Düsseldorf. Auf Europas größter Fachmesse für Medizintechnik „Rehacare“ werden Fortschritte bei der Rehabilitation präsentiert. Ein Überblick.

Die Chancen für Menschen mit Behinderung, für Pflegebedürftige, chronisch Kranke oder Senioren im hohen Alter auf ein selbstbestimmtes Leben steigen. Möglich machen dies Fortschritte in der Medizintechnik. Ab Mittwoch sind diese wieder Thema bei der Rehacare, der größten Fachmesse für Rehabilitation und Pflege in Europa. 760 Aussteller aus 39 Ländern zeigen in Düsseldorf die aktuellsten Entwicklungen – eine Auswahl.

• Einmal nicken – und der Rollstuhl fährt los

Wie komme ich vorwärts, wenn ich nur nicken oder ein paar Worte sagen kann? Für diese Fälle hat ein Team von Wirtschaftsinformatikern der Technischen Uni München (TUM) den Glasschair entwickelt – und dafür die Google-Brille genutzt, von der man schon länger nichts mehr gehört hat. Jetzt taucht sie in neuer Funktion auf: als intelligente Möglichkeit, mit einer Kopfbewegung den elektrischen Rollstuhl zu steuern. Die Ansage „Okay, Glass, fahr los“ startet Glasschair – daraufhin öffnet sich die App und verbindet sich mit dem Rollstuhl. Dieser fährt los, wenn man nickt. Die Software kann an die Gesten, die der Nutzer ausüben möchte, angepasst werden.

• Die Prothese aus dem Drucker

Damit die Prothese wie angegossen sitzt und Rheumakranke passende Griffhilfen bekommen, mit denen sie besser zupacken können, ist es jetzt möglich, individuelle Hilfsmittel selbst auszudrucken.

Das Bundesforschungsministerium und die VDI Technologiezentrum GmbH zeigen anlässlich der Rehacare Projekte aus dem Wettbewerb „Light Cares – photonische Technologien für Menschen mit Behinderungen“. Bei dem Wettbewerb wurden Methoden zum Selbermachen prämiert.

Dazu zählt etwa das Projekt „Custom DIY Limbs“, bei dem Mitarbeiter des Berliner Unternehmens Makea Industries ein Verfahren entwickelt haben, um für Patienten mit Handicaps passgenaue Prothesen und stützende Orthesen mit dem 3-D-Drucker herzustellen. Dafür werden die Personen dreidimensional eingescannt, damit anschließend geeignete Hilfsmittel und Druckverfahren getestet werden können. Mehr Informationen über die Light-Cares-Projekte gibt es beim Ministerium unter www.bmbf.de in den Rubriken „Aktuelles, Termine, Rehacare 2017“.

• Eine Roboter-Esshilfe

Wer unterwegs essen möchte, aber den Löffel nicht richtig zum Mund führen kann, bekommt eine mobile Hilfe mit Robotertechnologie: Obi von der Firma Focal Meditech aus den Niederlanden. Auf einen Teller können unterschiedliche Speisen in vier Schalen gefüllt werden. Ein Roboterarm nimmt sie mit dem Löffel auf, und der Anwender wählt jeweils über einen Taster, aus welcher Schale ihm die Speisen gereicht werden sollen. Ein Akku versorgt Obi mit Strom, deshalb kann man sich überall von dem Roboter bedienen lassen.

• Wieder richtig zupacken können

Wenn Rheuma, Arthrose oder andere Erkrankungen die Hand geschwächt haben, gibt es jetzt Unterstützung durch einen speziellen Handschuh: Die bionische SEM Handorthese der Firma Orfomed. Sensoren in den Fingerspitzen können eine Greifbewegung auslösen und dafür sorgen, dass die Hand zupackt. Zusätzlich wird die Muskulatur durch künstliche Sehnen gekräftigt – so kann man einen Gegenstand wie einen Apfel auch wieder länger festhalten.

• Ein Tablet fürs Lesen

Bis zu 120fach kann man sich Texte mithilfe der VisuPlus-Systeme von VisuSolution vergrößern lassen – und das Ganze auf einem Tablet-Computer, der in die Aktentasche passt. Die dazugehörige Software unterstützt nicht nur beim Sehen, sondern liest die Texte auf Wunsch auch vor. Praktisch zum Beispiel dann, wenn Köche beim Brutzeln oder Backen noch mal hören möchten, was im Rezept steht. Neu zur Rehacare 2017: das VisuPlus One mit einem faltbaren Arm, der das Gerät dort festhält, wo der Leser oder Hörer es gern hätte.

• So bleiben Kühlpacks an Schulter oder Schenkel

Eine Zerrung im Schenkel oder eine verspannte Schulter braucht schon mal Kälte oder Wärme – über eine längere Zeit. Damit Kühl- oder Wärmepacks an Ort und Stelle bleiben, soll das Kompressionsverschlusssystem Usyfix von Gripoballs ein Verrutschen verhindern. Ein Ring-Stecksystem macht es möglich, Usyfix auf die richtige Länge zu bringen und damit die Packs an der entsprechenden Körperstelle festzuhalten.

• Ein Sturzhelm für die Hüfte

Mehr als 8800 Menschen über 65 Jahre starben 2015 durch einen häuslichen Unfall, die meisten durch oder infolge eines Sturzes. Diese Angaben stammen von der Aktion „Das sichere Haus“, ein Kuratorium für Sicherheit in Heim und Freizeit (DSH). Auf der Internetseite www.das-sichere-haus.de gibt es in der Rubrik „Sicher leben“ im Unterpunkt Senioren, Tipps, wie man vorbeugen kann – indem zum Beispiel Arm- und Beinmuskeln trainiert werden.

Den Sturz abfedern und etwa einen Oberschenkelhalsbruch verhindern sollen Hüftschutzhosen mit Protektoren (Care Better GmbH Bad Oeynhausen), die wie ein Sturzhelm für die Hüfte fungieren. In den Hosen federn Hüftprotektoren den Druck des Aufpralls ab und verteilen ihn großflächig. Auf diese Weise soll die Krafteinwirkung auf das Hüftgelenk verringert werden, um Brüche zu verhindern. Weil sich die Träger nach Angaben des Herstellers sicherer fühlen, bewegen sie sich mehr, trainieren auf diese Weise Muskeln und verbessern das Koordinationsvermögen.

40. Rehacare, 4. bis 7. Oktober 2017 in der Düsseldorfer Messe, mittwochs bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am Sonnabend von 10 bis 17 Uhr. Weitere Informationen sowie Eintrittskarten gibt es über das Portal www.rehacare.de.