Berlin. Die Stiftung Warentest hat Fahrradhelme geprüft. Viele von ihnen schützen auch Stirn und Schläfe. Qualität muss dabei nicht teuer sein.

Laut Statistischem Bundesamt sind 2015 mehr als 78.100 Radfahrer bei Unfällen verletzt worden, 14.230 davon schwer, 383 wurden getötet. Gerade bei schweren Unfällen ist überwiegend der Kopf betroffen, wie Stefan Schulz-Drost, Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, bestätigt. Das deckt sich mit den Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Laut Trauma-Register sind über 70 Prozent der nach Unfällen in Lebensgefahr schwebenden Radler schwer am Kopf verletzt.

Diese Statistiken wie auch eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) sprechen dafür, sich beim Radfahren mit einem Helm zu schützen. Gemeinsam mit dem Institut für Rechtsmedizin München und der Universitätsklinik Münster hatte die UDV herausgefunden: Fahrradhelme können die meisten lebensbedrohlichen Kopfverletzungen verhindern oder mildern – wenn auch mit der Einschränkung, dass der Schutz bei Kollisionen mit Autos an Grenzen stoße.

Nur 18 Prozent tragen einen Helm

Wirklich angekommen sind diese Zahlen und eine entsprechende Helmempfehlung der DGU aber nicht. Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) trugen im Jahr 2015 insgesamt 18 Prozent der Radfahrer einen Helm. Eine Ausnahme bildeten nur die sehr kleinen Verkehrsteilnehmer: Von den sechs- bis zehnjährigen Radlern sind gut drei Viertel (76 Prozent) mit Kopfschutz unterwegs. Hier legen offenbar die Eltern Wert auf diesen Schutz, während in den Altersgruppen 31 bis 40 Jahre, 41 bis 60 Jahre und ab 61 Jahren die Helmquote bei nur 14, 20 und 18 Prozent liegt.

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    Was genau Erwachsene davon abhält, einen Helm zu tragen, ist unklar. An der Qualität jedenfalls dürfte es nicht liegen. Denn moderne Fahrradhelme werden immer bequemer und sicherer. Zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt die Stiftung Warentest (5/2017) und stellt fast der Hälfte der 15 aktuell geprüften Modellen eine gute Gesamtnote aus. Damit schnitten sie deutlich besser ab als noch beim letzten Test vor zwei Jahren. Damals gaben die Tester nur drei von 18 getesteten Modellen das Prädikat „gut“.

    Grund für das schlechte Abschneiden vor zwei Jahren war eine Erweiterung des Testverfahrens über die Norm hinaus: Erstmals hatte Stiftung Warentest gemeinsam mit dem ADAC auch den Schutz der besonders gefährdeten Kopfpartien Stirn und Schläfen überprüft. Mit dem Ergebnis: Zahlreiche Helme boten hier zu wenig Schutz und erhielten deshalb schlechtere Noten.

    Testverfahren über Norm erweitert

    Laut DIN-Norm EN 1078 müssen Fahrradhelme etwa den Kopf vor einem Aufschlag auf ebener Fläche mit einer Geschwindigkeit von bis zu 19,5 Kilometern pro Stunde schützen. Um den Test noch praxisnäher zu gestalten, erweiterten die Tester in diesem Jahr das Verfahren erneut. Neben dem Schutz von Stirn und Schläfe untersuchten sie diesmal auch den Sturz auf eine schiefe Ebene und ob der richtige Sitz des Helms etwa durch tief hängende Äste beeinträchtigt werden kann.

    Für Unfallforscher ist die Sache klar: Helm beim Radfahren wird dringend empfohlen.
    Für Unfallforscher ist die Sache klar: Helm beim Radfahren wird dringend empfohlen. © action press | imagebroker.com

    Im Vergleich zum Test 2015 haben viele Hersteller den Angaben zufolge vor allem im Bereich der Schläfe nachgebessert und die Helme entsprechend tiefer gezogen. Die beiden besten Modelle – Activ 2 von Casco (Note: 1,7/Preis: 80 Euro) und Pacer von Cratoni (Note: 1,8/Preis: 60 Euro) – konnten dadurch sogar ein „sehr gut“ in der Rubrik „Schutz vor Kopfverletzungen“ verbuchen – mangelhaft war in dieser Kategorie keines der Modelle. Der günstigste Helm mit der Gesamtnote „gut“ kostete 55 Euro, und selbst das etwa 30 Euro teure Modell BH 500 von Decathlon bekam noch das Gesamturteil „befriedigend“.

    „Schläfenregion spielt eine besondere Rolle“

    Der verbesserte Schutz der Schläfen ist auch aus Sicht von Unfallchirurgen begrüßenswert: „Die Schläfenregion spielt eine besondere Rolle. Denn hier verläuft eine dichte Gefäßversorgung. Wenn es in diesem Bereich zu einem Knochenbruch kommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gefäße wie etwa eine Schlagader verletzt werden, sehr groß. Und das kann wiederum zu gefährlichen Einblutungen führen, die auf das Hirn drücken und es so schädigen“, sagt Stefan Schulz-Drost. Auch die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) rät deshalb zu einem Helm, der an beiden Schläfen bis weit über die Wange und die Ohren reicht.

    Selbst aus ergonomischer Sicht spricht vieles für die modernen Helme: So stellte die Stiftung Warentest den getesteten Modellen überwiegend gute und sehr gute Noten im Bereich Tragekomfort und Belüftung aus, moderne Helme seien durchaus bequem. Letztlich aber gilt aus Sicht der Medizin: Selbst ein älterer Helm ist besser als keiner. Schulz-Drost: „Wir sehen in unserem Alltag viele Opfer, die besser einen Helm getragen hätten und nun schlimme Folgen davontragen.“