Rüsselsheim. Reimer Völz hat eine der spektakulärsten Modellauto-Sammlungen weltweit. Sie sind nicht in Originalgröße, aber beim Antrieb weit vorn.

Reimer Völz ist im Stress. Bald ist die Internationale Automobilausstellung IAA und der neue Grandland X ist noch im Rohbau. Zwar haben seine Kollegen drüben im Opel-Werk alles für die Premiere des neuen Raumkreuzers gerichtet, und ihr Messemodell ist längst fertig. Doch in Völz’ Werkstatt brennt noch bis spät in die Nacht das Licht, und seine Frau hat er schon seit Wochen nur noch im Vorbeigehen gesehen. Denn für ihn ist eine Opel-Premiere nur perfekt, wenn der Debütant im Doppelpack auf die Bühne rollt.

Schließlich hat auch Völz eine Art Doppelauftrag. Tagsüber arbeitet er im Internationalen Technischen Entwicklungszentrum des Automobilherstellers, tüftelt an Sitzen und erfindet Türkonstruktionen. Und nach Feierabend ist er Chef seiner eigenen kleinen Autofabrik und will am besten jedes Modell seines Arbeitgebers als selbstfahrende Miniatur nachbauen. Deshalb wird es jetzt allerhöchste Zeit, dem Grandland X den letzten Schliff zu geben.

Angefangen hat der Bremerhavener mit Schiffs-Modellen

Reimer Völz baut jedes Modell seines Arbeitgebers als selbstfahrende Miniatur nach.
Reimer Völz baut jedes Modell seines Arbeitgebers als selbstfahrende Miniatur nach. © sps | --

Völz’ Passion für Automodelle ist älter als seine Obsession für Opel. Schon als Jugendlicher war er leidenschaftlicher Modellbauer, hat sich zu Hause in Bremerhaven allerdings eher für Schiffe als für Autos interessiert. Nachdem es ihn aber von der Nordsee an den Main und aus einer Werft zu Opel verschlagen hatte, bekamen seine Modelle plötzlich Räder. „Angefangen hat das Anfang der 90er mit dem Eco Corsa“, erinnert sich der 59-Jährige, der seit einem Motorradunfall im Rollstuhl sitzt und deshalb auch noch an der Planung von Behindertenfahrhilfen mitarbeitet.

„Das war das erste Auto, an dem ich bei der Entwicklung mitgearbeitet habe, und es wurde deshalb auch mein erstes Modell.“ Danach ging es Schlag auf Schlag: Er hat neue Autos wie den Za­fira, den Astra oder den Insignia modelliert, Klassiker und Kultmodelle wie den Commodore, den Calibra oder den Manta auf die Räder gestellt, und während Studien wie der Monza oder der neue GT in groß allenfalls Schritttempo schaffen, flitzen sie bei ihm mit bis zu 100 Sachen durch die Garage – und haben ihre klassischen Vorbilder dabei ­natürlich noch im Schlepptau.

Am Anfang steht wie im echten Leben der Designprozess

Am Anfang der Entwicklung, für die Völz neben seinem eigentlichen Job etwa fünf Monate braucht, steht wie im echten Leben der Designprozess. Denn obwohl er auf die Originaldaten aus der Konstruktion zurückgreifen kann, muss er die Entwürfe etwas frisieren. Erstens, weil er aus Kostengründen auf ein Standardchassis mit fixem Radstand aufbaut. Und zweitens, weil die Proportionen in klein meist nicht ganz so eindrucksvoll wirken wie in groß. Deshalb sind die Autos aus der völzschen Garage flacher und breiter und damit am Ende etwas bulliger als aus der Fabrik.

Wenn der Entwurf für das Modell gemeinsam mit den Designern des Serienautos angepasst und abgestimmt ist, fräsen ihm die Kollegen aus dem Opel-Design eine Art Monolithen im richtigen Maßstab, der als Schablone dient. Darüber wird mit einem Vakuum eine auf 400 Grad erhitzte Kunststoff­folie gesaugt, die nach dem Aushärten die komplette Karosserie nachbildet. Dann nur noch die Räder ausschneiden, von innen lackieren und von außen mit Aufklebern für Markenlogos und Scheinwerfer dekorieren, schon ist der Vectra für die Westentasche fertig.

