Berlin. Jährlich sterben in Deutschland Menschen durch Blitzschlag oder die Folgen. Um sich zu schützen, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Eines der stärksten Blitzgewitter der vergangenen Jahre tobte am 28. August 2016 über Deutschland. Das Unwetter mit Sturmböen, Blitzen und Starkregen folgte heißen Tagen und viel Sonne. Die Blitze setzten Dachstühle in Brand und ließen Bäume auf Straßen und Autos krachen. Freiluft-Konzerte fielen aus, Flüge verspäteten sich. An dem späten Sonntagnachmittag wurden innerhalb von nur 30 Minuten bundesweit 10.000 Blitzeinschläge registriert – Hamburg und Nordrhein-Westfalen bekamen die meisten ab.

Blitzartig rutschten die beiden Bundesländer an die Spitze des Blitze-Atlas – und blieben dort. Mit insgesamt jeweils 1,7 Einschlägen pro Quadratkilometer liegen sie laut der Statistik für 2016 des Blitzinformationsdienstes (Blids) der Firma Siemens im Bundesländervergleich vorn. Am Donnerstag wurde die Statistik veröffentlicht. Demnach folgt Berlin mit 1,5 Blitzen pro Quadratkilometer. Allein in der Nacht zum 24. Mai 2016 trafen bei einem starken Unwetter 400 Blitze die Hauptstadt, das ist rund ein Viertel der üblichen Jahresleistung.

Spitzenreiter mit 4,1 Blitzen pro Quadratkilometer

Die Ergebnisse sind erstaunlich, da die Blitze-Zentren normalerweise eher im Süden oder in den Mittelgebirgen liegen. Auch beim Städtevergleich gab es eine Überraschung: Hier musste der Landkreis Wesel in Nordrhein-Westfalen die meisten Blitze über sich ergehen lassen. Die Messstationen registrierten dort im vergangenen Jahr 4297 Einschläge oder eine Dichte von 4,1 Blitzen pro Quadratkilometer. Auch die umliegenden Gemeinden von Wesel liegen vorn. Mit Fürth und Hof erlebten zwei Landkreise aus dem normalerweise gewitterreichen Bayern dagegen ein erstaunlich ruhiges Jahr.

Zur Erfassung der Blitze nutzt der Dienst rund 160 verbundene Messstationen in Europa. Ein Blitz erzeugt ein starkes elektromagnetisches Feld, das Hunderte Kilometer weit messbar ist. Fünf bis sechs Antennen empfangen das Signal eines Blitzes – mit den Daten lassen sich Ort, Zeit und Stärke bestimmen. „Während es früher bis zu 30 Sekunden gedauert hat, bis Informationen zu einem Blitzeinschlag im System abrufbar waren, dauert es heute nur noch zehn“, sagt der Leiter des Blitzinformationsdienstes, Stephan Thern. „Heute können wir rund die Hälfte der Blitze auf besser als 100 Meter genau bestimmen.“

Wichtig ist langjähriger Blick auf Gewitterfront

Die Blitz-Statistik zeigt auch, dass 2016 ein blitzarmes Jahr für Deutschland war – die Zahl der im Land registrierten Boden-Blitzeinschläge ging auf 431.644 zurück – deutlich weniger als 2015, als noch 550.000 Einschläge ermittelt wurden. „Hauptgrund ist, dass im normalerweise blitzreichen August sehr wenige Gewitter zu verzeichnen waren“, sagt Stephan Thern.

Für Ullrich Finke, Physikprofessor und Blitzexperte an der Hochschule Hannover, sind die jährlichen Statistiken weniger bedeutsam als der langjährige Blick auf die Gewitterfront. Langfristig gesehen werde eher eine Häufung von Gewittern in den letzten Jahren beobachtet. „Es gibt einige Modelle, die dafür sprechen, dass sich durch die globale Erwärmung die Wetterlagen ändern und wir auch häufiger Gewitter in Mitteleuropa bekommen“, sagt Finke. „Aber um valide Aussagen zu treffen, muss man das Klima über mindestens 30 Jahre hinweg beobachten.“

Weltweit wirken die Zahlen enorm: Forschungen der Weltraumbehörde Nasa zufolge gibt es zu jedem beliebigen Zeitpunkt 2000 bis 3000 Gewitter, was auf der gesamten Erde täglich zehn bis 30 Millionen Blitze ergibt. Das sind 100 Blitze pro Sekunde, allerdings schlagen nur zehn Prozent aller in den Boden ein. Dabei liegen die Blitze-Hochburgen der Welt in den tropischen und subtropischen Regionen. „In manchen Gebieten gewittert es bald täglich. Zentralafrika, die Amazonas-Region, Indonesien und Ozeanien beispielsweise haben pro Jahr gut 200 Gewitterlagen und mehr“, sagt Blitzforscher Finke.

