Belfast. An der Küste Nordirlands blühen die Gärten – und das trotz des ruppigen Wetters. Der Wind ist dort der einzige Feind des Gärtners.

„Gärtner gehen nicht in den Ruhestand“, sagt Mike Snowden. Einmal versuchte er es, doch zwei Wochen nach Rentenbeginn erhielt er einen Anruf: Ein verfallener Garten sollte aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden. Er sagte zu. Heute fehlen Gartenführer, weil der Walled Garden von Glenarm an diesem hellen, windigen Sommertag von Besuchern geradezu gestürmt wird.

Der 80-Jährige mit dem eindrucksvollen weißen Bart hat auch da nicht Nein gesagt. Jetzt steht er auf dem „Mount“, einem zum Genuss der Aussicht angelegten Hügel, um den sich der Pfad zur Spitze wie eine doppelt geschlungene Kette windet. Von hier blickt er in den ummauerten Garten von Glenarm Ca­stle, seit dem 17. Jahrhundert Stammsitz der Grafen von Antrim an der nordöstlichen Küste Irlands.

Die Zukunft eines Gartens liegt stets in seiner Vergangenheit

Seit 35 Jahren lebt der im englischen Lincolnshire geborene Gärtner in Nordirland. 20 Jahre lang war er hier für den verträumten, vom National Trust verwalteten Garten Rowallane bei Belfast verantwortlich. Mit der Freude eines Menschen, für den Arbeit Leidenschaft und Leitmotiv des Lebens ist, spricht er von den Geheimnissen des Gärtnerns: dass die Zukunft eines Gartens stets in seiner Vergangenheit liege.

Dass es leicht sei, einen Garten zu ruinieren, indem man einführt, was nicht passt. Und dass der Walled Garden, einer der ältesten Irlands, das Schicksal vieler seiner Art ­teile. Angelegt wurde er im 18. Jahrhundert als Nutzgarten, um die Herrschaft mit Obst, Gemüse und Schnittblumen für die Tafel zu versorgen. Heute haben ummauerte Küchen- und Blumengärten vor allem dekorativen Charakter.

Selbst im Winter wird es selten kälter als fünf Grad Celsius

Ihre Mauern reflektieren Licht und Wärme und nehmen dem Wind die Schärfe, der an der meist frostfreien Küste Nordirlands den Gärtnern das Leben schwer macht. Zusätzlichen Schutz ­bieten im Garten von Glenarm hohe Hecken. So gedeihen Pfirsiche und Nektarinen, ein Rosengarten und üppige Rabatten. Ein Wald von wie Fächer aufgespannten Spalieräpfeln und -birnen streckt sich an den Mauerwänden aus und überzieht sie im Frühling mit einem hellen Blütenschleier.

2005 wurde der wieder zum Leben erweckte Walled Garden von Glenarm Castle für das Publikum geöffnet. Das Schloss, das der in London lebende Viscount Dunluce, Sohn des neunten Earls, und seine Familie nur am Wochenende nutzen, behält alle Geheimnisse für sich. Nur gelegentlich ist es zu besichtigen; zumeist müssen Besucher sich mit dem Anblick des schönen Tors begnügen, vor dem eine der schmalen Straßen des Dorfs Glenarm endet.

An der Restaurierung des Gartens waren viele Experten beteiligt

Neben der Gartengestalterin Catherine Fitzgerald, die in Glin Castle in der Irischen Republik unter dem Einfluss gartenbesessener Großmütter aufwuchs, war mit Nigel Marshall ein weiterer namhafter Experte an der Restaurierung des verwunschenen Gartens beteiligt. Marshall war zuvor 30 Jahre lang leitender Gärtner von Mount Stewart, der knapp 40 Hektar großen, spektakulären Grünanlage des gleichnamigen Herrensitzes auf der 25 Kilometer von Belfast gelegenen Halbinsel Ards.

Dort herrscht dank der Nähe zur Irischen See auf der einen und zum Strangford Lough auf der anderen Seite, der Lage am Südhang und schützender Wälder auch ohne Mauern ein Mikro­klima, das die Temperaturen selbst im Winter selten unter fünf Grad Celsius absinken lässt.

Ein fantastischer Garten voller Wunder

2005 wurde der Walled Garden von Glenarm Castle wieder für das Publikum geöffnet.
2005 wurde der Walled Garden von Glenarm Castle wieder für das Publikum geöffnet. © Ireland | --

Wer es schafft, sich vom Herrenhaus der Lady Edith, Marquise von Londonderry, loszureißen, das 2015 nach drei Jahre dauernder und acht Millionen Pfund teurer Restaurierung wieder eröffnete, erlebt hier einen fantastischen Garten voller Wunder: mit gewaltigen, in allen Schattierungen von hellrosa bis dunkelrot blühenden Rhododendren; mit einem Wald, der wie ein Gemälde angelegt ist und von roten Eichhörnchen, Dachsen, Hasen und Rotwild bewohnt wird; mit neuseeländischen Palmen, chilenischen Flammen- und tasmanischen Eukalyptusbäumen.

