Berlin. Biotechnologen sind zugleich Naturwissenschaftler und Ingenieure. Die meisten Fachkräfte arbeiten an Arzneimitteln und Wirkstoffen.

Das Zusammenspiel von Biologie und Technologie hat riesiges Potenzial: Bislang unheilbare Krankheiten können mit neuen Medikamenten bekämpft werden. Optimierte Enzyme machen Waschmittel besser und umweltschonender.

Veränderte Organismen in der Landwirtschaft vergrößern die Ernte und reduzieren den Einsatz von giftigem Pflanzenschutz. Den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten entsprechend sind es auch ganz unterschiedliche Interessen, die junge Menschen in die Biotechnologie bringen.

Interesse an der Pharmazie

Juliane Lenz zum Beispiel begeistert sich für die pharmazeutische Anwendung. Die 24-Jährige entschied sich für den Studiengang Life Science Engineering an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW).

Er verknüpft Erkenntnisse aus der Biologie mit Ingenieurwissenschaften und konzentriert sich vor allem auf die Entwicklung moderner Verfahren zur Herstellung von Pharmazie- und Biotech-Produkten

Die Grundlagen müssen sitzen, sonst scheitert man

„Ursprünglich hatte ich an ein Medizinstudium gedacht“, erzählt Lenz. Bei einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Krankenhaus hatte sie schon in Chirurgie, Psychiatrie und Reha-Abteilung hineingeschnuppert.

Doch dann überzeugte sie der interdisziplinäre Ansatz des HTW-Studiums. Inzwischen ist sie im vierten Semester und hat den Studiengang als anspruchsvoll und lernintensiv erlebt.

„Alles baut logisch aufeinander auf, also müssen die Grundlagen sitzen, sonst funktioniert der nächste Lernschritt nicht“, erklärt die 24-Jährige.

Grundlagen pauken gehört dazu

So stehen am Anfang die Grundlagen in Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Informatik und Englisch auf dem Stundenplan. Erst danach beschäftigen sich die Studierenden intensiv mit Gentechnik, Verfahrenstechnik und mit den Fragen, wie Medikamente entwickelt werden und wie sie im menschlichen Körper wirken.

„In der Biotechnologie arbeiten wir mit lebendigen Organismen und müssen die jeweiligen Prozesse und die Technik dahinter durchschauen und beherrschen“, erklärt Lenz.

Zunehmend spielt auch die IT eine Rolle in der Biotechnologie. Statt alle Experimente im Labor durchzuführen, helfen Computersimulationen beim Verständnis von Prozessen.

Sie geben Antwort auf Fragen wie: Was passiert in einer menschlichen Zelle? Wie verhalten sich Kulturen in einem Bioreaktor? Ein Bioreaktor ist ein Behälter, in dem Mikroorganismen und Zellen optimale Lebensbedingen vorfinden.

Ab erstem Semester im Labor

„Trotzdem arbeiten die Studierenden vom ersten Semester an in den Laboren“, betont Professorin Jacqueline Franke (48). Sie ist Sprecherin des Bachelor- und des Masterstudiengangs Life Science Engineering an der HTW.

Jacqueline Franke ist Professorin für Biotechnologie.
Jacqueline Franke ist Professorin für Biotechnologie. © HTW Berlin | HTW Berlin

„Dadurch sind sie im Umgang mit den vielen verschiedenen Geräten geübt, was von zukünftigen Arbeitgebern sehr geschätzt wird.“

Frankes eigener Schwerpunkt sind die Mechanismen der Alterung. Sie forscht daran, wie man die Spanne der Gesundheit verlängern kann. „Das geschieht ja schon“, sagt die Professorin.

„Dank biotechnologischer Forschungen, die neue und verbesserte Medikamente hervorgebracht haben, konnten Gesundheit und Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren maßgeblich verbessert werden.“

Ziel ist die Zulassung am Markt

Der Studiengang Life Science Engineering aber zielt auf die Wirtschaft, nicht auf die Forschung ab, betont Franke. „Es geht darum, moderne Life-Science-Produkte, beispielsweise therapeutische Proteine zur Krebsbehandlung, zu entwickeln, herzustellen und die Zulassung am Markt zu erreichen.“

Alternativ zum HTW-Studium bieten die Technische Universität (TU) und die Beuth Hochschule für Technik Bachelor- und Masterstudiengänge in Biotechnologie an.

Vielzahl von Jobs in den Biowissenschaften

Auf der Internetseite der Beuth Hochschule heißt es dazu beispielsweise: „Das Studium bereitet auf eine Vielzahl von Berufsfeldern in der Biotechnologie und den angewandten Biowissenschaften vor und führt zu einem berufsbefähigenden und praxisorientierten Abschluss.“

Beide Hochschulen bieten den Studierenden im Masterstudium Möglichkeiten, sowohl in Richtung Wissenschaft als auch in Richtung Wirtschaft zu gehen.