Jedes Jahr bis zu zehn Tote in Deutschland

Obwohl die Messungen und damit einhergehenden Warnungen deutlich besser geworden sind, geht von Blitzen nach wie vor eine große Gefahr aus. Vor allem dort, wo Felder von Hand bestellt werden. In Indien etwa kommen jährlich Tausende Menschen durch Blitze in der Monsun-Saison zwischen Juni und Oktober ums Leben – die meisten sind Bauern und Obdachlose, die von den Gewittern überrascht werden.

In Deutschland sterben im Schnitt sieben bis zehn Menschen pro Jahr an den Folgen von Blitzeinschlägen. Bei etwa der Hälfte der Blitzopfer, die überleben, treten nach Monaten bis Jahren neurologische Folgeschäden auf. Die Einschläge richten in Deutschland jährlich Sachschäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro an.

Aber was macht einen Blitz so zerstörerisch? Blitze entstehen, wenn Eis- und Wasserteilchen in den Wolken aneinanderreiben, dabei laden sie sich elektrisch auf. „Die Entladung erfolgt in Form eines Funken, den wir Blitz nennen“, sagt Finke. Das Spektakel dauere zwar nur eine Millisekunde, entfalte aber starken Strom und enorme Hitze. Ein Blitz erreicht Temperaturen von bis zu 30.000 Grad. Schlägt der Blitz in einen Baum oder feuchtes Mauerwerk ein, verdampft das Wasser darin derart abrupt, dass es zu einer explosionsartigen Spaltung kommt, wie Finke sagt.

Blitzortungssystem mit Satelliten

Besonders heftig hat es Anfang Juni des vergangenen Jahres das Musikfestival Rock am Ring getroffen. Bei einem Blitzeinschlag mitten auf dem Festivalgelände in Rheinland-Pfalz wurden 70 Menschen verletzt. Bereits 2015 hatte das Wetter der Veranstaltung übel mitgespielt, da waren bei Blitzeinschlägen 33 Rock-am-Ring-Besucher verletzt worden. „Die Gefahr ist bei Veranstaltungen unter freiem Himmel groß, wenn ein Gewitter aufzieht – Flutlichtmasten und große Konstruktionen wirken anziehend“, warnt Finke. Die Veranstalter hätten eine große Verantwortung. Allerdings: Man könne sich nicht darauf verlassen, dass es wirklich blitzt.

Um die Gefahren noch besser zu bestimmen, soll in zwei Jahren erstmals ein Blitzortungssystem mit einem Satelliten in den Weltraum geschickt werden, das Wetterdienste für die tägliche Wetterbeobachtung verwenden können. Experte Finke hat daran mitgearbeitet: „Von dem Satelliten aus wird ein Sensor die Wolken beobachten und erkennen, wenn es darin flackert.“

