Berlin. Niemand müsste an Malaria sterben, sagt Arzt Christoph Benn. Doch Resistenzen erschweren den harten Kampf gegen die Tropenkrankheit.

Erstmals nach 15 Jahren ist die Zahl der weltweiten Malaria-Fälle wieder angestiegen. Dem aktuellen Malaria-Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge wurden 2016 rund 216 Millionen Malaria-Fälle in insgesamt 91 Ländern registriert. 445.000 Menschen starben an der Krankheit, zumeist Kinder unter fünf Jahren. Ein Gespräch mit Tropenmediziner Christoph Benn, Direktor für Außenbeziehungen vom Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zum Welt-Malaria-Tag am Mittwoch.

Ihre Organisation spricht beim Kampf gegen Malaria gern von einer der größten Erfolgsgeschichten des 21. Jahrhunderts. Ist das in Anbetracht der vielen Hunderttausend Toten nicht zynisch?

Christoph Benn Nein, im Gegenteil. Es verdeutlicht, was für ein dramatisches Problem die Malaria gewesen ist, und das offenbar seit Jahrtausenden. Die Krankheit hat nicht nur viele Millionen Opfer gefordert, sie hat auch die am meisten betroffenen Länder wirtschaftlich und sozial enorm geschwächt. In globaler Partnerschaft ist es uns gelungen, die Sterblichkeit an Malaria in weniger als zwei Jahrzehnten weltweit um die Hälfte zu reduzieren – das ist zunächst mal ein Riesenerfolg.

Vor dem Jahr 2000 gab es weltweit über eine Million Todesfälle aufgrund von Malaria, 2016 waren es noch 445.000. Das sind immer noch viel zu viele Menschen, aber selten hat es in der globalen Gesundheit einen solchen Fortschritt in so kurzer Zeit gegeben.

Christoph Benn
Christoph Benn © privat | privat

Eigentlich müsste ja heutzutage niemand mehr zwingend an Malaria sterben.

Überhaupt nicht. Ich habe selbst viele Jahre ein Krankenhaus in Tansania geleitet und weiß, wie einfach es ist, Malaria zu behandeln. Es kostet nicht mal viel Geld, für umgerechnet einen Euro können sie dort die Krankheit heilen. Wir lassen die Präparate ja für den Massenmarkt sehr günstig produzieren.

Aber um die Krankheit weiter einzuschränken, müssen alle Maßnahmen gleichzeitig durchgeführt werden: die Diagnostik, die Behandlung, der Schutz vor Stichen und die Bekämpfung der Malaria-Mücken, die die Erreger übertragen. Gibt es keine Erreger mehr, können sie auch nicht mehr übertragen werden. In Sri Lanka ist die Malaria bereits beseitigt und in Vietnam um 99 Prozent reduziert.

Warum gelingt das nicht überall?

Das hat in vielen betroffenen Ländern oft politische Gründe. Wenn man auf Bürgerkriegsszenarien trifft, wie es etwa im Südsudan, im Tschad oder Jemen der Fall ist, können Sie weder mit Insektiziden imprägnierte Moskitonetze – das effektivste Mittel zum Schutz gegen Stiche – verteilen, noch Behandlungen zur Verfügung stellen.

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    Wir müssen mit Regierungen verhandeln und innovative Lösungen suchen, gerade auch mit der Zivilgesellschaft in diesen Ländern. Aber es fehlt auch nach wie vor an Geld. Darum reise ich permanent um die Welt.

    Nach 15 Jahren sind die Fallzahlen erstmals wieder gestiegen. Gibt es Grund zur Sorge?

    Wir nehmen das sehr ernst. Der Anstieg zeigt, dass unsere Anstrengungen noch nicht ausreichen. Gerade auch im Hinblick darauf, dass sich die Weltgemeinschaft bis zum Jahr 2030 dazu verpflichtet hat, Malaria als Epidemie weltweit zu beenden. Das ist eine historische Chance, vergleichbar mit der Ausrottung der Pocken, die wir in den 70er-Jahren hatten.

    Ist das Ziel noch zu schaffen?

    Grundsätzlich bin ich da optimistisch. Denn eine wichtige Ursache für den Anstieg der Fallzahlen ist, dass sich Resistenzen gebildet haben – sowohl gegen Malaria-Medikamente, als auch gegen die eingesetzten Insektizide. In beiden Bereichen gibt es aber Fortschritte bei der Suche nach neuen Substanzen.

    Bis neue Präparate auf den Markt kommen, können aber noch einige Jahre vergehen. Gleichzeitig nehmen die Resistenzen gegen die derzeitigen Wirkstoffe immer weiter zu.

    Die Resistenzen gehen von Südostasien aus. Dort investieren wir derzeit massiv in ein neues Programm und haben dafür 240 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Damit wollen wir in diesen Ländern die Resistenzen so frühzeitig bekämpfen, dass sie gar nicht erst nach Afrika überschwappen, wo die Medikamente noch gut funktionieren.

    Das wirksamste Medikament, das wir gegenwärtig haben, basiert auf der Artemisia-Pflanze, einem chinesischen Heilkraut, das inzwischen industriell hergestellt wird. Wir kombinieren die Artemisinin-Präparate auch mit anderen Präparaten. Dadurch verzögert man die Resistenzentwicklung – auch in der Hoffnung, dass bis dahin neue Komponenten verfügbar sein werden.

    Nach jahrzehntelanger Suche und Forschung gibt es auch erstmals einen Impfstoff gegen Malaria: Mosquirix.

    Allerdings ist der bisher nur zu etwa 40 Prozent wirksam. Deshalb setzen wir ihn bisher in nur wenigen Ländern ein, um ihn unter Feldbedingungen zu testen und gegebenenfalls zu verbessern.

    Sie sind beim Globalen Fonds auch zuständig für das Einwerben der finanziellen Mittel – etwa vier Milliarden Dollar pro Jahr. Wie appellieren Sie an die Verantwortung der Geberländer und der privaten Sponsoren, die ja selbst wenig von Malaria betroffen sind?

    Zunächst muss man das Humanitäre in den Vordergrund stellen. Ich habe als Arzt sehr viele Kinder an Malaria sterben gesehen und weiß um die Bedeutung, auch für die Familien. Sie können es auch ökonomisch sehen: Die Malaria kostet die afrikanischen Staaten etwa zwölf Milliarden Dollar pro Jahr durch die Krankheitskosten, aber auch den Verlust an Produktivität.

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      Denn eine Gesellschaft, in der permanent ein Großteil der Menschen an dieser Fieberkrankheit leidet, ist wesentlich weniger leistungsfähig. Sie können Malaria auch als Teil der internationalen Migrationsproblematik sehen. Wir müssen die Lebensbedingungen verbessern in den Ländern, wo es die Menschen nach Europa und anderswo drängt.

      Wenn sie in einem Land leben, wo die Menschen permanent an Malaria, Tuberkulose, Aids und anderen Infektionskrankheiten leiden, werden sie in Regionen auswandern wollen, in denen die Gesundheitsversorgung besser ist.