San Diego. Der Geburtsort Kaliforniens wurde touristisch lange unterschätzt. Dabei wird die Stimmung im Küstenort bestimmt durch Spaß und Sport.

Die Wellen tosen, das Kajak bäumt sich auf, schon rennt Aidan Bound ins Wasser, ruft laut „Ich komme!“ und stürzt sich kopfüber ins brechende Nass, um das Kajak an Land zu ziehen. Viel Drama, wenn man bedenkt, dass der Strand nur einige Meter entfernt ist. Das Ganze wirkt fast wie eine Parodie auf „Baywatch“.

Doch die Sorge ist berechtigt. Wenige Sekunden später kentert das erste Kajak. Aidan Bound weiß, welche Kraft die unberechen­baren Wellen in Kalifornien entfalten können. Der 20-Jährige ist Surfer und sieht auch so aus: blonder Zopf, braun gebrannt und barfuß unterwegs. Er studiert an der University of California in San Diego, von dem Magazin „Surfer“ als das beste Surf-College Amerikas bewertet. So schnell erfüllen sich kalifornische Klischees.

Aidan Bound arbeitet für den Kajaktour-Anbieter Everyday California im Stadtteil La Jolla. Hier, im „Juwel“ von San Diego, konzentrieren sich die Freizeitaktivitäten. Paddelnd führt der Student Touristen zu den sieben Sandsteinhöhlen in der Bucht La Jolla, auch zur Höhle Sunny Jims, zu der sich der Deutsche Gustav Schulz im Jahr 1902 einen Landzugang von chinesischen Immigranten buddeln ließ.

Über den Eingang baute er sich ein Haus und berechnete Touristen, die den Tunnel begehen wollten, 50 Cent pro Tour. Nach seinem Tod soll die Mafia von Los Angeles das Haus gekauft und den Tunnel zum Schmuggeln von Alkohol und Drogen benutzt haben. So jedenfalls die Legende. Heute sammeln sich vor allem verlorene Sonnenbrillen in den Höhlen.

Klippensprünge sind verboten – Absprünge zum Paragliding nicht

Den Tunnel kann man immer noch begehen. Das Springen von den Klippen über den Höhlen ist jedoch verboten. Im späten 19. Jahrhundert war das noch anders. Das Bahnunternehmen von La Jolla bezahlte jedem, der es wagte, von den Klippen in den Ozean zu springen, 25 Dollar. Keiner der Klippenspringer war so kühn wie Professor Horace Poole, der berühmteste Klippenspringer von La Jolla. Er setzte sich 1898 selbst in Flammen und sprang dann von der Klippe. Das sollte sich heute besser keiner trauen. Wegen der Flammen schon nicht, und auch sonst nicht. Ein Sprung von einer mehr als drei Meter hohen Klippe in La Jolla, kostet 470 Dollar Strafe.

Abenteuerliche Sprünge kann man auch anderswo in San Diego wagen – in einer der ­erfolgreichsten Schulen für Paragliding in Nordamerika, am Torrey Pines Gliderport in La Jolla. Nichts für schwache Nerven. Am besten, man schaltet das Hirn aus, wenn die Mitarbeiter vom Flugplatz während der Sicherheitsinstruktionen ansprechen, was ein Tandem-Gleitschirmflug alles für Risiken birgt.

Beim Start wird nicht lange gefackelt. Paragliding-Lehrer Steve reicht den Helm, es macht mehrfach „klack, klack“, bis Steve den Extrasitz vor sich angeschnallt hat. „Jetzt gleich rennen“, sagt Steve. Ein letzter prüfender Blick. „Okay. Los geht’s.“ Also laufen, so schnell es geht, über die Wiese, runter, zur Klippe. Von dort geht es steil bergab. „Jetzt hinsetzen. Richtig hinsetzen!“, ruft Steve.

