse.co.za; Cottages auf dem Weingut Beaumont, ab 90 Euro pro Nacht, www.beaumont.co.za

        Adressen Dyer Island Cruises: www.whalewatchsa.com; www.whalecoast.info; www.grootbosfoundation.org

        (Die Autorin reiste mit Unterstützung durch South African Tourism.)