Berlin. Der Job eines Fotografen erfordert beides: Kreativität und Arbeit nach Kundenwunsch. Ausbildungswege: Lehre, Studium, autodidaktisch.
Im August hat für Charlotte Hansel die Schule wieder begonnen. Aber nicht Mathe und Bio stehen auf ihrem Stundenplan. „Bildgestaltung“, „Projektentwicklung Fotografie“ und „Digitale Medien CGI“ heißen die Fächer.
Sie macht eine Ausbildung zur staatlich geprüften Fotodesignerin beim Lette Verein. Das ist ein Ausbildungszentrum, in dem viele verschiedene Berufe gelehrt werden.
Hansel ist im dritten Semester und fotobegeistert, seit sie mit zwölf Jahren die Digitalkamera ihres Vaters in die Finger bekam. Beim Lette Verein bewarb sie sich nach einem abgebrochenen Architekturstudium.
„Schön, gefordert zu werden“
Inzwischen ist die 22-Jährige mit Leidenschaft dabei. „Das erste Jahr hat mir noch mal viele andere Facetten von Fotografie gezeigt“, sagt sie. „Ich bin sehr froh mit all dem, was einem hier an die Hand gegeben wird“, so Hansel. „Ich finde es schön, gefordert zu werden.“
Sie schätzt auch den intensiven Austausch an der Schule: „Man lernt Leute kennen, bekommt Feedback und Input“, sagt Hansel. „Ich glaube, in der Fotografie geht vieles auf unterschiedliche Arten und Weisen, die einem vielleicht selbst gar nicht direkt einfallen würden.“
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Ausbildung vermittelt Bandbreite des Berufs
Obwohl sie mit dem Bereich Mode liebäugelt, ist sie noch offen, was ihre berufliche Zukunft angeht. Dafür sei die breite Ausbildung am Lette Verein perfekt, sagt Frank Schumacher, Abteilungsleiter Fotografie.
„Wir haben den Fokus nicht auf einer bestimmten Richtung. Man lernt hier erst mal alle Bereiche der Fotografie kennen: Dokumentar, Essay, Architektur, Landschaft, Porträt, Mode, Objekt, Stillleben, und man lernt konzeptionell arbeiten.“
Nach den Pflichtmodulen der ersten beiden Semester können die Schüler aber schon im zweiten Jahr mit der Wahl bestimmter Module Schwerpunkte setzen.
Schwerpunkte: Werbung, Porträt, Lifestyle
Nach dem Abschluss werden viele der jährlich etwa 30 Absolventen Assistent bei einem Fotografen, andere machen ein Erasmus-Praktikum im europäischen Ausland. Einige gehen in verwandte Berufsfelder, arbeiten dann zum Beispiel in einer Fotoredaktion.
Hannes Saint-Paul ist seit drei Jahren freier Fotograf. Im Sommer war er für Aufnahmen in Kalifornien. Werbung, Porträt, Lifestyle und Mode sind seine Schwerpunkte. Das Handwerk hat der 27-Jährige in der Gestalterei Berlin gelernt, einer Privatschule, die ihre Schüler gleichzeitig zum Fotografen und Mediengestalter ausbildet. „Photoartist“ heißt die Vollzeitausbildung.
Nicole Urbschat gründete die Schule 2005, auch um qualifizierte Mitarbeiter für die familieneigenen Studios zu gewinnen. Ein Fotografie-Studium gehe oft am Markt vorbei, findet sie. „Der handwerkliche Fotograf lernt die Gebrauchsfotografie“, sagt Urbschat.
Ein Drittel der Plätze für Umschüler
50 bis 60 Bewerbungen kommen pro Jahr für die 10 bis 15 verfügbaren Plätze. Ein Drittel wird meist von Umschülern belegt, gefördert durch die Arbeitsagentur.
In der Gestalterei unterrichten Praktiker jeweils vier bis sechs Wochen ihr eigenes Genre. „So lernt man unterschiedliche Stile kennen“, sagt Hannes Saint-Paul. „Gut war auch, dass uns schon in der Ausbildung reale Aufträge vermittelt wurden.“ Wichtig sei, solche Gelegenheiten zu nutzen, um praktische Erfahrung zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.
Es reicht nicht aus, nach dem Abschluss sein Portfolio im Internet hochzuladen und darauf zu warten, von Kunden gefunden zu werden. Im Beruf des Fotografen sei viel Eigeninitiative gefragt, betont Saint-Paul. Eine eindrucksvolle Mappe mit Arbeitsproben hilft dabei, Auftraggeber von sich zu überzeugen.