Die wie Zimmer voneinander abgegrenzten Gärten sind so verschwenderisch wie betörend: Hecken, die in Form einer irischen Harfe oder eines Segelschiffs gestutzt sind, wachen über Beeten im Blau und Weiß des Familienwappens. Affen und Drachen schmücken Säulen, auf Mauern sitzen mythische ­Figuren. Jedes Detail symbolisiert Details aus dem Leben der Schöpferin des Gartens. Ihrer 1921 geborenen Tochter Mairi Vane-Tempest-Stewart widmete Lady Edith den in Form einer Tudor-Rose gestalteten Garten. Die Terrassentiere erzählen vom „Ark Club“, in dem Lady Edith während des Ersten Weltkriegs im Londoner Stadthaus der Familie Politiker und militärische Würdenträger versammelte.

1959 überließ Lady Edith ihren Garten dem National Trust

Jedes Mitglied erhielt einen Tier- oder Tarnnamen und ein Denkmal auf dem fernen Landsitz. Churchill firmierte als „Winston the Warlock“, Kollege Sir Arthur Balfour als „Albatros“. Ihren Mann, den siebten Marquis, der Mount Stewart 1915 geerbt hatte, ließ sie auf der Terrasse als Gepard verewigen. Nur ein paar Buchstaben trennen „Cheetah“ von „Cheater“, dem betrügerischen Gatten. Doch Lady Edith war zu beschäftigt mit der Umgestaltung von Haus und Garten, die sie bei ihrer Ankunft als „kältesten, feuchtesten und finstersten“ denkbaren Ort identifiziert hatte, um sich ernsthaft irritieren zu lassen. Schon vor ihrem Tod im Jahr 1959 überließ Lady Edith ihren Garten dem National Trust.

Tochter Mairi widmete sich hier noch jahrzehntelang der Gartenarbeit, bis sie 2009 im Alter von 88 Jahren in Mount Stewart starb. Sie hatte dem Trust bereits 1976 auch das Haus mit seinen Schätzen überlassen – zusammen mit dem Vermögen für seinen Unterhalt, das die Stiftung zur Bedingung macht, bevor sie sich mit einem weiteren kostenintensiven Altbau be­lastet.

Im ehemaligen Küchengarten gedeihen heute Gemüse und Spalierobst

Das am Fluss Bush unweit der Nordküste gelegene Anwesen Benvarden ist von diesem Schritt weit entfernt. Seit 1794 ist es im Besitz der Montgo­merys, eines weiteren einflussreichen Adelsclans in Nordirland. Haus und Garten sind noch älter und gehörten einst wie Glenarm Castle den Grafen von Antrim, die 1632 erbauten, was heute nur mehr der mittlere Teil des Hauses ist.

Hugh Montgomery, der derzeitige Hausherr, ist als Großvater von sechs Enkeln ein Mann ohne Zukunftssorgen. Er und seine Frau Valerie haben den größten Teil ihres Lebens damit verbracht, Rhododendren und Rosenbüsche, über 200 Jahre alte Eichen und Bergahorne sowie die ummauerten Gärten Benvardens zu hegen, die während des Zweiten Weltkriegs verfallen waren. Die beiden Küchengärten haben ihre Wurzeln im 17. Jahrhundert. Heute gedeihen hier Gemüse und Spalierobst für den Verkauf, im Blumengarten blühen zwei Magnolien, die Montgomerys Großmutter 1949, anlässlich ihres 80. Geburtstags, pflanzte – ein Monument für die Lang­lebigkeit von Gärtnern.

Tipps & Informationen

Anreise mit Air Lingus oder Ryanair nonstop nach Dublin, weiter mit dem Mietwagen nach Belfast.

Übernachten z. B. in Belfast im Culloden Estate & Spa Hotel, DZ mit Frühstück ab 230 Euro, www.hastingshotels.com

Glenarm Walled Garden Ostern bis September, montags bis sonnabends 10 bis 17 Uhr, sonntags 11 bis 17 Uhr. glenarmcastle. com

Mount Stewart täglich von 10 bis 17 Uhr, im Winter bis 16 Uhr. Eintritt für Haus und Gärten 8,50 Pfund, private Gartenführung zusätzlich vier Pfund. nationaltrust.org.uk/mount-stewart

Benvarden Gardens, von Juni bis August täglich außer montags von 12 bis 17 Uhr. Eintritt vier Pfund.

Auskunft Irland Information, Tel. 069/ 66 80 09 50, www.ireland.com, www.tourismni. com, www. discovernorthernireland.com/gardens.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Irland Information.)