Berlin. 2017 wüteten Waldbrände rund um das Mittelmeer besonders schlimm. Die Feuer werden häufiger und heftiger – auch wegen der „Feuermafia“.

UN-Klimagipfel sind wie riesengroße Gemischtwarenläden: Es gibt dort so ziemlich alles. Über viele Jahre hinweg etwa haben sich Tausende Diplomaten die Köpfe darüber zerbrochen, wie viele Bäume es auf der Erde gibt. Oder besser: Wie ein faires System dafür gefunden werden kann, dass sich Staaten ihre Wälder als Klimaschutzmaßnahmen anrechnen können. Denn Wälder sind die Klimaanlagen unseres Planeten, sie kühlen die Erde, indem sie Kohlenstoff aus der Luft binden und so den Treibhauseffekt bremsen. Doch nun könnte dieses sensible Ökosystem den Treibstoff für den Klimawandel liefern.

Teile Südeuropas brennen. Die Karte, die von den Rechnern des Europäischen Waldbrand-Informationssystems EFFIS ausgespuckt wird, zeigt Rot. Überall Rot. In den Ländern um das Mittelmeer wüteten 2017 die Waldbrände – so schlimm wie seit Jahren nicht. 88.500 Feuer in der Saison von April bis Ende September, normalerweise sind es 50.000. Das sind die neuesten Zahlen, die der Umweltstiftung WWF vorliegen. „Der Trend zu immer mehr Feuerereignissen setzt sich fort“, sagt Susanne Winter, Leiterin des Fachbereichs Wald. Seit 1960 habe sich die Häufigkeit von Feuern mehr als vervierfacht.

Jedes Jahr brennen bis zu eine Million Hektar Wald ab

Laut WWF ist in Portugal in den vergangenen Monaten mit fast 240 Tausend Hektar die mit Abstand größte Fläche abgebrannt – fast fünf Prozent des gesamten Waldes. In Italien waren es 130 Tausend Hektar – viermal so viel wie in 2013. In Kroatien vernichteten die Flammen eine Gesamtfläche, die 28-mal größer war als in der Waldbrandsaison 2013. Die großen Feuerereignisse rückten dabei acht Kilometer nah an die zweitgrößte Stadt Split heran. Jedes Jahr brennen im Mittelmeerraum rund 700.000 bis eine Million Hektar Wald ab. Das ist das Drei- bis Vierfache der Fläche des Saarlandes.

Waldbrände sind keine Laune der Natur, sondern Teil eines natürlichen Kreislaufs. Das Problem dabei ist, dass der Mensch mitmischt. Weniger als fünf Prozent aller Waldbrände in Europa haben natürliche Ursachen, etwa Blitzschlag. Ohne den Menschen, der absichtlich oder unabsichtlich Feuer legt und das Ökosystem auf vielerlei Weise schwächt, wären Großbrände wie in diesem Jahr eine Seltenheit.

Waldbrände tragen erheblich zur Klimaerwärmung bei

Brennt ein Wald, wird der Kohlenstoff, den die Bäume beim Wachsen gebunden haben, wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Waldbrände tragen so erheblich zur Klimaerwärmung bei. Steigende Temperaturen und mehr Hitzeperioden wiederum trocknen die Böden aus und schwächen die Wälder, sodass deren Feuerempfindlichkeit zunimmt. Damit wachsen Anzahl und Ausmaß der Waldbrände, ein Rückkopplungseffekt entsteht. Die Spirale, sie dreht sich.

Der WWF hat diesen verheerenden Mechanismus in seinem Waldbrandreport in Zahlen gefasst. „Wir schätzen, dass durch Savannen- und Waldbrände weltweit 1,7 bis 4,1 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt werden“, sagt WWF-Expertin Winter. 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen seien auf Waldbrände zurückzuführen. Durch die Waldbrände in Indonesien wurden 2015 fast doppelt so viele Treibhausgase freigesetzt, wie Deutschland im Jahr 2014 emittierte, stellt der WWF fest. Zündstoff, um das Klimasystem zu stören.

„Megafeuer“ fressen sich auch durch tropische Wälder

Die Feuer verändern sich, sagen Waldbrandexperten. Wer in diesem Sommer in Portugal, Kroatien, Spanien oder Griechenland seinen Urlaub verbracht hat, wird womöglich Zeuge eines neuen Phänomens geworden sein: Megafeuer. Darunter verstehen Wissenschaftler großflächige Brände – so groß, dass sie von den Feuerwehren nicht unter Kontrolle gebracht werden könnten. So intensiv, dass sie in der Natur das Kräftegleichgewicht verschieben. „Seit einigen Jahrzehnten beobachten wir dieses Phänomen weltweit“, sagt Winter. Riesige Feuer fressen sich durch die tropischen Wälder Südamerika oder Asiens – oft wurden sie absichtlich zur Brandrodung gelegt. In den gewaltigen Wäldern Sibiriens gehen jedes Jahr Millionen Hektar Wald in Flammen auf, die Feuer legen die Permafrostböden frei. Wissenschaftler fürchten, dass ein weiterer Kippschalter des Klimasystems umgelegt werden könnte: Tauen die Böden auf, werden Milliarden Tonnen Kohlenstoff frei, die dort seit Millionen Jahren gebunden sind.