Unter der Haube sind Standardmotoren mit 300 Watt

Die Felgen kommen aus dem 3D-Drucker.
Die Felgen kommen aus dem 3D-Drucker. © sps | --

Beinahe zumindest. Denn Völz ist vor allem bei den Messemodellen so sehr Perfektionist, dass er vorher auch noch LED-Elemente für Scheinwerfer und Rückleuchten unter die Karossen klebt und sogar die passenden Felgen aus dem 3D-Drucker laufen lässt, die dann natürlich auch noch in mehreren Schichten lackiert werden müssen. Kein Wunder, dass er oft bis morgens um zwei im Keller sitzt und über der Arbeit an seinen Opel-Miniaturen jedes Zeitgefühl verliert.

Weniger Aufwand treibt er dafür bei der Technik unter der Plastikhaube. Dort baut er Standardmotoren aus dem Regal ein, die mit 300 Watt auf Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 40 Stundenkilometern kommen. Für Profis montiert er aber auch Powerpacks, die es sogar auf 1000 Watt und mehr bringen, sodass man die Leistung schon in PS messen kann. Und die Höchstgeschwindigkeit liegt dann bei deutlich mehr als 100 Stundenkilometern. Doch so richtig leidenschaftlich klingt er dabei nicht: Wie die Autos fahren, das ist ihm mittlerweile fast egal. Denn dafür hat er längst keine Zeit mehr. Genau wie für den Calibra, den Omega, den Commodore und den GT, die auch im Original in seiner Garage stehen.

Es gibt mehr als 60 verschiedene Baureihen im Maßstab 1:10

Denn nachdem in Völz’ Garage mittlerweile über 60 verschiedene Baureihen parken und er im Maßstab 1:10 die wahrscheinlich eindrucksvollste Sammlung der Marke sein Eigen nennt, ist aus dem Hobby längst so etwas wie ein Nebenjob geworden: Seit seine Chefs von den Modellen Wind bekommen haben, hat der 59-Jährige ein offizielles Mandat, kommt noch früher an noch bessere Daten aus dem Design, darf für die Formen seiner Modelle die 3D-Drucker aus dem Prototypenbau benutzen und die Autos über die Opel-Homepage für Preise um 300 Euro sogar verkaufen. Bis zu 500 Exemplare pro Jahr kommen da für manche Modellreihen zusammen, und die Lizenzgebühren dürften so die etwa 5000 Euro Entwicklungskosten decken, die sich Opel jede Miniatur mittlerweile kosten lässt.

Doch dafür hat der Modellbauer in offizieller Mission jetzt auch noch mehr zu tun; nicht nur, dass er ständig Sondermodelle für Berufsjubiläen, für Marketingaktionen und für die Vorstandswechsel bauen soll. Mittlerweile surren seine Autos bestückt mit Webcams und Internetfernsteuerung auch über die Messestände von Genf, Paris oder Frankfurt. Kein Wunder also, dass Völz nervös auf die Lieferung des Grandland X wartet, mit dem er auf der IAA zwischen den Originalen herumflitzen und den Besuchern auf dem Stand und daheim im Netz eine ganz neue Perspektive des Messeauftritts vermitteln will.

Elektroantrieb ist bei Völz schon seit 20 Jahren Standard

Am Ende der IAA wird sich trotzdem wohl kaum jemand an den kleinen Grandland X erinnern. Selbst wenn Völz seine Modelle mittlerweile in Kleinserien produzieren lässt, wird er nicht mal ansatzweise die Stückzahlen erreichen, die sich Opel vom Original erhofft. Doch in einem Punkt ist der große Fan der kleinen Opel seinen Kollegen aus der Großserie voraus und mit seinen Autos auf der diesjährigen IAA besser aufgehoben: Während sie dort alle vom Elektroantrieb reden, ist der bei ihm schon seit mehr als 20 Jahren Standard.