Berlin. Viola Bronsema ist Geschäftsführerin des Verbands BIO Deutschland. Hier informiert sie über Aufgaben und Einstieg im Bereich Biotech.

Viola Bronsema ist seit 2006 Geschäftsführerin von „BIO Deutschland“, dem Branchenverband der Biotech-Indus­trie. Yvonne Schel­ler sprach mit der promovierten Biologin.

Berliner Morgenpost: Dr. Bronsema, können Sie das Feld Biotechnologie zunächst einmal skizzieren?

Viola Bronsema: Biotechnologie ist die Kunst, der Natur schlaue Prozesse abzuschauen und sie zu nutzen, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, herzustellen und anzubieten.

Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e.V. (BIO Deutschland e. V.)
Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e.V. (BIO Deutschland e. V.) © Privat | Privat

Und diese Produkte und Dienstleistungen finden sich in vielen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft, von Gesundheit und Ernährung über Landwirtschaft oder Energie und Kraftstofftechnik bis hin zum Umweltschutz.

Zum Verständnis dieser Vielfalt hat sich ein Farbcode etabliert. Wofür stehen die Farben?

Bronsema: Bei der roten Biotechnologie steht die medizinisch-pharmazeutische Anwendung im Fokus, bei der grünen geht es um die Verbesserung von Nutzpflanzen. Gelb steht für Insekten-, Grau für die Umwelt-Biotechnologie.

Dann ist da noch die weiße Biotechnologie, die der Industrie zugeordnet ist, und die blaue, die sich mit der Nutzung von Organismen aus dem Meer befasst. Allerdings wird dieser Farbcode nicht konsequent angewandt, denn er bezeichnet mal die Herkunft, etwa das Meer, mal die Anwendung in der Pharmazie.

Welche Biotechnologie ist in Berlin besonders relevant?

Bronsema: Über 50 Prozent der deutschen Biotechnologie ist rot. In Berlin kommt hinzu, dass wir ein starkes Gesundheitscluster (Cluster = Ballung, Anm. d. Red.) mit namhaften Unternehmen und Institutionen haben und die akademische und industrielle Forschung am Standort gut entwickelt ist.

Die rege Start-up-Kultur ist ein Standortvorteil, denn Biotechnologie basiert ja auf der Kombination von Biologie, Technik und IT. Und gerade in der Medizin haben wir einen wachsenden Schatz von Daten, der ausgewertet, be- und verrechnet werden und zu vielen weiteren Innovationen führen kann.

Spitzenstandort Berlin

Biotechnologie wird als Spitzentechnologie bezeichnet. Ist Berlin auch ein Spitzenstandort dafür?

Bronsema: Berlin gehört mit München und Heidelberg zu den maßgeblichen Standorten in Deutschland.

In Berlin und Brandenburg forschen und entwickeln aktuell rund 230 Biotechnologie-Unternehmen mit etwa 5300 Beschäftigten vorwiegend im Bereich der roten Biotechnologie.

Welches sind die Boom-Themen in der Branche?

Bronsema: Große Erfolge verzeichnet die moderne Biotechnologie im Moment zum Beispiel im Bereich Gesundheit, wo sie sowohl disruptive Innovationen als auch Schrittinnovationen hervorbringt.

Das heißt, wir sind einerseits in der Lage, wirksame Medikamente für Krankheiten zu entwickeln, die bisher nicht heilbar waren, und andererseits, bereits existierende Medikamente maßgeblich weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Sie wirken schneller, und die Therapie wird dank verminderter Nebenwirkungen für die Patienten deutlich erträglicher. Darüber hinaus wird aktuell sehr viel Energie darauf verwandt, maßgeschneiderte Medikamente zu entwickeln.

Biologisierung der Produktion

In welchen Berufsfeldern sind Biotechnologen besonders gefragt?

Bronsema: Wer in der Forschung und innovativen Produktentwicklung arbeiten möchte, braucht heute biotechnologische Kenntnisse und hat damit gute Berufsaussichten. Deutschland ist nach den USA der größte Hersteller biopharmazeutischer Wirkstoffe weltweit.

Wir beobachten eine zunehmende Biologisierung der Produktion. Da sind Spezialisten, also Biologen mit Technik- und Ingenieurwissen, sehr gefragt.

Reicht der Bachelorabschluss?

Bronsema: Für eine Position im Vertrieb oder Marketing reicht möglicherweise ein Bachelor. Doch wer tiefer einsteigen möchte, also mitentwickeln und betreuen will, für den ist ein Master oder eine Promotion wichtig.

Schon, um mit allen Beteiligten dieser Schnittstellendisziplin auf akademischer Augenhöhe kommunizieren zu können.

Einkommen in der Biotech-Branche

Was lässt sich in der Branche verdienen?

Bronsema: Nach unserer letzten Gehaltstudie vom Februar 2017 lag der Berufseinstieg in der Forschung, sowohl in der Wissenschaft als auch in Abteilungen für Forschung und Entwicklung, bei 50.000 Euro.

Wer Technik- und Ingenieurwissen nachweisen konnte, etwa durch einen Abschluss in Biotechnologie, konnte mit einigen Tausend Euro mehr rechnen. Allerdings ist zu beachten, dass die Pharmaindustrie besser zahlt als kleinere Biotech-Unternehmen.

Die Region ist ebenfalls entscheidend. In München liegen die Gehälter höher als in Berlin, dafür sind die Lebenshaltungskosten in Süddeutschland aber auch höher.