Unwetter toben über Deutschland

Gewitter, Starkregen und viel Wind: Über ganz Deutschland tobten am Donnerstag und in der Nacht zu Freitag schwere Unwetter. Im Norden und Osten richtete der Sturm am Donnerstag schwere Verwüstungen an, so wie hier in Schleswig-Holstein.
Gewitter, Starkregen und viel Wind: Über ganz Deutschland tobten am Donnerstag und in der Nacht zu Freitag schwere Unwetter. Im Norden und Osten richtete der Sturm am Donnerstag schwere Verwüstungen an, so wie hier in Schleswig-Holstein. © dpa | Daniel Bockwoldt
Bedrohliches Szenario: In Hamburg schob sich eine Gewitterzelle über die Stadt.
Bedrohliches Szenario: In Hamburg schob sich eine Gewitterzelle über die Stadt. © dpa | Axel Heimken
Der Sturm war so stark, dass sogar Bäume entwurzelt wurden.
Der Sturm war so stark, dass sogar Bäume entwurzelt wurden. © dpa | Daniel Bockwoldt
Totalschaden.
Totalschaden. © dpa | Daniel Bockwoldt
Mindestens zwei Menschen kamen bei dem Unwetter ums Leben: Ein 50-Jähriger wurde in der Nähe von Uelzen in Niedersachsen in einem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen. Im Kreis Gifhorn starb eine 83 Jahre alte Frau, nachdem sie mit ihrem Auto durch das Geäst eines umgestürzten Baumes gefahren war.
Mindestens zwei Menschen kamen bei dem Unwetter ums Leben: Ein 50-Jähriger wurde in der Nähe von Uelzen in Niedersachsen in einem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen. Im Kreis Gifhorn starb eine 83 Jahre alte Frau, nachdem sie mit ihrem Auto durch das Geäst eines umgestürzten Baumes gefahren war. © dpa | Julian Stratenschulte
Der Zugverkehr zwischen Hamburg und Hannover sowie Hamburg und Bremen kam zum Erliegen. In Hamburg wurde kurzerhand ein Hotelzug für gestrandete Reisende bereitgestellt.
Der Zugverkehr zwischen Hamburg und Hannover sowie Hamburg und Bremen kam zum Erliegen. In Hamburg wurde kurzerhand ein Hotelzug für gestrandete Reisende bereitgestellt. © dpa | Bodo Marks
Der Hauptbahnhof in Hamburg stand am Donnerstagabend unter Wasser.
Der Hauptbahnhof in Hamburg stand am Donnerstagabend unter Wasser. © dpa | Silas Stein
Aber auch in der Stadt ging nicht mehr viel.
Aber auch in der Stadt ging nicht mehr viel. © dpa | Peter Steffen
Mehrere Zentimeter hoch stand das Wasser.
Mehrere Zentimeter hoch stand das Wasser. © dpa | Peter Steffen
Auch Rocker blieben nicht verschont: Bei Starkregen und Sturm musste das Guns-N’-Roses-Konzert in Hannover unterbrochen werden.
Auch Rocker blieben nicht verschont: Bei Starkregen und Sturm musste das Guns-N’-Roses-Konzert in Hannover unterbrochen werden. © dpa | Nancy Heusel
Matschig geht es weiter:Die Anreisenden zum „Hurricane“-Festival wurden vom Unwetter überrascht – und mussten die Zelte im Schlamm aufbauen.
Matschig geht es weiter:Die Anreisenden zum „Hurricane“-Festival wurden vom Unwetter überrascht – und mussten die Zelte im Schlamm aufbauen. © dpa | Jörg Sarbach
Blitze zucken in Sachsen: Auch die östlichen Bundesländer und Berlin waren vom Unwetter betroffen.
Blitze zucken in Sachsen: Auch die östlichen Bundesländer und Berlin waren vom Unwetter betroffen. © dpa | Andre März
Touristen versuchten es in der Hauptstadt mit einem Regencape.
Touristen versuchten es in der Hauptstadt mit einem Regencape. © dpa | Kay Nietfeld
An den Flughäfen Schönefeld und Tegel (Foto) fielen Flüge aus oder starteten verspätet.
An den Flughäfen Schönefeld und Tegel (Foto) fielen Flüge aus oder starteten verspätet. © dpa | Paul Zinken
Der Süden Deutschlands war nach Hitzerekorden am Tag bis zum Abend verschont geblieben. In der Nacht zu Freitag zogen auch hier heftige Unwetter durch. Am frühen Morgen hob der Deutsche Wetterdienst dann viele seiner Warnungen auf.
Der Süden Deutschlands war nach Hitzerekorden am Tag bis zum Abend verschont geblieben. In der Nacht zu Freitag zogen auch hier heftige Unwetter durch. Am frühen Morgen hob der Deutsche Wetterdienst dann viele seiner Warnungen auf. © dpa | Nicolas Armer
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Schlusslicht im Blitze-Atlas 2016 ist übrigens Schleswig-Holstein. Flensburg, der nördlichste Kreis Deutschlands, liegt auch im langjährigen Vergleich hinten – mit nur 0,5 Blitzen pro Quadratkilometer. Das heißt: Dort schlägt auf einer Fläche von 1000 mal 1000 Metern nur alle zwei Jahre ein Blitz ein.