Berlin. Ingenieure der Elektrotechnik werden in fast jeder Branche gebraucht. Keiner der gefragten Experten muss viele Bewerbungen schreiben.

„Als Ingenieur bin ich Pessimist“, sagt Stephan Karberg. „Wo droht in der Elektrotechnik etwas auszufallen?“ Die Frage treibt ihn um, und er malt sich dramatische Szenarien aus, die nicht entstehen dürfen. Pannen würden sich ja nicht ankündigen, sagt der 31-Jährige.

Kata­s­trophal wäre es zum Beispiel, wenn das Rechenzentrum, Aufzüge, Sprinklerpumpen oder die Notbeleuchtung lahmgelegt seien. Der Elektroingenieur ist ständig auf der Hut, damit die Energieversorgung der Dienstgebäude der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund), für die er zuständig ist, gesichert ist.

Elektroingenieur Stephan Karberg.
Elektroingenieur Stephan Karberg. © Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

Als Betriebsingenieur arbeitet er seit knapp zwei Jahren für den bundesweit tätigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. „Die Stelle war damals ausgeschrieben und hat eins zu eins gepasst“, erzählt Stephan Karberg.

Nachdem er im letzten Diplomjahrgang sein Elektrotechnik-Studium an der Technischen Universität (TU) Dresden absolviert hatte, arbeitete er zunächst als Betriebsingenieur bei der Charité-Tochter Charité CFM Facility Management. „Ich wollte mich dann verändern, allerdings weiterhin technisch arbeiten und Anlagen nicht nur auf dem Papier planen“, erklärt er.

Ingenieure sind Problemlöser

Wo der Reiz für ihn liegt? „Ich mag die Herausforderung, Problemlösungen zu suchen, wenn etwas nicht funktioniert.“ Schema F gibt es nicht in seinem Metier.

Große Ausfälle seien zum Glück bislang ausgeblieben. „Doch es passiert ab und zu, dass eine Netzersatzanlage anspringt“, sagt der 31-Jährige. Es gäbe deshalb monatliche Probeläufe der Dieselgeneratoren für den Betrieb der Ersatzanlage.

Diese müssen dann eine Stunde lang mit einer Last von 80 Prozent laufen – vorsorglich, um ihre Funktion zu kontrollieren.

Anlagen müssen immer wieder getestet werden

Doch nicht nur die Ersatzanlagen müssen getestet werden. Die gesamte Elektrotechnik wird von den Betriebsingenieuren im Haus gewartet und überprüft. „Wir beschäftigen uns mit dem Starkstrombereich, also ab 230 Volt“, erklärt Karberg.

Drei Handwerksgesellen und ein Meister gehören zu Karbergs Team. Zweimal im Jahr wird an einem Wochenende die gesamte Stromanlage abgestellt, um deren Sicherheit im Detail zu testen. „Zum Beispiel funktionieren lange unbenutzte Schalter plötzlich nicht mehr.“

Arbeitgeber punkten mit Familienfreundlichkeit

Während Karberg für die gemieteten Häuser der DRV Bund in Berlin, Stralsund und Gera im Einsatz ist, kümmert sich Elek­trotechniker Florian Starke um den großen Berliner Eigentumsgebäudekomplex an der Ruhrstraße, das Mutterhaus der Verwaltung, sowie um die Dienstgebäude an der Halleschen Straße und der Wallenbergstraße.

Ein Job ohne häufige Dienstreisen, mit flexibler Arbeitszeit und Home-Office-Regelung sowie einem Eltern-Kind-Zimmer: „Perfekt“, findet der 29-Jährige aus Luckenwalde, der zwei Kinder hat.

Für Starke stand schon immer fest, dass er beruflich „etwas mit Technik“ machen würde. Er absolvierte ein duales Studium der Elektrotechnik an der Studienakademie Bautzen, das er mit dem Titel Dipl.-Ing. (BA) abschloss. Es folgten drei Jahre in der Projekt- und Bauüberwachung für ein Elektrotechnik-Ingenieurbüro.

Arbeitsmarkt ist leergefegt

Dann war auch er auf der Suche nach Veränderung, schrieb zwei Bewerbungen und wurde prompt von der Behörde eingestellt. „Der Markt an Elektroingenieuren war damals leergefegt. Jetzt ist das nicht anders“, sagt Florian Starke.

Das bestätigt Stephan Schaale von der Personalabteilung der DRV Bund. Der Bedarf an Ingenieuren für die Betriebstechnik der insgesamt zwölf Berliner Dienstgebäude, weiterer vier bundesweiter Verwaltungsstandorte sowie der 22 Reha-Zentren sei groß.

Bewerber stehen nicht Schlange

„Wir suchen eher, als dass Bewerber Schlange stehen“, sagt Schaale. Gerade aktuell werde wieder jemand für den Bereich Elektrotechnik gebraucht. Derzeit beschäftigt die DRV Bund acht Elektroinge­nieure – davon lediglich eine Frau.

