Elektroingenieure müssen systemisch denken und Allrounder sein. Ein Bildungsexperte des Branchenverbands erläutert die Anforderungen.

Marius Rieger ist Senior Manager Bildung und Nachwuchs im ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindus­trie. Adrienne Kömmler sprach mit ihm über Einsatzgebiete für Elektroingenieure, ihre Arbeitsmarktchancen sowie Entwicklungen in der Branche.

Berliner Morgenpost: Herr Rieger, wo werden Elektroingenieure eingesetzt, und was sind dort ihre Aufgaben?

Marius Rieger: Elektroingenieure werden quer über alle Branchen und Sektoren am Arbeitsmarkt nachgefragt. Nicht nur in der Elek­troindustrie selbst, sondern beispielsweise auch im Fahrzeug- und Maschinenbau, in der Energie- und Wasserversorgung oder im Sektor der Informations- und Kommunikationsdienstleistungen gibt es einen Bedarf an Elektroingenieuren.

Marius Rieger vom Zentralverband Elektrotechnik- und
Marius Rieger vom Zentralverband Elektrotechnik- und © ZVEI | ZVEI

Etwa die Hälfte aller Elektroingenieure arbeitet in Industriebereichen. Der Rest ist im Dienstleistungssektor beschäftigt. Die Aufgaben sind vielfältig und reichen von der Entwicklung und Planung, der Bau- oder Installationsüberwachung bis zum Vertrieb.

Wie sieht der Arbeitsmarkt aus?

Rieger: 99 Prozent der Unternehmen der Elektroindustrie haben Schwierigkeiten, ihren Bedarf an Mitarbeitern aus dem Mint-Bereich – also aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – über den deutschen Arbeitsmarkt zu decken. Das zeigt eine aktuelle Umfrage unter den ZVEI-Mitgliedsunternehmen.

Der jährliche Ersatz- und Zusatzbedarf an Elektroingenieuren beträgt in Deutschland aktuell etwa 21.500, allerdings mit steigender Tendenz. Es bestehen also gute berufliche Aussichten auf einem leer gefegten Arbeitsmarkt.

Keine einsamen Tüftler, sondern Teamarbeiter

Welche Fähigkeiten sind gefragt?

Rieger: Elektrotechnik lässt sich nicht mehr als singuläre Disziplin begreifen. Elektroingenieure dürfen sich nicht als Tüftler verstehen, sondern müssen branchenübergreifend in Teamarbeit Gesamtlösungen erarbeiten, die individuell auf Kundenwünsche zugeschnitten kreiert werden.

Die Arbeit des Ingenieurs ist wesentlich komplexer geworden. Zum Grundwissen gehört Methoden- und Systemkompetenz in der gesamten Wertschöpfungskette – von der Geschäftsidee über die Realisierung, Verbreitung, Betrieb bis hin zur Beseitigung von Geräten, Anlagen und Systemen.

Immer wichtiger werden zudem betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Grundkenntnisse der Unternehmensführung sowie das Denken in Prozessen und übergreifenden Zusammenhängen. Die Lehre an den Hochschulen wird sich in Zukunft vermehrt danach ausrichten und den Ingenieuren eine breite Qualifikationsbasis vermitteln.

Systems Engineering ist stark im Kommen

Das heißt dann also, weg vom Fachidioten, hin zu mehr Interdisziplinarität?

Rieger: Darauf läuft es hinaus. Da die Projekte immer komplexer werden und man die Sprache der Teammitglieder aus Mechanik, Elektronik und Informationstechnik verstehen muss, ist Systems Engineering derzeit stark im Kommen – sprich der interdisziplinäre Ansatz, um komplexe technische Systeme in großen Projekten zu entwickeln und zu realisieren.

Leute, die den Überblick über ein Projekt bewahren und es koordinieren können, sind gefragte Mitarbeiter. Ein wichtiges Thema ist sicherlich auch der Bereich Energieeffizienz: Wo kann an den komplexen Netzwerken, Anlagen und Maschinen Energie eingespart werden?

Auch hier benötigen wir Leute, die systemisch denken und eine Anlage als Ganzes betrachten können. So lassen sich Lösungen zur Energieeffizienz finden.