Viele Tierarten sind gegen die Art von Feuern chancenlos

Aber auch für die Ökosysteme dieser Erde werden die häufiger und großflächig auftretenden Waldbrände zunehmend zur Bedrohung, warnt der WWF. Nur noch auf 16 Prozent der Fläche prioritärer Ökoregionen – jener Regionen also, die für den Erhalt der globalen Artenvielfalt entscheidend sind – befinde sich das Feuergeschehen noch innerhalb der akzeptablen Grenzen. Die tropischen Feuchtregenwälder, in denen Pflanzen und Tieren die Anpassung an natürliche Brände fehlt, seien auf 93 Prozent ihrer Fläche gefährdet.

Im Klartext bedeutet das: Gegen diese „neuen Feuer“ sind viele Arten chancenlos. Was das konkret bedeutet, verdeutlicht Susanne Winter am Beispiel Australiens. Der Great Desert Skink, eine höchst gefährdete Echsenart, ist an ein Fleckwerk aus unterschiedlich alten Brandflächen angepasst, wie es bei dem traditionellen Feuermanagement der Aborigines entsteht. Dort, wo dieses Feuermanagement noch besteht, finden sich auch seine letzten Populationen, auf drei bis 15 Jahre alten Brandflächen. Ein großflächiges Feuer zu überleben ist schwierig für ihn.

Professionelle Brandstifter legen Brände gegen Geld

Doch wer setzt sie in Gang, diese riesigen Feuerwalzen? Die portugiesische Zivilschutzbehörde ANPC geht davon aus, dass fast immer der Mensch der Verursacher ist – oft aus Unachtsamkeit, immer öfter aber aufgrund krimineller Energie und wirtschaftlicher Interessen, die dann zutage treten, wenn aus einer abgebrannten Fläche womöglich Bauland werden könnte. Der WWF beklagt in seiner Studie, dass professionelle Brandstifter gegen Bezahlung Brände legen. In Italien etwa seien unter den insgesamt 2200 Personen, die zwischen 2000 und 2006 wegen Verursachung von Waldbränden angeklagt wurden, Rentner mit 30 Prozent auffällig häufig vertreten. Offensichtlich würden sie von Dritten beauftragt und besserten sich so ihre Rente auf. Jeder zweite Brandstifter sei über 60 Jahre.

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    Kiefern und Eukalyptus-Bäume stehen rasch in Flammen

    Susanne Winter sieht in einer „Feuermafia“ jedoch nur einen kleinen Teil der Ursachen. „Wir müssen unsere Art der Waldbewirtschaftung ändern“, sagt sie. Bei der Wiederaufforstung der abgebrannten Flächen dürfe man die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. In Portugal etwa hatte man in den vergangenen Jahrzehnten bei der Wiederaufforstung von abgebrannten Flächen oder aufgegebenen Feldern auf Monokultur gesetzt: Kiefern und vor allem Eukalyptus. Beide Baumarten wachsen schnell und liefern Rohmaterial für die einheimische Papierindustrie. Allerdings brennen Kiefern sehr gut. Die Rinde von Eukalyptusbäumen, ursprünglich in Australien beheimatet, ist stark harzhaltig. Die Bäume stehen rasch in Flammen, brennende Rindenstücke fliegen viele Meter weit und setzen angrenzende Waldstücke in Brand.

    Eukalyptusbäume sind auch aus einem anderen Grund eine schlechte Wahl: „Sie saugen das Wasser aus dem Boden, so extrem, dass sie die Trockenheit im Boden noch einmal verstärken“, sagt WWF-Expertin Winter. „Auf Sardinien hat man so die letzten Sümpfe trockengelegt.“ Der WWF fordert, dass abgebrannte Flächen nur mit naturnahen Wäldern und heimischen Baumarten aufgeforstet werden dürfen. „Sie sind immer feuerunempfindlicher. Damit würde man schon viel erreichen“, sagt Winter. Sie weiß: Es ist ein Projekt für eine ganze Generation.

    Serie: Zur UN-Klimakonferenz in Bonn vom 6. bis 17. November erklärt die Redaktion in den kommenden Ausgaben die wichtigsten Themen der internationalen Verhandlungen.Bereits erschienen:• Treibhaus Erde – Die wichtigsten Antworten zum KlimawandelStürme, Starkregen, Hitze: Wenn das Wetter extrem wirdWie Kopenhagen die Hälfte seiner Pendler aufs Rad setzteIn Norwegen sind die E-Autos schon auf der ÜberholspurFidschi – Ein Inselparadies muss ums Überleben kämpfen