Tag für Tag im Flug über die Buchten von Südkalifornien

Entspannt nach hinten lehnen, schon geht es in seichter Linkskurve über die Klippen. „Guter Wind“, sagt Steve. Unter einem tut sich der glitzernde Pazifische Ozean auf. Surfer versuchen, eine der besten Wellen, die regelmäßig auf die Sandsteinklippen treffen, zu erhaschen. Steve, der Paraglider, surft nicht. „Ich mache den ganzen Tag nichts anderes als fliegen. So wie er“, sagt er und zeigt auf einen Kormoran, der sich auf gleicher Höhe dazugesellt.

Im schrägen Flug gleitet Steve an der Küste entlang hinweg über die Klippen, als ginge es dem Horizont entgegen. Nach 20 Minuten lässt der Wind nach. Zeit für die Landung – einfach die Füße auf den Boden setzen, geschafft. Der nächste Fluggast wartet schon. Man kann sich einen schlimmeren Job vorstellen, als Tag für Tag im Flug über die malerischen Buchten Südkaliforniens zu gleiten.

Einzigartige Strände und viel Spaß

Spaß und Kreativität bestimmen die Stimmung in der Stadt. Vielleicht sind die 30 einzigartigen Strände an der 112 Kilometer langen Küste von San Diego der Grund dafür, dass die Einwohner so locker sind. Wegen der 300 Sonnentage im Jahr und der idealen Lage zwischen paradiesischem Pazifik und majestätischen Bergen nennen die Einwohner ihre Heimatstadt liebevoll „America’s finest City“.

Im Tourismus galt die Stadt lange als unterschätzt. Zwar steuern die Urlauber oft immer noch lieber die kalifornischen Städte San Francisco und Los Angeles an. Aber San Diego hat eine dynamische Entwicklung hinter sich und gilt als „trendy City“. Die Stadt mit 3,3 Millionen Einwohnern gelangte kürzlich unter die Top Ten der US-Destinationen auf der weltweit größten Reisewebseite Trip-Advisor. Die bunt aufstrebenden Stadtteile, die stylishen Restaurants und der Balboa Park, der größte städtische Kulturpark der USA, verleihen der Stadt einen ganz eigenen Charme.

Ein Bayer gründete 1866 eine Brauerei in Brooklyn

Trendy ist die Stadt auch wegen ihrer ausgeprägten Craft-Beer-Szene. San Diego beheimatet mehr als 150 Brauereien. Eine davon ist die Eppig Brauerei in North Park, die an deutsche Brautradition anknüpft. Zentrale Figur der Brauerei ist Stephanie Eppig, eine kleine Frau mit Cappy und ansteckendem Lächeln. Sie selbst kann zwar kein Bier brauen, ihr Ururgroßvater Leonhard Eppig aber schon.

Er emigrierte aus Bayern in die Vereinigten Staaten nach New York und gründete 1866 eine Brauerei in Brooklyn: die Leonhard Eppig Germania Brewery. Für die ersten fünf Jahre braute die Familie Eppig nichts anderes als Lager. „Das Bier war sehr beliebt“, sagt Stephanie Eppig. Die Söhne Leonhard und Joseph Eppig bauten danach ein regelrechtes Brau­erei-Imperium in Brooklyn auf und schafften es sogar durch die Prohibition, das landesweite Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Alkohol im Jahr 1920.

„Die Brauerei ging in den Untergrund und braute weiter“, sagt Stephanie Eppig. Am Ende übernahm jedoch Gangster Dutch Schultz, auch als Bier-Baron der Bronx bekannt, das Brauereigeschäft im Jahr 1933, und die Familie verlor alles, was sie sich aufgebaut hatte.

Mexikanischer Einfluss in Kunst, Architektur und in der Gastronomie

Mit der Eröffnung der Brauerei will Stephanie Eppig ihr familiäres Erbe wieder beleben. Rezepte aus der Braukunst im 19. Jahrhundert gibt es zwar nicht mehr, aber mit Clayton LeBlanc und Nathan Stephens stehen ihr erfahrene Bierbrauer zur Seite. „Vor allem wegen des Lager-Biers kommen die Gäste zu uns“, sagt Clayton LeBlanc. „Es ist etwas Besonderes für mich, das Erbe meiner Familie auf diese Art zu würdigen“, erklärt Eppig.

