Berlin. Eine Trennung ist schmerzhaft – vor allem für die Kinder. Die Frage, wie die Kleinen nun betreut werden, wird oft zur Zerreißprobe.(

Dass die Liebe nicht mehr reicht, das wussten die beiden schon lange. Als der Alltag mit den Kindern nur noch zu Stress und Streit führt, beschließen Manu und Christoph sich zu trennen. Er verlässt die gemeinsame Wohnung, um Tochter und Sohn will er sich aber regelmäßig kümmern. „Wir werden doch zusammen Eltern sein können“, glauben beide. Die Kinder sollen nicht zum Spielball der Getrennten werden.

Doch Streit bleibt nicht aus. Manu ist wütend, weil die Kinder bei Christoph zu viel Zeit vor dem Computer verbringen. Christoph hält seiner Ex-Freundin vor, den Kindern für die Papawochenenden nicht ausreichend Kleidung mitzugeben. Beide finden, dass sie bei den Umgangszeiten zurückstecken und es vor allem dem ehemaligen Partner recht machen.

Manu und Christoph heißen in Wirklichkeit anders. Aber sie stehen stellvertretend für Eltern, die nach der Trennung den Umgang mit den Kindern klären müssen. Rund 2,7 Millionen Alleinerziehende gibt es in Deutschland, zählt das Statistische Bundesamt. Fast jede fünfte Familie ist betroffen. Die Trennung und die Frage, wie es mit den Kindern weitergeht, werden oft zur Zerreißprobe.

Die meisten wählen irgendwann das Residenzmodell

„Die Eltern haben Angst, dass das, was war, nicht mehr ist“, sagt Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht. „Alle Eltern lieben ihre Kinder – und sie nicht mehr ständig zu sehen oder das Gefühl, sie zu verlieren, ängstigt viele.“ Welche Betreuung und welcher Umgang mit den Kindern infrage kommen, dazu gibt es die unterschiedlichsten Modelle.

Prägend ist, wer sich während der Beziehung um die Kinder kümmerte. Nur selten einigen sich Mutter und Vater auf neue Betreuungsformen. Das heißt: Wenn die Mutter zuvor halbtags arbeitete, die Kinder in Kita und Schule brachte und der Vater vor allem abends und am Wochenende zu Hause war, wird sich das auch nach der Trennung in den meisten Fällen nicht ändern.

Ratgeber schlagen Nestmodell vor

Die meisten getrennten Eltern einigen sich auf das sogenannte Residenzmodell: Meist verbringen die Kinder alle zwei Wochen das Wochenende beim anderen Elternteil sowie die Hälfte der Ferien. Die Kinder wechseln den Ort zu festen Zeiten. Schwieriger wird es, wenn ein Elternteil in eine andere Stadt zieht oder sogar ins Ausland. In manchen Fällen müssen die Eltern mit den Kindern zum Ex-Partner fahren, weil Tochter und Sohn noch zu klein sind, um allein zu reisen.

In Ratgebern wird auch immer wieder das sogenannte Nestmodell vorgeschlagen. Nicht die Kinder wechseln die Wohnung, sondern die Eltern. Je nachdem, wann Mutter oder Vater die Betreuung übernehmen, kommen sie bei den Kindern vorbei. „Für dieses Modell entscheiden sich sehr wenige Eltern“, sagt Becker. Manchmal wird es für kurze Zeit, etwa wenige Monate, umgesetzt. Zum Beispiel, wenn es die berufliche Lage erfordert. Der Effekt: „Eltern lernen, was es heißt, alle zwei Wochen auszuziehen“, sagt die Fachanwältin. Vielen Müttern und Vätern ist nicht klar, welche Belastung es für ihre Kinder ist, regelmäßig den Wohnort zu wechseln.

„Patchwork ist harte Arbeit“

Noch komplizierter wird es, wenn die getrennten Eltern neue Partner finden – und auch die Kinder haben, deren Umgangsmodelle bedacht werden müssen. Becker rät den Paaren sich nicht zu überfordern. „Patchwork ist nicht nur positiv, sondern es ist harte Arbeit.“ Manchmal müssen die Lebensmodelle von acht Leuten und mehr mitgedacht werden. Alle müssen Kompromisse eingehen. Scheitern ist nicht ausgeschlossen.

