Omisalj. In der Kvarner Bucht vor der kroatischen Küste lernen Touristen auf geführten Touren Land und Leute kennen. Die besten Inseltipps.

Das Müsli schaukelt von einer Seite der kleinen Schale zur anderen. Hin und wieder zurück. Die Wellen an diesem regnerischen, stürmischen Morgen in der Kvarner Bucht knallen frontal gegen den Bug der Motoryacht „Andela Lora“. Dass einigen Passagieren nicht so wohl ist, sie dick eingemummelt an Deck sitzen und starr auf den Horizont blicken, liegt am „Jugo“ – der Südwind bringt die Adria mit seinen sieben Windstärken ordentlich zum Schaukeln. Der Anblick der zwei Delfine, die neben dem Boot aus dem Wasser springen, ist ein Trost an diesem nasskalten Morgen und lenkt vom Unwohlsein ab.

Die „Andela Lora“ kämpft sich auf ihrer gut vierstündigen Überfahrt von Omisalj, einem Hafenort auf der Insel Krk, durch Schaumkronen zur Insel Cres. Ohne Sturm geht die Überfahrt eine Stunde schneller. „Jetzt beginnt die Raftingtour“, sagt einer der Passagiere. Kaltes Nordseewetter statt milder Mittelmeerluft. Das Wetter bestimmt die Reise des schwimmenden Hotels. Schwarzer Tee mit Ingwer ist das beliebteste Getränk, weil er schön wärmt.

36 Gäste passen auf die 40 Meter lange „Andela Lora“. Sie ist eines der größten Schiffe der kroatischen Flotte von „Inselhüpfen“ und trägt die Auszeichnung „Deluxe“. Luxuriös, das wird in den kommenden Tagen klar, sind nicht so sehr die Kabinen, weil sie nicht richtig warm werden wollen, dafür aber das Abendessen, das Doris Vlah, eine kroa­tische Fernsehköchin, täglich zubereitet. Gegessen wird in großer Runde an zwei Tischen. Geselligkeit pur.

Bei Regen geht es auch mal mit Minibussen über die Inseln

Inselhüpfen in Kombination mit Radfahren steht auf dem Programm. An eine Radtour ist heute allerdings nicht zu denken, ­also basteln Senad Filipovic und die anderen Fahrradguides Petra, Sascha und Mirna ein Alternativprogramm. Sie sind gut im spontanen Umorganisieren. Senad spricht perfekt Deutsch. Als Zehnjähriger war er vor dem Jugoslawien-Krieg von Bosnien-Herzegowina nach Deutschland geflohen und mit ­seiner Familie im ostfriesischen Gro­ßenfehn bei Aurich gelandet. Dort hat der 32-Jährige die Sprache gelernt.

Von April bis Oktober arbeitet der studierte Archäologe bei Inselhüpfen. Dabei steht er gar nicht so sehr aufs Fahrradfahren, sagt er und lacht. „Ich betreue Menschen, die Urlaub machen, entspannt sind und gute Laune haben.“ Ja, es gibt unangenehmere Jobs.

Abends auf der Insel Cres.
Abends auf der Insel Cres. © Getty Images | Dragos Cosmin photos

Die Gruppen sind international und bunt zusammengewürfelt. Gut ist die Stimmung auch in den Minibussen, mit denen es quer über die Insel Cres geht. Noch ist das Wetter zu schlecht für eine Radtour. Wir fahren vorbei am Süßwassersee Vrana, dessen Oberfläche höher liegt als der Meeresspiegel. Im Norden der Insel gibt es Wälder mit Eichen, Kastanien und Ulmen. Richtung Süden wird die Vegetation mediterraner – mit kargen Weideflächen und dichter Macchia. Die Fahrt über schmale Landstraßen mit Steinwällen rechts und links und dem vielen Grün erinnert an England. Schafe und der Regen erst recht.

