Köln. Wer sich für ein Navigationssystem entscheidet, hat die Qual der Wahl. Jede Variante hat Vor- und Nachteile. Auch ein Mix ist sinnvoll.
Mal schnell die beste Route von A nach B – dazu sind in Zeiten von Google Maps und Co. nur wenige Klicks notwendig. Vor 20 Jahren sah das anders aus: Da war ein Autoatlas fester Bestandteil vieler Hutablagen. Was folgte, war der Siegeszug der Saugnapf-Navis, doch auch die werden immer seltener.
Denn geht es um die Verkehrslage und die beste Route, informieren sich laut einer Bitkom-Umfrage immer mehr Bundesbürger via Smartphone oder Tablet. Ein Trend, den Holger Ippen von der „Auto Zeitung“ nachvollziehen kann: „Der große Vorteil der meisten Navi-Apps ist, dass sie immer top aktuell sind.“ Dahinter stünden Echtzeitdaten. Zudem würden Apps und Kartenmaterial durch die Mobilfunkanbindung fortwährend aktualisiert.
Doch App ist nicht gleich App. Viele kostenlose Angebote basieren rein auf Nutzerdaten und bieten laut Ippen damit oft kein umfassendes Bild. „Apps wie Here oder Inrix gleichen ihre Daten auch mit anderen Quellen ab, wie Straßensensoren oder Brückenkameras, und errechnen Stauwahrscheinlichkeiten auch aus zuvor gewonnenen Daten.“ Wenn etwa auf einer Straße jeden Tag zwischen 16 und 17 Uhr Stau sei, berücksichtige das eine gute Navigation.
Saugnapf-Navis gingen durch Handy-Apps stark zurück
Ein Nachteil der Apps ist zudem das Handling der dazugehörigen Mobiltelefone. Denn ohne entsprechende Halterung oder Sprachsteuerung ist ihr Gebrauch im Auto nicht erlaubt. Der Fahrer darf ein Smartphone nicht in die Hand nehmen, sobald der Motor läuft. „Klassische Navigationsgeräte bieten daher immer auch einige Vorteile beim Thema Verkehrssicherheit“, sagt Sarah Schweiger von Tomtom.
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Trotzdem ist die Zahl der Saugnapf-Navis nach der Einführung der Smartphone-Apps stark zurückgegangen. „Viele Anbieter spezialisieren sich und bieten stattdessen zum Beispiel Komplettlösungen für Autohersteller an“, sagt Ippen. Tomtom etwa ist mit seiner Routenführung in den Navis zum Beispiel von Mazda, einigen Mercedes-Modellen und Renault vertreten und bietet inzwischen auch spezielle Navigationslösungen für Motorräder, Lkw oder Wohnmobile an.
Doch obwohl Handys so etwas wie die neuen Saugnapf-Navis sind: Einige Schwachpunkte der Nachrüsttechnik sind geblieben. „Ohne externe Stromversorgung kommen auch die Smartphones nicht aus, denn sowohl das Display als auch der Datentransfer benötigen viel Energie“, sagt Ippen. Die Folge: eine notwendige Verkabelung und eine mehr oder weniger störende Halterung für das Smartphone. Kommt während der Navigation ein Anruf herein, kann es sein, dass die Routenführung aussetzt oder gar zusammenbricht.
Mit dem Smartphone kann man auch die Messengerdienste nutzen
Eine interessante Zwischenlösung aus App und integriertem Navigationssystem bieten Google und Apple mit Android Auto beziehungsweise Apple Carplay an. „Hierbei wird eine Verbindung zwischen dem Smartphone und dem Multimediasystem des Autos hergestellt, sodass die Navigations-App über das integrierte System des Fahrzeugs genutzt werden kann“, erklärt Ippen. Nachteil: Bei Android Auto kann nur Google Maps verwendet werden und entsprechend bei Apple auch nur die Navigation des iPhone-Herstellers.