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Aufhebung der Meisterpflicht im Jahr 2004
Nicht nur durch die digitale Technik hat sich der ursprünglich streng reglementierte Handwerksberuf verändert. Mit Aufhebung der Meisterpflicht darf seit 2004 jeder die Berufsbezeichnung Fotograf führen und ein entsprechendes Gewerbe anmelden. Viele Amateure haben seitdem ihr Hobby zum Beruf gemacht.
Auch Leni Moretti ist Quereinsteigerin. Nach einem Studium der internationalen Politik arbeitete die heute 35-Jährige beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen in Kolumbien, dann bei der Welthungerhilfe in Bonn.
2012 reduzierte sie ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent und begann, nebenbei freiberuflich als Familienfotografin zu arbeiten. Der ideale Einstieg in die Selbstständigkeit, sagt sie.
Zum Fotografieren zu Familien nach Hause gefahren
„Die Leute kannten damals eigentlich nur Fotostudio-Fotografie. Ich bin aber zu den Familien nach Hause gefahren und hab sie in vertrauten Situationen im Alltag fotografiert.“ Diese Art Lifestyle-Fotografie, die ihr bei ihren vorbereitenden Recherchen vor allem auf amerikanischen Webseiten begegnet war, kam auch in Bonn gut an.
Die Nachfrage wuchs kontinuierlich. Inzwischen ist Moretti nur noch Fotografin, lebt in Berlin, arbeitet aber auch überregional.
Wichtige Faktoren für den Erfolg als Freiberuflerin sieht sie in einer klaren Strategie und gutem Marketing. Man müsse sich abgrenzen, einen Wiedererkennungswert schaffen und konsequent nur solche Aufträge annehmen, die – auch preislich – ins eigene Konzept passen.
Überlegen, was macht mich als Marke aus?
„Ich hab damals viel überlegt: Wo will ich hin? Wofür stehe ich als Marke Leni Moretti?“ Von ihren Kunden lässt sie sich finden, vor allem online, mit Webseite, Blog, Facebook und natürlich Instagram, dem vielleicht wichtigsten Social-Media-Kanal für Fotografen.
Moretti gibt ihr Wissen weiter, coacht andere Fotografen, bietet einen Online-Fotokurs für Eltern an und baut sich damit weitere Einnahmequellen auf.
Personen, Mode, Werbung, Produkte und Lebensmittel sind nur einige Themen für Profi-Fotografen. Auch Events, Architektur und Industrieobjekte werden professionell fotografiert. Hinzu kommen Natur- und Reise-Fotografie, die wissenschaftliche, medizinische und forensische Fotografie sowie dokumentarische und Pressefotos.
Im Studium auch Kunstgeschichte gelernt
Und dann wäre da noch die Kunst. Eine Richtung, die Laura Giesdorf (23) eingeschlagen hat. Sie hat sich für ein Fotografie-Studium entschieden, weil sie nicht nur das Handwerk lernen, sondern auch eine geisteswissenschaftliche Ausbildung wollte.
Die private University of Applied Sciences Europe wurde es, weil für die Detmolderin damals der Standort Iserlohn am besten passte – mit der Option, relativ einfach nach Berlin zu wechseln. Hier hat sie dann 2017 ihren Bachelorabschluss gemacht.
„Man macht ein bisschen Handwerk, man macht ein bisschen Kunstgeschichte und Philosophie und ganz viel Konzept“, beschreibt Giesdorf ihr Studium. Auf dieser Basis können dann kreative Prozesse entstehen.
Ins Finale des Hochschulwettbewerbs
Mit ihrer Abschlussarbeit kam Giesdorf bei „gute aussichten“, dem bundesweiten Hochschulwettbewerb für junge Fotografie, ins Finale, ihre Arbeiten wurden Teil der Ausstellungstournee. Ende Oktober wird sie am renommierten Central Saint Martin’s College an der University oft the Arts London ihr Masterstudium „Contemporary Photography; Practices and Philosophies“ beginnen.
Damit will sich die 23-Jährige auch noch andere berufliche Optionen erschließen, „zum Beispiel im redaktionellen Bereich arbeiten oder im Kulturbetrieb“, erzählt sie. Ihre Empfehlung für andere angehende Fotografen ist, sich vor nichts, auch nicht vor der Kunst zu verschließen: Am meisten profitiere sie neben der Uni davon, sich andere Künstler oder Fotografen anzugucken.
Ob Fotoschule, Ausbildung, Studium oder autodidaktisch: „Es gibt nicht diesen einen geraden Weg, dieses ‚Das macht man so, und dann ist man da‘“, glaubt Charlotte Hansel. Trotzdem sind sich alle in zwei Punkten einig: Qualität setzt sich durch. Und ohne Talent geht es nicht.