Hier gibt es sehr gute Bedingungen für Lämmer

„Moje, moje!“, ruft Ivan Mlacovic. Der Mann steht in Jeans, Wetterjacke und Gummistiefeln auf einer Weidefläche und ruft nach seinen rund 70 Schafen. „Moje“ heißt „meine“, und tatsächlich wissen seine Tiere, wem sie gehören, und kommen aus den Büschen angerannt. Wie zur Begrüßung blöken sie lautstark. Sie wissen, dass „Chefiza“, ihr Boss, trockenes Brot als Leckerli dabeihat. „Die Schafhaltung hat auf Cres eine lange Tradition“, sagt Mlacovic, der in seiner „Konoba Juna“ (einem Restaurant) in Valun Lammspezialitäten anbietet. Bessere Bedingungen als hier in der Natur haben die Lämmer wohl kaum.

Mlacovic schlachtet selbst, lange Transportwege fallen weg. Seine beiden Zicklein, die er zu Hause hält, könnte er allerdings niemals schlachten. „Keine Chance, das bringe ich nicht übers Herz“, sagt der kräftige Mann und wirkt auf einmal ganz sanft. „Meine Schafe werden bis zu 17 Jahre alt“, sagt er sehr stolz. Normalerweise leben die Inselschafe etwa neun Jahre. Sorgen bereiten ihm allerdings die Wildschweine. Die Population ist so stark gestiegen, dass sie seine Existenz gefährdet. Im vergangenen Jahr verlor er zehn Lämmer und zwei Geißen an Keiler.

Eine Österreicherin häkelt Einkaufsnetze aus Wollresten

Das Problem mit den Wildschweinen kennt auch Claudia Heckl. Die Österreicherin lebt mit ihrem kroatischen Mann ein paar Meter weiter. Sie halten ebenfalls Schafe. Anders als ihr Nachbar, der Restaurantbesitzer, haben sich die beiden neben dem Lammfleisch noch aufs „Vernetzen der Welt“ spezialisiert: Frau Heckl häkelt im Winter kleine Einkaufsnetze aus Wollresten. Seit 2014 gingen 600 ihrer Netze, alles Unikate, hinaus in die Welt.

Der kleine Ort Bodol, in dem das Paar lebt, bietet mit seinen fünf ­Einwohnern wenig Abwechslung, also holen sie sich die Welt nach Hause. Claudia Heckl registriert jedes einzelne Netz mit einer Nummer, und wer solch eine Tasche kauft, ist aufgefordert, ein Foto mit dem Netz im Heimatland zu machen und zurückzuschicken. Einige Fotobücher kann sie mit diesen Aufnahmen bereits füllen.

Die Österreicherin lockt vorbeikommende Radfahrer mit einer weiteren Spezialität: hausgemachtes Feigen­eis am Zweig. Die Früchte kommen aus dem eigenen Garten. „Das sind wahre Vitaminbomben“, sagt Frau Heckl. Erfrischend schmeckt es auch noch.

Mit dem Fahrrad kommt man der Natur in Istrien viel näher

Auf der kleinen Insel mit 3500 Einwohnern gehen nicht nur gehäkelte Netze in alle Welt, hier ist auch die Heimat von Zwergen mit roten Zipfel­mützen. Und so filzt die Modedesignerin Vesna Jakic in ihrer Werkstatt in Cres-Stadt aus Wolle mit den Inselkindern rote Zipfelmützen – angelehnt an überlieferte Kindergeschichten über Macmalic, die guten Waldelfen.

So schön entspannt es ist, die Insel zu erkunden und Menschen wie Herrn Mlacovic zu besuchen, Lammfleisch zu essen und Claudia Heckl und Vesna Jakic kennenzulernen – als endlich die Sonne herauskommt, der Himmel blau ist und die Gruppe nach einer Überfahrt nach Rabac auf dem Festland auf die ­Räder kommt, ist es da, dieses Gefühl, Istrien viel näherzukommen – vom Trekkingbike, E-Bike oder Mountainbike aus, je nach Können und Wunsch.

Vom Fahrrad aus lässt sich viel besser in die Landschaft eintauchen. Das schlechte Wetter, die wackelige Überfahrt, als der Jugo geblasen hat, sind vergessen. Dass das Wasser der Adria unter dem blauen Himmel und der Sonne türkis schimmert, war in den vergangenen grauen Tagen kaum vorstellbar.

