Berlin. Luftwirbel können Flugpassagiere gefährden – vor allem, wenn diese nicht angeschnallt sind. Experten erwarten mehr Probleme am Himmel.

Mitte Juni gerät eine Maschine der China Eastern Airlines in heftige Turbulenzen: 26 Menschen werden verletzt, einige erleiden Knochenbrüche und Kopfverletzungen durch herunterfallende Gepäckstücke. Wochen zuvor hatte es eine Boeing 777 der Aeroflot auf dem Weg nach Bangkok erwischt. Dabei wurde das Flugzeug so stark durchgeschüttelt, dass Passagiere gegen die Decke geschleudert wurden. Solche Meldungen sind keine Seltenheit.

Die gute Nachricht: Die allermeisten Turbulenzen sind ungefährlich. Die Angst vor wackeligen Flügen sei unbegründet, sagt Lufthansa-Pilot Markus Wahl. „Es gibt nur ganz selten Turbulenzen, wo wir sagen: Oha.“ Zumeist aber fühlten sich die Schwankungen schlimmer an, als sie seien. Wenn Passagiere glauben, die Maschine sei Hunderte Meter in ein „Luftloch“ gestürzt, so irren sie in der Regel.

Die oft genannten Luftlöcher, die eigentlich Auf- und Abwinde sind, lassen die Maschinen in den meisten Fällen nur um einige Meter absacken. „Die größte Sorge, die wir uns im Cockpit machen, ist die, dass der Kaffee in der Tasse bleibt“, sagt Wahl, der seit 14 Jahren Passagiermaschinen fliegt. Werden Piloten und Passagiere aber von „unexpected turbulences“ (unerwartete Turbulenzen) überrascht, kann es zu schweren Verletzungen kommen, wenn Fluggäste und Personal nicht angeschnallt sind. Um das Flugzeug sollte man sich indes keine Sorgen machen: „Sie sind viel belastbarer, als man sich vorstellen kann“, sagt Wahl.

Wackelig über Alpen und Äquator

Turbulenzen ergeben sich durch messbare Wetterphänomene wie Gewitter und Sturm. Die Piloten erhalten die Daten über Wetterkarten am Boden und dem Wetterradar an Bord. „Wir versuchen, Gewittergebiete möglichst weiträumig zu umfliegen, damit es nicht zu Turbulenzen oder Schäden am Flugzeug kommt“, sagt Wahl.

Auch großen Gewitterwolken (Cumulonimbus) weichen Piloten lieber aus. Dort könnten die Luftströme so brutal wirken, dass mit unkontrollierbaren Flugzuständen zu rechnen ist, außerdem droht Hagelschlag. Zu thermischen Turbulenzen kommt es aber auch dann schon, wenn Flugzeuge durch warme, aufsteigende Luft fliegen.

Regelmäßig wackelig ist es etwa über dem Äquator oder den Anden, wo die Luftmassen von Nord- und Südhalbkugel aufeinandertreffen. Auch wenn stabile Strukturen wie Berge und Bauwerke Windströmungen unterbrechen, hüpft das Flugzeug, wie es etwa über den Alpen oft der Fall ist.

Kapriolen aus heiterem Himmel

Gefährlicher sind die sogenannten ­Clear Air Turbulences (CATs), also Turbulenzen, die aus heiterem Himmel auftreten. Sie sind von Satelliten und Bordradars nicht auszumachen. Zumeist handelt es sich dabei um sogenannte Windscherungen, also plötzliche, scharfe Änderungen der Richtung und der Geschwindigkeit des Windes. Diese entstehen häufig am Rand von Jetstreams, bandförmigen Starkwinden, die sich in großen Höhen bündeln. Im Jetstream werden Windgeschwindigkeiten von bis zu 540 Kilometern pro Stunde erreicht.

Die Stärke der Verwirbelungen wird auch von Flugzeugen aufgezeichnet und anderen zur Verfügung gestellt. Ist es vertretbar, fliegen Piloten gern in die „Wind-Autobahnen“, um Rückenwind zu bekommen – und Sprit zu sparen. Um aber unangenehme Überraschungen zu vermeiden, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) etwa einen Ultraviolett-Laser entwickelt, der die CATs bis zu neun Meilen vor dem Auftreten erkennen kann – die Zeit, die Piloten brauchen, um die Route anzupassen.

Klimawandel: Es wird turbulenter in der Luft

Allerdings könnte es künftig im Flieger deutlich holpriger werden. Meteorologen der britischen Universitäten Reading und East Anglia zeigten bereits im Jahr 2013 anhand umfangreicher Klimasimulationen auf, dass sich schwere Turbulenzen bei Atlantik-Flügen bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln bis verdreifachen und in den nächsten 40 Jahren bis zu 40 Prozent stärker ausfallen können. Solche Entwicklungen hätten Folgen für Passagiere und Airlines: „Die Reisezeit könnte länger werden, Kerosinverbrauch und Emissionen zunehmen“, schreiben die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Grund dafür sei der Klimawandel. Aber daran, so ihre Meinung, sei die Branche ja mit schuld.

Während die Studie die Wirkung des Jetstreams untersucht, hält DLR-Strömungsspezialist Frank Holzäpfel auch eine andere Wirkungskette für plausibel: „Die Klimaerwärmung führt zu mehr Konvektion, also dem vertikalen Aufstieg heißer Luft – das führt dann naturgemäß zu mehr Gewittern und thermischer Turbulenz.“

Wirbelschleppen: Landung ist kritischste Phase

Am 7. Januar 2017 schickte die von einem Airbus A380 verursachte Turbulenz einen Businessjet über dem Arabischen Meer in einen 3000-Meter-Sturzflug. Die Folge waren schwere Verletzungen der Passagiere und nichtreparable Schäden am Flugzeug. Die Untersuchungen des Bundesamtes für Flugunfalluntersuchung sind noch nicht abgeschlossen. Offenbar löste aber eine von dem großen Jumbo verursachte Wirbelschleppe die Turbulenzen aus.

Wirbelschleppen (Englisch: wake turbulence) entstehen hinter jedem fliegenden Flugzeug. Es handelt sich um gegenläufig drehende Luftwirbel, die sich von den Tragflächen und Flügelspitzen der Maschinen ablösen. Strömungsexperte Holzäpfel zufolge können sie Geschwindigkeiten von 25 bis 100 Meter pro Sekunde erreichen: „Die größte Gefahr ist, dass ein kleineres, nachfolgendes Flugzeug dadurch um die Längsachse gerollt wird.“ Auf kleineren Sportflughäfen, wo viel Betrieb herrscht, habe es aufgrund von Wirbelschleppen schon mehrere Unfälle gegeben – auch tödliche.

Auch im dynamisch wachsenden Luftreiseverkehr mit Superjumbos und Cityhoppern machen die Luftwirbel Probleme. „Die kritischste Phase ist die Landung“, sagt Holzäpfel. Wirbelschleppen seien einer der Gründe dafür, warum Piloten kurz vor dem Aufsetzen noch einmal durchstarten.