Berlin. Das, was wir vermeintlich als Chlorgeruch aus Schwimmbädern kennen, ist gar nicht das Chlor. Denn das ist in Wirklichkeit geruchslos.

Chlor dient im Schwimmbad zur Desinfektion, es soll Krankheitserreger sicher und schnell abtöten. Eigentlich ist es geruchlos. Doch in Verbindung mit Harnstoff bekommt Chlor seinen typischen Geruch. Urin im Badewasser: Wie viel ist drin? Und wie kriegt man ihn wieder raus? Experten für Wasserhygiene, Bäderbetriebe und Mediziner geben Antworten.

Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet die Betreiber von öffentlichen Bädern, dafür zu sorgen, dass Gäste durch die Benutzung nicht krank werden. Wie viel Chlor ins Wasser darf oder muss, regelt DIN 19643. Standard sind 0,3 bis 0,6 Milligramm pro Liter Wasser, vorübergehend darf die Chlor-Konzentration – um einer höheren Keimbelastung Herr zu werden – auf bis zu 1,2 Milligramm erhöht werden.

Nicht nur Urin ist das Problem

Das Problem mit Chlor ist, dass es besonders reaktiv ist: Es geht schnell Verbindungen mit anderen Stoffen ein. Im Badewasser verbindet sich Chlor mit Harnstoff, Urin, Schuppen oder Schweiß zu Trichloramin, das sehr stark riecht. Das, was wir vermeintlich als Chlorgeruch aus Hallenbädern kennen, ist also nicht das Chlor, sondern die Verbindung, die aus der Reaktion von Chlor plus Harnstoff hervorgeht, wie Alexander Kämpfe erklärt, Fachgebietsleiter für Schwimm- und Badebeckenwasser beim Umweltbundesamt (UBA): „Wenn es stark nach Chlor riecht, heißt das, dass viel Harnstoff ins Wasser eingetragen wurde.“

Wie kommt so viel Harnstoff ins Badewasser? Ein Teil ist tatsächlich Urin: von Pipi machenden Kleinkindern, inkontinenten Älteren oder Schwimmern, die zu faul sind, zur Toilette zu gehen. Ein paar Tropfen verliere auch jede gesunde Blase nebenbei beim Schwimmen, erklärt Jörg Rosbach von den Frankfurter Bäder-Betrieben.

Harnstoff ist natürlicher Bestandteil gesunder Haut

Eine nicht zu vernachlässigende Menge Harnstoff kommt aber nicht aus der Blase, sondern von der Körperoberfläche. Harnstoff ist ein natürlicher Bestandteil gesunder Haut. Er sorgt dafür, dass die Haut feucht und geschmeidig bleibt. Beim Schwimmen wird der Harnstoff von der Haut abgewaschen. Im Verhältnis zum Wasserlassen ist das zwar wenig, aber die Masse der Schwimmer kommt zusammen auf hohe Werte. „Einmal ins Becken zu pinkeln, trägt etwa sechs Gramm Harnstoff ins Becken ein“, erklärt Kämpfe. „Das entspricht der Menge von fast 40 Badenden, die den Harnstoff nur über die Haut eintragen.“

Das Umweltbundesamt hat es genau ausgerechnet: Pro Badegast gelangen durchschnittlich 0,16 Gramm Harnstoff ins Wasser. Je mehr Harnstoff, desto mehr Trichloramin, desto mehr Schwimmbadgeruch. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten in einem Kubikmeter Hallenbadluft nicht mehr als 0,5 Milligramm Trichloramin enthalten sein.

Vor dem Schwimmen duschen

Wie reduziert man die Belastung? Die wichtigste Regel – außer zur Toilette zu gehen – lautet: vor dem Schwimmen duschen. Die meisten Menschen duschen nach dem Schwimmen, vermeintlich um das Chlor von der Haut zu waschen. Dabei ist es vorher viel wichtiger. „Gründliches Duschen entfernt 75 bis 97 Prozent des Harnstoffs“, informiert das Umweltbundesamt.

2014 haben US-Wissenschaftler eine Methode entwickelt, Becken-Pinkler in flagranti zu ertappen. Gibt man Zink-Ionen ins Wasser, verbinden sie sich mit einem Nebenprodukt von Urin und Fäkalien. Es entsteht ein Stoff, der unter Schwarzlicht leuchtet.

„Wenn es riecht, ist was faul“

Die Methode sei damals „kontrovers diskutiert“ worden, sagt Alexander Kämpfe vom Umweltbundesamt. Man wende sie aus ethischen Gründen nicht an – unter anderem, um inkontinente Menschen nicht zu diskriminieren.

Und wie kann ein Besucher erkennen, ob das Schwimmbad seinen Wasserreinigungspflichten auch nachkommt? Experte Rosbach: „Wenn Sie das Schwimmbad schon im Eingang riechen, dann ist was faul.“