Das Studium der Elektrotechnik ist immer noch eine Männerdomäne: Nur 13 Prozent der Studierenden sind laut Statistischem Bundesamt Frauen.

Heiko Winters hat sich für einen Job in der Industrie entschieden. Er arbeitet seit anderthalb Jahren als Elektrotechniker bei der Firma Sentech Instruments im Technologiezentrum Adlershof.

Schwerpunkt Automatisierungstechnik

Sein Ausbildungsweg führte ihn über eine Lehre als Vermessungstechniker und ein anschließendes Bachelorstudium der Angewandten Physik in Bremen zum Masterstudium der Elektrotechnik an der Berliner TU. Seinen Schwerpunkt setzte er auf die Automatisierungstechnik.

„Vorher war ich noch für ein Auslandsemester in Schweden“, erzählt er. Der Blick über den Tellerrand hätte ihm neben fließendem Englisch viel gebracht.

Der 31-Jährige ist bei Sentech Instruments für die Projektierung, Arbeitsvorbereitung und Inbetriebnahme von Anlagen zur Halbleiterbeschichtung oder Ätzung verantwortlich. Er ist froh darüber, sprachlich fit zu sein. Schließlich müsse er den Kunden bei der Inbetriebnahme auch mal eine Anlage auf Englisch erklären. Außerdem sind viele Handbücher auf Englisch verfasst.

Arbeit beim Kunden vor Ort ist Teil des Jobs

Dass er bei der Arbeit direkt mit Kunden zu tun hat, schätzt auch sein Kollege Sebastian Golka, der seinen Abschluss als Di­plomingenieur für Elektrotechnik in Wien gemacht und dort auch promoviert hat.

Sentech-Mitarbeiter Sebastian Golka
Sentech-Mitarbeiter Sebastian Golka © Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

Er ist nach einem zwischenzeitlichen Wech­sel zum Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) seit einem Jahr erneut bei Sentech angestellt. „Ich wollte damals nicht in der Industrie bleiben. Doch jetzt bin ich froh, wieder hier zu sein“, erzählt er.

„Das relativ unabhängige und eigenverantwortliche Arbeiten an Produkten macht mir Spaß. Die Arbeitsbedingungen sind top, und es geht locker zu“, sagt der 41-Jährige. Auch zum Kunden könne er ohne Schlips und Kragen fahren.

Promotion übers Plasma-Ätzen

Bei seiner Promotion hat sich Sebastian Golka mit dem Thema „Plasma-Ätzen“ beschäftigt – und sich daran ordentlich „die Zähne ausgebissen“, wie er erzählt. Er brauchte zwei Versuche, ehe es mit dem Doktortitel klappte.

„Deshalb mache ich das jetzt hier, denn ich habe diesem Thema den Kampf angesagt“, sagt er lachend. Sein Arbeitsgebiet: Plasma-Ätzen und Beschichten von Halbleiterbauelementen.

Zu den Sentech-Kunden gehören außer Forschungs­instituten auch kleine und mittlere produzierende Unternehmen. „Wir haben Serviceingenieure zur Unterstützung, doch sind teilweise auch selbst mit dabei, um Anlagen aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.“

Als Werkstudent Einblick in die Praxis

Bereits als Werkstudent, nach nur drei Bewerbungen, stieg Steven Goss als Betriebsingenieur bei der Energienetze Berlin (ENB) ein. Das brachte ihm frühzeitige Einblicke in die praktische Seite des Jobs und den nahtlosen Übergang vom Masterstudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) ins Arbeitsleben.

Steven Goss arbeitet bei Energienetze Berlin (ENB).
Steven Goss arbeitet bei Energienetze Berlin (ENB). © Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

Seit April dieses Jahres ist der 26-jährige Elektroingenieur Mitarbeiter der ENB. Die Gesellschaft betreibt eigene Stromverteilungsnetze, plant und realisiert aber auch die elektrotechnische Infrastruktur bei Neubauvorhaben.

Weiterbildung bereichert das Aufgabenspektrum

„Es geht dabei darum, Stromabnehmer versorgungssicher und wirtschaftlich ans Netz anzubinden“, erklärt Goss. Aktuell arbeitet er gerade daran mit, das Geo-Informationssystem des Unternehmens zu aktualisieren. Dafür müssen sämtliche Kabel und Trafo-Stationen dokumentiert werden.

Parallel zur Arbeit absolviert der Berufseinsteiger praxisbezogene Seminare und Lehrgänge. Sie sind Teil eines dreijährigen Entwicklungsplans, den er bei seinem Arbeitgeber durchläuft. Das wird sein Aufgabengebiet künftig erweitern: „Unter anderem bin ich nach dem Abschluss dann berechtigt, höhere Spannungen schalten zu können.“