Berlin. Eheleute sollen automatisch eine gegenseitige Vollmacht für medizinische Maßnahmen bekommen – nicht aber für vermögensrechtliche Dinge.

Künftig sollen Eheleute bei medizinischen Notfällen automatisch vertretungsberechtigt sein. Der Bundestag hat das Gesetz bereits beschlossen, es fehlt aber noch die finale Zustimmung des Bundesrates. Auf dessen Initiative geht das Gesetz mit dem sperrigen Namen „Zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge“ im Wesentlichen zurück. Am 22. September oder 3. November könnte es verabschiedet werden und zum 1. Juli 2018 in Kraft treten.

Wie ist die Situation heute?

In der Bevölkerung ist die Annahme weit verbreitet, Ehepaare dürften im Notfall Entscheidungen für den selbst nicht mehr handlungsfähigen Partner treffen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Partner müssen dann erst dafür sorgen, dass sie gerichtlich zum Betreuer bestellt werden. Ein Gericht hat bei der Bestellung eines Betreuers zwar die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen der betreffenden Person zu berücksichtigen, dadurch aber ist keinesfalls gesichert, dass der Ehepartner zum Betreuer bestellt wird.

„Besonders in der ersten Zeit nach einem Unfall oder einer unerwarteten schweren Krankheit kann es für Betroffene und Angehörige eine zusätzliche erhebliche Belastung bedeuten, wenn es erst eines gerichtlichen Verfahrens auf Betreuerbestellung bedarf, um dem Ehegatten oder Lebenspartner auch in rechtlicher Hinsicht beistehen zu können“, heißt es in dem Gesetzentwurf des Bundesrates vom November 2016.

Wie konnte die Unsicherheit bisher beseitigt werden?

Über eine Vorsorgevollmacht kann eine bevollmächtigte Person für den Vollmachtgeber Entscheidungen treffen, falls dieser infolge von Krankheit oder Unfall es selbst nicht mehr kann. Wollen Ehegatten im Notfall füreinander entscheiden, müssen sie dies ausdrücklich regeln. Meist aber tun sie es nicht: Einer Forsa-Umfrage zufolge hatten im Jahr 2014 zwei Drittel der Befragten nicht geregelt, wer in ihrem Sinne schwere Entscheidungen treffen soll und wie sie im Pflegefall behandelt werden wollen.

Was plant der Gesetzgeber?

In dem vom Bundestag Mitte Mai abgesegneten Gesetzestext heißt es: Jeder Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner kann für den anderen Partner in Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder die Einwilligung versagen, wenn dieser aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung diese Angelegenheiten nicht besorgen kann. Zugleich werden Ärzte dann gegenüber Partnern von der Schweigepflicht entbunden.

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Unterm Strich handelt es sich um ein automatisches Vertretungsrecht im Bereich der Gesundheitsvorsorge. Zur Vertretung nicht berechtigt ist der Ehepartner, wenn das Paar getrennt lebt, der andere Partner einen entgegenstehenden Willen geäußert hat, eine andere Person dazu bevollmächtigt hat oder für den anderen Partner bereits ein Betreuer bestellt ist. Die Willenserklärung zur Nicht-Vertretung von Ehegatten soll wie Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hinterlegt werden.

Das vom Bundesrat ursprünglich vorgesehene Vertretungsrecht ist dabei vom Bundestag eingeschränkt worden. Entfallen ist ein Vertretungsrecht in Angelegenheiten mit vermögensrechtlichen Bezügen, wie etwa der Abschluss von Verträgen und die Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit medizinischen Leistungen, etwa auch die Unterbringung im Pflegeheim. Dafür sollen weiterhin die Betreuungsgerichte verantwortlich bleiben.

Wie sehen Patienten-, Verbraucherschützer und Ärzte das Gesetz?

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz lehnt das Gesetz grundsätzlich ab. Es könne zu Missbrauch führen und die große Bedeutung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht verschleiern, so ein Sprecher. Harsche Kritik kommt auch von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Vorstand Arno Deister bezeichnet das Gesetz als „weder notwendig noch sinnvoll“. Das Selbstbestimmungsrecht der Patienten sei gefährdet. Bund und Länder sollten sich lieber mehr anstrengen, die Bevölkerung über Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu informieren und für deren Einsatz zu werben.

Dafür plädiert auch die Stiftung Warentest. „Für alle ab dem 18. Lebensjahr, ob allein lebend, verheiratet oder in Partnerschaft, bleibt eine Vorsorgevollmacht die erste Wahl.“ Bei der Auswahl der Person, die im Sinne des Kranken entscheiden soll, sei der Ehe- oder Lebenspartner nicht immer die geeignete Person. „Es kann sinnvoll sein, erwachsene Kinder oder Freunde zu bevollmächtigen“, so die Verbraucherschützer.