Neben der Vertiefungsrichtung Medizinische Biotechnologie, welche die Absolventen zum Einsatz in der biomedizinischen Forschung befähigt, wird etwa an der TU auch Industrielle Biotechnologie gelehrt.

Aus der Forschung in die Industrie

Michael Mühle hat 2009 seinen Abschluss als Diplomingenieur für Biotechnologie an der Beuth gemacht. Zunächst richtete er seinen Fokus auf eine Karriere in der Forschung. So ging er während des Studiums für ein Praxissemester nach Kalifornien, um dort im Bereich Diabetes zu forschen.

Michael Mühle ist Projektingenieur bei der Firma ProBioGen in Berlin.
Michael Mühle ist Projektingenieur bei der Firma ProBioGen in Berlin. © Privat | Privat

Im Rahmen seiner Diplomarbeit am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin arbeitete er an einer Gentherapie, die gegen entartete B-Zellen zum Einsatz kommen könnte. In gesunder Form sind diese weißen Blutkörperchen für die Produktion von Antikörpern zuständig.

2013 promovierte Mühle am Robert Koch-Institut. „Hier haben wir an der Entwicklung eines HIV-Impfstoffs gearbeitet“, erzählt er. „Ziel war es, durch neuartige Ansätze Antikörper entstehen zu lassen, die das Virus im Körper finden und inaktivieren können.“

Hoffen auf den Durchbruch

Der Durchbruch stehe noch aus, sagt der 34-Jährige. „Doch es geht ganz klar in die richtige Richtung.“

Mehr als sechs Jahre blieb Mühle am Robert Koch-Institut, zwei Jahre davon als Postdoktorand. Dann sorgten die projektbezogenen, befristeten Verträge dafür, dass er sich umorientierte.

„Ich habe mit großer Lust und viel Engagement geforscht, aber die Befristung ist nun mal ein Nachteil in der Forschung“, sagt Michael Mühle. „Schließlich habe ich mich für die Industrie entschieden.“ Heute ist er Projektingenieur bei der Firma ProBioGen.

Produkte im Kundenauftrag fertigen

Das mittelständische Unternehmen ist auf Biopharmazeutika spezialisiert. Dafür werden unter anderem Zelllinien entwickelt. Das sind Kulturen, die sich praktisch unbegrenzt fortpflanzen können. „Wir fertigen pharmazeutische Produkte im Kundenauftrag“, sagt Mühle.

„In der Regel sind das internationale Unternehmen, die mit einem vielversprechenden Produkt kurz vor klinischen Tests stehen.“ Diese Tests muss jeder Wirkstoff bestehen, bevor er auf den Markt darf.

Michael Mühle stellt das Material her, das die Auftraggeber dafür brauchen. „Je nach Kundenwunsch entwickeln wir eine entsprechende Zelllinie, vermehren die Zellen in Bioreaktoren und bereiten das daraus entstehende Gemisch auf“, erklärt er. Das wird dann im klinischen Test eingesetzt.

Von Risikoanalyse bis zum Personalkonzept

Mühles Aufgaben als Projektingenieur im Bereich Biotech reichen von Risikoanalysen über Planung und Inbetriebnahme von Anlagen bis hin zur Erstellung von Konzepten für die interne Logistik und das Personal.

Ein Bewusstsein für Qualität und Sorgfalt ist das A und O für Biotechnologen. Schließlich geht es in ihrem Metier um Wirkstoffe, die an Mensch, Tier und Umwelt zum Einsatz kommen.

Die Hersteller von Arzneimitteln und Wirkstoffen arbeiten dementsprechend nach der „Guten Herstellungspraxis“, englisch „Good Manufacturing Practice“ (GMP).

Hygiene und lückenlose Dokumentation

Die GMP-Regeln sind in nationalen und internationalen Regelwerken festgeschrieben, unter anderem durch die Europäische Kommission. Inhaltlich geht es um Hygiene, lückenlose Dokumentation und Kontrollen.

Um hier immer auf dem Laufenden zu sein, ist Weiterbildung für Biotechnologen besonders wichtig.

Die Dokumentation aller Schritte bringt Michael Mühle viel Schreibtischarbeit ein. „Darum übersetzen wir GMP gern auch mit ‚Große Mengen Papier‘“, sagt er und lacht. Diesen Teil seiner Arbeit schätzt er nicht so sehr.

Doch das Ergebnis lohne den Aufwand. „Es geht ja darum, biologische Prozesse zu nutzen, um Produkte zu entwickeln, die vielen Menschen helfen.“ Aus diesem Grund hat sich Mühle schließlich für die Biotechnologie entschieden.