Der erste Europäer, der San Diego betrat, war der Portugiese Juan Rodríguez Cabrillo unter der Flagge Spaniens im Jahr 1542. Mit San Diego wurde Kalifornien erstmals entdeckt. Damals besiedelten die Kumeyaay-Indianer, die Ureinwohner Amerikas, das Gebiet. Cabrillo taufte es San Miguel und erklärte es zum Besitz der spanischen Krone. Von 1822 an, nachdem Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien erklärte, gehörte San Diego zu dem mittelamerikanischen Staat – bis die Stadt nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg 1848 in die USA eingegliedert wurde.

Mexikanische Einflüsse

Der mexikanische Einfluss spiegelt sich noch heute: in der Architektur, in den Museen und in der Gastronomie. „Cali-Baja“ heißt die Küche San Diegos, die auf regionalen Produkten und mexikanischen Rezepten basiert. Dadurch kommen innovative Kreationen wie Tacos mit Zucchini und Kaktus oder Guacamole und Rosenkohl zustande. „Jeder Taco ist ein individuelles Gericht“, sagt Chefköchin Christine Rivera vom Restaurant Galaxy Taco.

Von San Diego ist es ein Katzensprung bis nach Mexiko. Zwischen der Innenstadt und Tijuana liegen nur 27 Kilometer. Jeden Tag überqueren 200.000 Pendler per Auto und zu Fuß den hoch gesicherten Grenzübertritt. Manche tragen nur einen Rucksack, andere zerren Trolleys mit gestapelten Kartons hinter sich her.

Von San Diego in kurzer Zeit über die Grenze nach Tijuana

Nur wenige Schritte hinter dem Grenzübergang tut sich auf mexikanischem Boden eine völlig andere Welt auf. Mehrere Stände säumen den Weg hinter der Grenze. Es riecht nach heißem Fett. Hier gibt es Quesadillas, Liebesäpfel, Hotdogs und Informationen über Zahnbehandlungen.

Noch bunter ist es wenige Kilometer entfernt, in Playas de Tijuana. Eine Limousine parkt vor einer Bar, aus der Mariachi-Musik dröhnt. Muskelbepackte Männer turnen am Reck, einige Meter dahinter machen Grenzgänger Selfies vor dem vier Meter hohen, mehrfach gesicherten Zaun, der Mexiko von den Vereinigten Staaten trennt. Kinder spielen am Strand und spähen durch Zaunstäbe auf die Reiter, die auf der amerikanischen Seite dem Sonnenuntergang entgegenreiten. Ein Mikrokosmos der Gegensätze.

Der Ausflug nach Tijuana ist ein weiteres Plus auf der Liste der Vielfalt San Diegos. „Häufig lassen Touristen die Stadt auf ihrer Kalifornienreise aus, besuchen San Francisco und Los Angeles“, erzählt die preisgekrönte Köchin Claudette Zepeda von der Restaurantgruppe Rise & Shine, die in San Diego geboren und in der Nähe von Tijuana aufgewachsen ist. „Bald wird es andersherum sein“, sagt sie. Wahrscheinlich wird sie recht behalten.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Lufthansa über Frankfurt nach San Diego

Unterkunft z. B. Lodge at Torrey Pines in La Jolla, DZ ab ca. 379 Euro, www.lodgetorreypines.com, oder Pendry San Diego in Downtown, DZ ab 283 Euro, www.pendryhotels.com

Unternehmungen Tandem-Paragliding am Torrey Pines Gliderport. Nach Tijuana mit der Straßenbahn „San Diego Trolley“, von Downtown San Diego bis zur mexikanischen Grenze oder mit Shuttlediensten zu den Sehenswürdigkeiten in Tijuana.

Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch San Diego Tourism Authority.