Wolfsburg. Mehr als eine Million VW-Kunden entschieden sich in den vergangenen 70 Jahren für ein Cabriolet. Bald soll es auch SUV oben ohne geben.

Ende der 1940er, Deutschland ist nach der Währungsreform im Wiederaufbau-Fieber. Die Wirtschaft kommt ins Laufen, und in Wolfsburg regiert König Käfer. Die Kunden reißen den Volkswagen-Händlern die billigen Luftgekühlten förmlich aus den Händen, gleichzeitig wird aber bereits der Ruf nach feineren Cabriolet-Kleidern für den Käfer laut.

Versprachen doch Verdeckträger jenen Hauch bezahlbare Noblesse und Extravaganz, mit denen sich die Kaufmannsgattin oder der Unternehmersohn in der statusbewussten jungen Bundesrepublik gerne von gewöhnlichen Autofahrern differenzierten. Ganz besonders wenn das Cabriolet von einem Karossier stammte, so wie die Käfer, die Volkswagen zuerst bei Hebmüller in Wülfrath oder Rometsch in Berlin, vor allem aber bei Karmann in Osnabrück bauen ließ.

Erstes bezahlbares SUV mit Faltdach

Die Verbindung zu Karmann war für VW der Beginn einer innigen Liebe zu Luftikussen, die über den kultigen Karmann-Ghia im Sportdress, die bunten Beach-Buggys und verwegenen Jagdwagen der Swinging Sixties und Seventies bis hin zum Erben des Käfers fortgeführt wurde, dem 1979 vorgestellten Golf Cabriolet. Trotz des zeittypischen feststehenden Überrollbügels entwickelte sich dieser Frischluft-Golf zum Übervater aller modernen Kompaktklasse-Cabriolets und zum meistproduzierten offenen Viersitzer aller Zeiten.

Den Bügel legte der Golf erst in der letzten, bis 2016 gebauten Generation ab. Allerdings nützte diese neue Freizügigkeit nicht, um frühere Erfolge fortzuschreiben. Auch der Beetle, der im Re­trodesign und Dune-Outfit seine legendären Vorfahren Käfer Cabrio und Dune-Buggy zitierte, konnte nur kurzzeitig reüssieren. Ausgerechnet zum 70. Geburtstag der VW-Cabrios heißt es deshalb: Vorübergehend geschlossen!

Fortsetzung folgt aber, denn Volkswagen hat schon den nächsten preiswerten Platz an der Sonne avisiert, und das mit Panorama-Aussicht. Als erstes bezahlbares SUV fährt 2020 der T-Roc mit Faltdach vor. Es wird ein Neuanfang, der zurück an die Wurzeln führt, denn wie der erste offene Großserien-VW wird der T-Roc in dem inzwischen von Volkswagen übernommenen Karmann-Werk gebaut. Und wie einst das Käfer Cabrio startet der T-Roc mit allen Ambitionen einer Stilikone.

Karosserie im italienischen Design macht Käfer zum Traumwagen

Damit diese Mission in der schwierigen Nachkriegszeit wirklich gelang, bestellte Volkswagen gleich bei zwei der renommiertesten deutschen Karosseriebauer Cabriolet-Entwürfe für den ­Käfer. Hebmüller transformierte den biederen Heckmotorwagen in einen stylishen Schönling mit zwei Notsitzen im Fond, konnte aber nur knapp 700 Cabriolets ausliefern, bevor das Wülfrather Werk in einem Feuer unterging.

Mehr Glück hatte Karmann. Bei diesem Karossier zeigte sich der Käfer bis 1980 in über 330.000 Einheiten so offen und herrlich, dass die Fertigung des 1303 Cabriolets sogar fünf Jahre länger florierte als die Limousine. Nicht zu vergessen die zahllosen Kinder, die Karmanns Sonnen-Käfer in die Welt setzte.

Begehrenswert wie einen Traumwagen machte den luftigen Käfer ab 1957 eine extravagante Karosserie im italienischen Ghia-Design. Tatsächlich stammte die komplette Technik des VW Karmann Ghia Cabriolet vom gerade einmal 22 kW/30 PS leistenden 1,2-Liter-Käfer. Sämtliche Evolutionsstufen des Krabbeltiers durchlief auch der elegante Karmann inklusive der Leistungssteigerung auf 37 kW/50 PS, mit der das berühmteste Auto aus Osnabrück 1973 am Ende seiner Karriere schneller lief, als die kurz danach eingeführte Autobahnrichtgeschwindigkeit von 130 km/h gebot.