Der Vorteil: Nachdem das Smartphone einmal via USB angeschlossen wurde, sind auch alle anderen Funktionen wie komfortable Sprachsteuerung, Kurznachrichten- oder Musikdienste nutzbar, und das Handy kann unbeachtet in der Mittelkonsole liegen bleiben.
Integrierte Navisysteme kosten häufig mehr als 1000 Euro
Noch komfortabler: komplett integrierte Navisysteme. Hier muss nichts zusätzlich angeschlossen oder installiert werden, und die Verkehrsführung wird als eigenständiger Menüpunkt im Multimediasystem aufgerufen. Die Optik des Cockpits wird nicht durch eine zusätzliche Halterung oder Kabel beeinträchtigt. „Der größte Nachteil sind die hohen Kosten, nicht selten werden 1000 Euro und mehr für die integrierte Routenführung verlangt“, sagt Ippen.
Weiterer Nachteil: die Datenquellen. Viele Navis der Hersteller arbeiten nicht mit Echtzeitdaten, sondern mit dem TMC-Signal des Autoradios. Das jedoch hinke immer hinterher. In dem Fall, so Ippen, biete es sich an, parallel eine Smartphone-App zu aktivieren, um auf dem neuesten Stand zu sein.
Die Funktionen lassen sich über den Mobilfunk ausbauen
Arbeiten integrierte Systeme mit Echtzeitdaten wie RTTI oder Tomtom Lifetime und ist die Routenführung im Armaturenbrett integriert, ist das die Königslösung. Inzwischen gebe es Navis, die auf die Frontscheibe im Sichtfeld des Fahrers abgedimmte Richtungspfeile projizieren, sodass der den Eindruck hat, die Routenführung liege auf der Straße“, sagt Ippen.
Daneben greift in Autos der Oberklasse sogar das Lichtsystem auf Navidaten zu. Kurven werden früher ausgeleuchtet, und auf der Autobahn passt sich die Lichtmenge den Fahrspuren an und blendet nicht den Gegenverkehr. In der Stadt stellen LED-Scheinwerfer navigesteuert auf größere Leuchtbreite um.
Die Genauigkeit jedes Navis steht und fällt mit der Aktualität der Daten. „Um Live-Dienste wie Echtzeitinformationen über Verkehrsaufkommen, Baustellen oder Straßensperrungen zu erhalten“, sagt Schweiger, „ist immer eine Konnektivität notwendig.“
Möglich ist das über eine Mobilfunkanbindung. Viele Fahrzeuge haben bereits eine Daten-SIM, über die dann auch ein integriertes Navisystem Updates empfangen kann. Befindet sich das Navi zum Beispiel im heimischen WLAN, ist auch so ein Karten-Update möglich.
5G-Atlas soll Autos eigenständig miteinander kommunizieren lassen
Grundsätzlich lassen sich die Funktionsmöglichkeiten von Navigationsgeräten durch den Mobilfunk deutlich ausbauen. „Aus einem Navi kann so ein Echtzeit-Reiseführer werden“, sagt Tobias Krzossa von Vodafone. Das Mobilfunkunternehmen hat zu Jahresbeginn eine Kooperation mit dem Navigationsanbieter Here gestartet, mit dem Ziel, einen 5G-Atlas für Autos zu bauen.
„Dahinter steckt die Idee, Karten anzubieten, die neben Straßendaten eine Vielzahl anderer Informationen vom Wetter bis zu Straßenschäden beinhalten“, sagt Krzossa. Funktionieren soll der 5G-Atlas im Mobilfunknetz 5G, das 2020 an den Start geht und Daten in Echtzeit überträgt.
Autos sollen dann eigenständig miteinander kommunizieren und Informationen austauschen, die in die Navigation einfließen. Krzossa: „Gibt es auf einer Strecke Behinderungen oder Störungen, weiß und berücksichtigt das System das schon, bevor der Fahrer auch nur in der Nähe ist.“
Eines ist laut Ippen ganz klar: Viele Zusatzleistungen in den Navigationssystemen werden in Zukunft extra kosten, denn mit den kostenfreien Apps können die Hersteller nur wenig Geld verdienen.