Berlin. Die Hälfte der Bundesbürger gibt an, Probleme mit dem Durchschlafen zu haben. Das kann gesundheitliche Folgen haben, sagen Experten.

Fitnessstudios sind hoch frequentiert, alternativ geht’s zum Joggen. Sich gesund zu ernähren, gehört zum guten Ton. Ergänzend kommen bei einigen noch ein paar Cremes auf die Haut. Doch um langfristig gesund und fit zu bleiben, ist noch ein ganz anderer Faktor entscheidend: guter Schlaf.

In Deutschland leiden laut Schlafforschern etwa sechs Prozent der Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen Insomnie, also Ein- und Durchschlafstörungen. „Insgesamt sind sogar knapp die Hälfte der Deutschen unzufrieden mit ihrem Schlaf“, erklärt Schlafforscher Jürgen Zulley. Kritisch werde es aber erst, wenn der Schlaf nachts gestört sei und sich das negativ auf den Tag auswirke – über einen längeren Zeitraum von einem oder mehr Monaten.

Körperliche und psychische Gesundheit gefährdet

Schlafstörungen seien ein gesamtgesellschaftliches Problem, das jedoch nicht hinreichend wahrgenommen werde, so Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).

„Gerade früher wurden Schlafstörungen als Befindlichkeitsstörungen angesehen, mit denen man irgendwie selber klarkommen muss“, ergänzt Zulley. „Aber wir wissen, dass diese nicht so harmlos sind, dass es gravierende gesundheitliche Konsequenzen haben kann, wenn man über längere Zeit Schlafstörungen hat.“ Nicht nur die Leistungsfähigkeit, auch die körperliche und psychische Gesundheit seien dadurch stark beeinträchtigt.

Der moderne Mensch macht sich das Einschlafen schwer

Doch statt Schlaf als etwas Essenzielles, Lebensnotwendiges und gar Lebensverlängerndes zu honorieren, wird er oft als nebensächlich abgetan – ein Punkt in der Agenda mit dem größten Einsparpotenzial. „Es ist sogar so, dass sich vor allem manche Männer rühmen, mit wie wenig Schlaf sie auskommen.“ Zulley lacht: „Das würde ich als ausgesprochen dumm bezeichnen.“

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      „Besonders kritisch wird es, wenn jemand am Wochenende regelmäßig morgens mehr als anderthalb bis zwei Stunden länger schläft, als er das in der Woche tut“, meint Werner Cassel vom Schlafmedizinischen Zentrum in Kassel. „Das ist dann deutlich mehr als ein Schlafzyklus – sozusagen ein sozialer Jetlag.“ Um diesem zu entkommen, muss Schlaf laut den Experten wieder die besondere Bedeutung bekommen, die er hat. „Gerade in der Woche schlafen wir oft viel zu wenig“, meint Cassel. Abends bleibt man zu lange wach und quält sich dann früh aus dem Bett. „Es gibt viele Chronobiologen, die sagen, dass jeder Mensch, der morgens einen Wecker braucht, etwas verkehrt macht“, erklärt Cassel. Das sei zwar eine radikale Position, erkläre sich aber durch einen simplen Vergleich: „Stellen Sie sich mal vor, Sie haben Wäsche angestellt. Machen Sie zehn Minuten, bevor das Programm zu Ende ist, die Tür von der Waschmaschine auf? Natürlich nicht.“

      Auch die Qualität des Schlafs ist entscheidend

      Wer seine innere Uhr (noch) nicht so angepasst hat, dass er von allein rechtzeitig aufwacht, der sollte die Zubettgehzeit so wählen, dass er trotzdem genügend Schlaf bekomme, rät DGSM-Vorstand Wiater. Im Durchschnitt seien das zwischen sieben und acht Stunden.