Eine einstige Bahntrasse ist nun ein 123-Kilometer-Radweg

Es geht auf die Parenzana, einen Schotter-Radweg auf der Trasse der ehemaligen Parenzana-Bahn. 123 Kilometer vom italienischen Triest bis ins kroatische Porec verläuft die Strecke. 32 Kilometer reichen aber auch für eine nette Radtour. Die Mountainbiker aus der Gruppe haben hier ebenso ihren Spaß wie die Trekking- und E-Bike-Fahrer. 1902 wurde die Zugverbindung eröffnet, sie sollte das damals österreichische Istrien mit Wien verbinden. 1935 schlossen die Italiener die Parenzana-Bahn wieder, weil sich mit dem zunehmenden Autoverkehr die langsame Schmalspurbahn nicht mehr lohnte.

Den Schotter meistern die Mountainbiker sowieso. Aber auch auf dem Trekkingbike ist die Strecke kein Pro­blem. Groznjan liegt auf dieser Strecke durch die hügelige grüne Landschaft. Die Toskana Kroatiens wird dieser Teil Istriens auch genannt. Das kleine, in der Vorsaison verschlafene Städtchen ist ein Künstlerort. In den Erdgeschoss­läden verkaufen Kunsthandwerker ihre Bilder, Skulpturen, ihren Schmuck und Postkarten. Im Sommer quetschen sich hier Busladungen von Touristen durch die Gassen mit dem Kopfsteinpflaster.

Was zählt, ist der Moment

Weiter geht es nach Livade, das Ziel der etwa dreistündigen Tour. Glück hat, wer ein E-Bike für die steilen Anstiege hat. Nichts ist während dieser Tour frustrierender als die E-Bike-Fahrer, die einen bergauf mühelos überholen und einem freundlich zulächeln. Aber die Mühsal wird mit einer rasanten, bestimmt sechs Kilometer langen Abfahrt auf einer ruhigen, kurvenreichen Straße belohnt. In Livade gibt es zur Belohnung im Restaurant „Zigante“ Trüffelspezialitäten. Zigante tartufi ist der größte Trüffelexporteur aus Kroatien – der Fund eines 1,3 Kilo schweren Weltrekord-Trüffels machte Livade zu einem weltbekannten Trüffelort.

Der Abschluss dieses perfekten Tages ist der Abend an Bord der „Andela Lora“. Köchin Doris Vlah hat am Ende der Reise die irgendwie obligatorische Balkanplatte zubereitet, dazu die Fachsimpeleien und Abenteuergeschichten der Radfahrer. „Der Wind ist ein Ar. . .“, sagt David aus Göttingen, der ja tagelang wegen des Jugos darauf warten musste, ehe er mit seinem Mountainbike die Parenzana entlangfahren konnte. Sein Gesicht ist rot, er ist euphorisch und sehr, sehr glücklich. Auch wenn er sich bei einem Manöver eine Rippe geprellt hat. Sturm, Regen, Kälte? War da was? Was zählt, ist der Moment.

Tipps & Informationen

• Anreise: z. B. mit dem Auto über München, Salzburg, Villach, Ljubljana, Rijeka bis Krk sind es etwa 1150 Kilometer. Direktflüge von Berlin nach Zagreb z. B. mit Croatia Airlines, Eurowings oder Lufthansa. Vom Flughafen Zagreb dauert der Sammeltransfer nach Omisalj noch einmal ungefähr eineinhalb Stunden.

• Übernachtung: z. B. im Hotel Adriatic in Omisalj, Zagradi 39, 51513 Omisalj, Telefon: 0038/5/518 42 126. Doppelzimmer mit Frühstück ab ca. 60 Euro.

• Schiffsreisen: Die Tour durch die Kvarner Bucht ab Omisalj und zurück (ca. 175 km) dauert acht Tage und kostet ab 990 Euro. Von Mai bis Oktober. Auch andere Anbieter wie natours.de oder radundschiffsreisen.de haben Touren in dem Gebiet im Programm.

• Auskunft sowie weitere Schiffstouren unter www.inselhuepfen.de.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Inselhüpfen.)