Sonja Hild hat vor rund drei Jahren die Webseite Trennungmitkind.com geschaltet. Dort informieren Mütter und Väter, aber auch etliche Institutionen über Umgangs- und Sorgerecht. Wie sagen wir es den Kindern? Was ist das Beste für sie? Welche Rechte und Pflichten fallen an? „Viele Eltern kennen sich bei dem Thema überhaupt nicht aus“, sagt Hild. Sie selbst war früher Unternehmensberaterin. Als in ihrem Bekannten- und Freundeskreis sich Eltern trennten und Hilfe benötigten, begann sie zu recherchieren und veröffentlichte ihren Ratgeber online. „Die Anfragen haben mich überrollt“, sagt Hild.

Eine Empfehlung über das beste Umgangsmodell, das für alle passt, hat auch sie nicht. „Es geht beim Umgang um die Bindung des Kindes an die Eltern.“ In welchem Rhythmus sollte die Betreuung abgewechselt werden? Tageweise? Jede Woche? Oder in längeren Abständen? Ein zweijähriges Kind kann einen Zeitraum von zwei Wochen nur schwer überblicken. Bei einem zehnjährigen Schüler sieht dies anders aus.

Bei Mama gibt es kein Fleisch und Fernsehen ist verboten

Das Alter spielt eine Rolle. Auch den Weg zur Kita, zur Schule, müssen Eltern bedenken. Ausschlaggebend ist aber nicht, ob sich Papa am Kinderwochenende mit Überraschungen überschlägt oder es bei der Mutter kein Fleisch zu essen gibt und Fernsehen verboten ist. Es sind die Eltern, die sich über solche Alltagssituationen aufregen. Die Kinder dagegen lernen, dass Menschen unterschiedliche Werte leben. Würden die Eltern alles gleich handhaben, fiele das weg, sagt Hild.

Es sind alle Berufsgruppen und Schichten, die sich bei ihr melden. Vom Pfarrer, über die Lehrerin, bis zum Arbeitslosen oder Frührentner sind alle dabei. Sowohl betreuende Elternteile als auch Umgangseltern wenden sich an Hild. Meist erst dann, wenn Konflikte eskalieren. Oft kommen dann die Gerichte ins Spiel. Viele Mütter und Väter finden ohne Rechtsbeistand keine Lösung mehr.

Im Vorfeld können Beratungsstellen helfen. Die beiden letzten Bundesfamilienministerinnen Manuela Schwesig und Katarina Barley (SPD) wollten solche Angebote vorantreiben. Sogar Ideen für eine gesetzliche Verordnung gab es. Doch von verpflichtenden Angeboten hält Fachanwältin Becker nichts. „Unter Zwang findet man keine Lösung“, sagt sie. Wie der Umgang aussehen kann, ist Verhandlungssache. „Eine Einigung kann ohnehin nur gelingen, wenn die Eltern noch ein Mindestmaß an Kommunikation schaffen“, sagt Becker. Den Idealfall gibt es nicht.

Tipp für Alleinerziehende: Rechtzeitig Unterstützung holen

Leichter wird es für Eltern und Kinder, wenn beide Elternteile in der Nähe wohnen. Das reduziert den Stress, ist aber in vielen Fällen schlichtweg nicht möglich. Becker appelliert an die Eltern, auch in noch so verfahrenen Situationen nach Kompromissen zu suchen. „Das haben die Kinder verdient.“

Tipp für Alleinerziehende: Rechtzeitig Unterstützung holen. Das Jugendamt ist eine Anlaufstelle. Auch kirchliche Einrichtungen wie die Caritas oder die Diakonie sowie Wohlfahrtsverbände wie die AWO bieten bundesweit Familienberatungen an. Zudem gibt es online Ratgeberseiten: www.elternimnetz.de oder www.bke.de (Webseite der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung). Unterstützung gibt es zudem beim Verband für alleinerziehende Mütter und Väter: www.vamv.de