      Doch mit einer angemessenen Schlafdauer allein ist das Problem noch nicht gelöst. Auch die Qualität des Schlafes ist entscheidend. Der moderne Mensch mache sich das Ein- und Durchschlafen jedoch unnötig schwer, so die Somnolgen. „Der abendliche Alkohol, der uns zwar müde macht, aber das Durchschlafen erheblich stört, der unkontrollierte Gebrauch von Schlafmitteln und das Gefühl, rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen, sind die klassischen Schlafkiller“, so Wiater. Hinzu kommen laut Schlafforscher Zulley das erhöhte Tempo und die vermehrten Reize, denen wir heute ausgesetzt sind. „Das ist das Gegenteil von dem, was wir Entspannung nennen. Und Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf.“

      Leise Musik hilft, in den Schlaf zu kommen

      Statt bis spät in die Abendstunden zu arbeiten oder sich mit elektronischen Medien wie Smartphone, Computer oder Fernseher abzulenken, raten die Experten zu bewusstem Abschalten und Ruhe. „Dabei helfen Hobbys, Lesen, aber auch spezielle Entspannungstechniken wie monotone Stimulation“, erklärt Zulley. Als Beispiel nennt er leise, ruhige Musik, um in den Schlaf zu kommen. „Oder man konzentriert sich auf die eigene Atmung, auf Regen, der an die Scheibe prasselt – Hauptsache, es ist eintönig.“ Außerdem sei es für guten Schlaf wichtig, dass wir uns tagsüber bewegen, so die Experten. „Sport, möglichst draußen, am Nachmittag“ ist Wiaters Tipp. Außerdem empfiehlt er, auf Koffein, Tee und Nikotin vor dem Schlafen zu verzichten und abends nur etwas Leichtes zu essen – möglichst zwei Stunden vor dem Zubettgehen.

      Wacht man nachts trotzdem einmal auf, gilt es, gelassen zu bleiben. „Häufiges nächtliches Erwachen ist völlig normal. Meist bekommen wir es nur gar nicht mit“, erklärt Zulley, dessen neues Buch „Schlafkunde“ erst vor wenigen Wochen erschienen ist. „Wer das nicht weiß und sich ärgert, wenn er nachts wach wird, bei dem kommt die Anspannung und er kann tatsächlich nicht wieder einschlafen.“

      Orange getöntes Nachtlicht ab 22 Uhr

      Potenziert wird das Problem durch moderne Beleuchtungssysteme und die hellen Bildschirme elektronischer Medien. „In letzter Zeit wird das Licht, mit dem wir uns umgeben, eigentlich immer heller. Evolutionsbiologisch hatten wir überhaupt keine Gelegenheit, uns darauf einzustellen“, so Psychologe Cassel. Wer am Abend oder, wenn er nachts aufwacht, helles Licht anschalte oder auf das grelle Display des Smartphones schaue, der suggeriere seinem Körper ungewollt: Bitte umschalten von Ruhemodus auf Tagesbetrieb. Das (Wieder-)Einschlafen wird deutlich schwerer.

      „Ich empfehle vielen Patienten daher, sich ein orange getöntes Nachtlicht in den Flur zu machen und ein oder zwei ins Badezimmer“, so der Somnologe. Spätestens abends ab 22 Uhr solle man nicht mehr den Lichtschalter anfassen und stattdessen die Nachtlichter durchbrennen lassen. „Viele Menschen unterschätzen das blaue Licht, wenn sie auf dem Weg ins Bett noch einmal kurz ins Badezimmer gehen und sich da die Zähne putzen“, erklärt Cassel. „Das Badezimmer ist in den meisten Wohnungen nämlich einer der hellsten Räume.“ Und das mache trotz später Stunde eben wieder wach.

      „Das Leben gegen die innere Uhr macht krank“

      Zusätzlich säßen viele Menschen tagsüber zu lange in zu dunklen Büroräumen. Auch das wirkt sich laut Cassel negativ auf den Schlaf-Wach-Rhythmus aus: „Der moderne Mensch hat eine abgeflachte Amplitude der inneren Uhr und ist tagsüber nicht so wach, wie er sein könnte, und schläft nachts nicht so gut, wie er es eigentlich könnte.“

      Die daraus resultierenden Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden ließen sich durch Sport und bessere Ernährung nicht kompensieren. Die Lösung sei, einfach mehr und besser zu schlafen, so Schlafforscher Wiater. Für ihn ist klar: „Das Leben gegen unsere innere Uhr macht uns krank.“