Echte Anonymität im Netz ist nicht so leicht zu haben. Denn jeder hinterlässt eine breite Datenspur beim Surfen. Unternehmen nutzen diese Infos.

Berlin. Viele Youtube-Anwender kennen folgende Fehlermeldung fast auswendig: „Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar.“ Ärgerlich, wenn ein Webvideo hierzulande nicht angeschaut werden kann, nur weil sich Google und die Verwertungsgesellschaft Gema noch nicht über eine Vergütung der Musikrechte geeinigt haben. Auch Audio-Streamingdienste wie Pandora und Spotify werden geblockt, wenn das System erkennt, dass die Abfrage von einer Internet-Adresse (IP-Adresse) aus Deutschland kommt.

Um Länderbegrenzungen bei Video-Portalen zu umgehen, kursieren im Netz viele Tricks, wie man die eigentliche Herkunft einer Daten-Abfrage verschleiern kann. Mit der Anonymisierung der eigenen Adresse begehen die Anwender übrigens keinen Rechtsbruch. „Für die Nutzer hat der Einsatz von Proxys zur Umgehung von Geo-Sperren keine Relevanz“, sagt der IT- und Medienrechtler Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB Rechtsanwälte. In Deutschland könnten sich die Bürger dabei unter anderem auf eine Wertung im Telemediengesetz (TMG) berufen. Dort heißt es in Paragraph 13, Absatz 6: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“ Und diese Vorschrift gilt auch für YouTube und ähnliche Angebote.

Eine Methode zur Verschleierung der Herkunft im Netz sind öffentlich zugängliche Proxy-Server. Das sind Rechner im Netz, über die der Browser seine Anforderung nach Webseiten schickt und über die er die Ergebnisse zurückerhält. Für die Übertragung von Video-Streams sind diese Server häufig nicht ausgelegt, weil die Verbindung über die Proxy-Server zu langsam ist. Zum Umgehen der Ländersperre bei YouTube reichen die Proxy-Lösungen aber zumeist aus. So können Nutzer des Browsers Firefox eine Erweiterung wie das Plugin „Stealthy“ installieren, das den Datenstrom über freie Proxy-Server lenkt.

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Als verlässlichere Alternative preisen sich kommerzielle VPN-Anbieter wie CyberGhost, PureVPN, Perfect Privacy, Astrill oder HideMyAss zum Umgehen der Geo-Sperren an. VPN steht für Virtual Private Network und beschreibt ein Verfahren, wie man im offenen Internet Daten durch einen verschlüsselten Tunnel transportieren kann. Ein VPN wird beispielsweise dazu genutzt, um mobile Arbeitsplätze sicher an ein Firmennetzwerk anzukoppeln. Im Fall der „Anonymizer“ wie CyberGhost oder Astrill wird das VPN verwendet, um eine abhörsichere Verbindung zwischen dem PC des Anwenders und einem Server des VPN-Anbieters aufzubauen, der in der Regel im Ausland steht. Auf diesem Weg hilft ein VPN den Anwendern dabei, beim Surfen im Netz oder dem Herunterladen von Dateien die eigene IP-Adresse zu verschleiern.

„Wenn man die Medien-Angebote von kommerziellen US-Portalen wie hulu.com oder Pandora nutzen möchte, muss man einen VPN-Anbieter auswählen, der in den USA beheimatet ist oder zumindest dort einen Server betreibt, damit die IP-Adresse US-amerikanisch bleibt“, sagt Fachredakteur Lars Sobiraj vom Portal gulli.com. „Ansonsten bleibt die Sperre natürlich bestehen, sofern man erkennen kann, dass Sie aus dem Ausland auf die Angebote zugreifen wollen.“

Die Szene der VPN-Anbieter ist ziemlich unübersichtlich. „Auf diesem Markt findet man mit Leichtigkeit Listen mit rund 140 verschiedenen Anbietern“, sagt Johannes Endres, Redakteur der Fachzeitschrift „c’t“ (Hannover). „Die kosten aber alle Geld – und die Anwender sollten sich gut überlegen, wer von diesen Anbietern vertrauenswürdig ist.“

Nach den Erfahrungen der Experten ermöglichen die gängigen VPN-Anbieter tatsächlich den Zugriff auf Dienste wie hulu.com oder YouTube-Videos, die sonst für den Zugriff aus Deutschland gesperrt wären. „Das heißt allerdings nicht, dass die User mit einem VPN tatsächlich anonym im Netz unterwegs sind“, sagt Endres. Zum einen können die VPN-Dienstleister – zumindest theoretisch – das Verhalten im Netz den einzelnen Kunden zuordnen. Außerdem gibt es neben der IP-Adresse vielfältige Methoden, Nutzer im Netz zu identifizieren oder wiederzuerkennen.

So könnten User über sogenannte Cookies aus der Anonymität geholt werden. „Die gibt es nicht nur für den normalen Web-Browser, sondern beispielsweise auch für Plugins, die zum Abspielen von Flash-Filmen oder zur Darstellung von PDF-Dateien benötigt werden“, sagte Endres. „Und wenn man beim Surfen irgendwo eingeloggt ist, ist es mit der Anonymität ohnehin vorbei. Das betrifft nicht nur Netzwerke wie Facebook, sondern sogar Online-Shops.“ Will man im Netz tatsächlich unerkannt unterwegs sein, muss man mehr Aufwand betreiben. Endres empfiehlt die Lösungen JonDonym und das Tor-Netzwerk.

Tor und JonDonym etablieren zur Verschleierung des Internetverkehrs Kaskaden von Proxy-Servern und leiten den Webtraffic über mehrere „Nodes“. Bei dem von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) geförderten Tor-Netzwerk verstecken sich die Anwender nicht nur hinter mehreren Proxy-Servern, sondern auch in der Masse der anderen Tor-Anwender. Um die TOR-Software halbwegs bequem nutzen zu können, sollten Anwender das „Browser Bundle“ des Projektes nutzen, das aus einem speziell vorbereiteten – und leider etwas veralteten – Firefox-Browser und der Bildoberfläche Vidalia besteht. Experten, die sich die Konfiguration selbst zutrauen, können auf eine aktuelle Firefox-Version umsteigen.

JonDonym ging aus dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt Java Anon Proxy (JAP) hervor, das an der Technischen Universität Dresden und der Universität Regensburg entwickelt wurde. Nach dem Ende der staatlichen Förderung 2006 haben einige Mitarbeiter das Projekt als Unternehmen, die JonDo GmbH, ausgegründet. Eine kostenfreie Variante drosselt die Durchsatzgeschwindigkeit auf 50 Kilobit pro Sekunde und bietet nur zwei Nodes.

Die Preise der Premium-Accounts richten sich nach dem Transfervolumen. So erhält man für 30 Euro vier Monate lang monatlich ein Datenvolumen von 1,5 Gigabyte. „Bei JonDonym bekommt man zusammen mit dem Firefox-Profil JonDoFox ein besonders einfach einzurichtendes und zu nutzendes System in deutscher Sprache“, lautet das Fazit von „c’t“-Experte Endres. Allerdings bezahle der Nutzer nicht nur den Preis für das JonDonym-Abo, sondern auch mit einer deutlichen Verlangsamung beim Aufruf von Webseiten.