Während Medien über die „Parodie eines schnellen Wagens“ lästerten oder vom „Hausfrauen-Porsche“ sprachen, konnte die Wilhelm Karmann GmbH weit über eine halbe Million VW Karmann Ghia aller Varianten absetzen. So viel Erfolg ermutigte das Karosseriewerk schon in den 60er-Jahren zu Projekten wie VW 1500 Cabrio (Typ 3) und VW 411 Cabrio (Typ 4). Zwei Prototypen, an denen VW-Konzernchef Heinrich Nordhoff Freude hatte, die aber nicht in Volumenfertigung gingen.

California-Feeling lieferte der Buggy auf Käfer-Plattformen

Ganz anders die aus Amerika kommenden farbenfrohen Strandflöhe namens Buggy auf VW-Käfer-Basis. Fröhliche Freizeitgefährte aus Fiberglas, die ein Grinsen ins Gesicht aller Sonnenhungrigen zauberten. In Deutschland baute Karmann ab 1971 den VW-Buggy Karmann GF, und auch der in Göttingen entwickelte AHS-IMP war als Bausatz oder Fertigfahrzeug erfolgreich.

California-Feeling lieferte außerdem der belgische Karossier Apal, der gut 5000 Kunststoffkarosserien seiner Buggys auf Käfer-Plattformen setzte. Damit nicht genug an Sommer-Sonne-Strand-Fahrzeugen und hippen Jagdwagen, wie sie Surfer, Jetset und alle Spaßhungrigen schätzten. Der ab 1969 angebotene, viertürige VW „Typ 181 Kurierwagen“ mit Käfer-Technik war für die Bundeswehr entwickelt worden, wurde aber mit umklappbarer Frontscheibe und Geländetalenten sofort auch bei zivilen Nutzern Kult. Insgesamt 140.000 Kurierwagen mit luftgekühltem Boxer wurden ausgeliefert.

Auf nur gut 10.000 Einheiten kam der 1979 vorgestellte VW Iltis mit Stoffmütze und permanentem Vierradantrieb. Der bei Audi konstruierte Allrader gewann zwar die Rallye Paris–Dakar 1980 und zählte bei der Bundeswehr zum wichtigsten leichten Gerät für schweres Gelände, aber er war in ziviler Version zu kostspielig. Das Gegenteil galt für den zeitgleich lancierten Golf mit Sturmhaube. Der Erbe des offenen Käfers war zuständig für die Wiederentdeckung des Dolce-Vita-Gefühls.

Eos war fast so abgehoben wie die namensgebende Göttin

Für Frischluftfans waren die frühen ­80er-Jahre eine freudlose Ära, denn fast alle Sonnenanbeter waren ins Nirwana verschwunden. Themen wie Fahrzeugsicherheit, Waldsterben und Katalysatorpflicht waren wichtiger als Frischluftfreuden für Familien. Da kam der Golf gerade recht, und liebevolle Spottnamen wie „Erdbeerkörbchen“ (bezogen auf den henkelartigen Überrollbügel und die favorisierte rote Lackfarbe) steigerten seine Popularität sogar noch.

Über 20 Jahre lang und in zwei Generationen führte das Golf Cabriolet in Deutschland die jährlich veröffentlichten Zulassungscharts der offenen Autos an, doch dann verabschiedete sich der luftig-leichte Stoffdach-Viersitzer zugunsten des schwergewichtigeren Eos mit modischem Metallklappdach und dem weltweit ersten integrierten Glasschiebedach in den Ruhestand.

Für viele Frischluftfreunde schien der kostspieligere Eos von Beginn an ähnlich abgehoben oder gar unerreichbar wie die namensgebende griechische Göttin der Morgenröte. Erhört wurde der Ruf nach erschwinglicherem Open-Air-Spaß für vier erst wieder in den 2010er-Jahren durch das Beetle Cabrio und das Golf VI Cabrio.

Zwei Sonnenstudios, die gleichermaßen emotional wie vernünftig waren. Trotzdem: Die Ära kompakter konventioneller Cabriolets ging zu Ende. Gute-Laune-Mobile mit Faltdach gelten heute nicht mehr als modisches Aushängeschild – anders als SUV, die fast ungeteilte Bewunderung bekommen. Für Volkswagen heute Anlass, dem Trend nicht erfolgreich hinterherzufahren wie noch beim ersten Tiguan, sondern Hunger auf Neues zu machen, wie mit dem T-Roc als erstem kleinen Cross-over mit Sonnensegel.