Berlin. Jörn Nettingsmeier weiß alles über die Ausbildung und den Berufseinstieg von Tontechnikern. Wichtig sei es, eine Nische zu finden.

Jörn Nettingsmeier ist Vorstandsmitglied im Verband Deutscher Tonmeister (VDT). Der 41-Jährige rät angehenden Berufskollegen, sich ihre eigene Nische zu schaffen. Mit dem Tonmeister und Musiker sprach Yvonne Scheller.

Herr Nettingsmeier, was zeichnet einen guten Tontechniker aus?

Jörn Nettingsmeier: Der Beruf des Tontechnikers ist ein hoch qualifiziertes Gewerbe. Gute Tonmeister verfügen über umfassendes technisches Wissen und beherrschen die entsprechenden Geräte. Sie vermitteln dem Künstler oder Regisseur, was technisch möglich ist, und setzen dessen Wünsche entsprechend um.

Wo sind Tontechniker aktuell besonders gefragt, in welchen Bereichen sind die Berufsaussichten nicht so rosig?

Nettingsmeier: Ein Bereich, der immer wichtiger wird, ist die Konferenz- und Messetechnik. Aber auch die Spieleindustrie ist ein heißes Thema. Wir hoffen da alle auf den VR-Boom (Virtual Reality, Anm. d. Red.), obwohl hier eher Sounddesigner zum Einsatz kommen. Der Rundfunk kürzt massiv, beziehungsweise die Aufgaben werden ausgelagert, da sind die Chancen begrenzt. Das Auslagern jedoch eröffnet Chancen für Freiberufler – und davon gibt es in unserer Branche sehr viele.

Als Freiberufler in der Musikbranche muss man mit finanzieller Unsicherheit leben können, richtig?

Nettingsmeier: Leider ja. Die Perspektiven sind relativ prekär, denn der Konkurrenzkampf ist groß. Tontechniker ist kein geschützter Beruf, aber einer mit Sexappeal und dem Flair von Ruhm und Reichtum, der von den Künstlern abfärbt. Das führt zu einer Flut von schlecht oder mittelmäßig ausgebildeten Leuten und zu sinkenden Honoraren, weil sich die Leute gegenseitig unterbieten.

Mit welchen Honoraren und Gehältern kann man denn rechnen?

Nettingsmeier: Mit einer vollen Stelle am Theater verdienen Anfänger vielleicht 1500 Euro, erfahrene Praktiker etwa 3200 Euro brutto. Allerdings gibt es immer weniger volle Stellen, die werden gekürzt auf Dreiviertelstellen. Tagesgagen variieren stark. Der Durchschnitt liegt bei 230 Euro – wenn gut verhandelt wird. Altersarmut ist deshalb ein echtes Thema in unserer Branche.

Was sind die tollen Seiten des Berufs? Das Geld ist es nicht …

Nettingsmeier: Eine große Anziehung geht immer noch von Live-Veranstaltungen aus. Am Pult, also direkt am emotionalen Puls des Geschehens zu stehen, ist einfach fantastisch. Viele Tontechniker sind selbst leidenschaftliche Musiker mit einem detaillierten Verständnis der Bedürfnisse der Künstler oben auf der Bühne und tragen mit diesem Wissen wesentlich zum Erfolg bei. Denn ein Künstler, der sich ganz und gar auf den Tontechniker verlassen kann, spielt viel befreiter. Eben weil er weiß, dass da unten einer steht, der alles gibt – bis das Mischpult brennt.

Lässt sich diese Leidenschaft lernen?

Nettingsmeier: Sie lässt sich ausprobieren. Möglichst schon während der Ausbildung sollten angehende Tontechniker versuchen herauszufinden: Was kann ich, was will ich? Und das heißt ans Pult drängen, um Praxiserfahrung zu sammeln. Wobei ich mir wünschen würde, dass noch mehr Frauen ans Pult drängen würden. Der Frauenanteil ist in unserer Branche einfach zu gering. Das ändert sich zwar gerade, aber langsam. Darum: Jede weitere Frau hilft!

Was ist der beste Weg in den Beruf?

Nettingsmeier: Die dualen Ausbildungen zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik oder zum Mediengestalter Ton und Bild bieten gute Einstiegschancen. Bei Hochschulen würde ich zu staatlich anerkannten Ausbildungen raten, und je praxisorientierter, desto besser. Private Ausbildungsanbieter hatten in der Vergangenheit ein Qualitätsproblem. Das ist jedoch besser geworden, und die Zahl der profitorientierten schwarzen Schafe nimmt ab.

Und nach der Ausbildung?

Nettingsmeier: Weiterbildung ist auf jeden Fall eine gute Investition in die eigene Zukunft. Da gibt es zum Beispiel den Meister für Veranstaltungstechnik oder den Fachmeister Veranstaltungssicher­heit. Veranstaltungssicherheit ist aktuell ein wachsender Bereich. Hier können sich gerade Freiberufler ein zweites Standbein aufbauen. Wichtig ist, eine Nische zu finden. Am Anfang der Berufskarriere sollten Tontechniker breit aufgestellt sein, um flexibel auf Aufträge reagieren zu können. Dann aber sollten sie sich in einem Bereich profilieren. Denn echte Experten sind in der Branche durchaus gefragt: fantastische Tontechniker, die sich als solche einen Namen gemacht haben.

www.tonmeister.de