Berlin. Hitzestress als Folge der globalen Erwärmung. Forscher sind weltweit in Sorge um Riffe. Das Great Barrier Reef ist besonders betroffen.

Korallen haben 400 Millionen Jahre Veränderungen auf der Erde überlebt. Nun melden Wissenschaftler die schlimmsten je registrierten Massensterben. Besonders betroffen ist das Great Barrier Reef in Australien: Zum ersten Mal verzeichnen Forscher eine Korallenbleiche, die über einen Zeitraum von zwei Jahren andauert. Die Sorge scheint groß: Die Unesco wird offenbar im Juli entscheiden, ob das Great Barrier Reef als Weltnaturerbe als gefährdet eingestuft werden soll, heißt es in Fachkreisen. Die Lage vor Ort beschreibt der australische Journalist Crispin Hull eindringlich in einem Text nach einem Tauchgang, der ihm das Ausmaß vor Augen geführt hat.

„Korallen sind besonders empfindliche Ökosysteme, wir zählen sie auch zu den Kipp-Elementen des Erdsystems“, sagt Katja Frieler, Wissenschaftlerin des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Neben Überfischung, Verschmutzung und Tourismus gilt der menschengemachte Klimawandel als Bedrohung.

Kalkbildung der Korallen

Zum einen nehmen die Meere CO2 auf und versauern – was die Kalkbildung der Korallen verhindert. Zum anderen: Die globale Erwärmung lässt die Wassertemperaturen ansteigen und löst so Korallenbleichen aus. Korallen sind keine Pflanzen, sondern Nesseltiere, lebende Organismen. Auf Gedeih und Verderb leben sie mit den Zooxanthellen zusammen – winzige Algen, die sich in der Außenhaut des Korallenpolypen ansiedeln.

Das Great Barrier Reef ist in Gefahr

Die Hiobsbotschaften mehren sich seit Monaten: Etliche Korallenbänke am Great Barrier Reef haben ihre lebensspendenden Algen verloren.
Die Hiobsbotschaften mehren sich seit Monaten: Etliche Korallenbänke am Great Barrier Reef haben ihre lebensspendenden Algen verloren. © dpa | Tory Chase/Arc Centre Of Excelle
Das Great Barrier Reef in Australien ist das größte Korallen-Ökosystem der Welt. Es besteht aus rund 3000 einzelnen Riffen und 900 Inseln und zieht sich über 2300 Kilometer entlang der Ostküste Australiens. Es hat in diesem Jahr die schlimmste je erfasste Korallenbleiche zu verkraften.
Das Great Barrier Reef in Australien ist das größte Korallen-Ökosystem der Welt. Es besteht aus rund 3000 einzelnen Riffen und 900 Inseln und zieht sich über 2300 Kilometer entlang der Ostküste Australiens. Es hat in diesem Jahr die schlimmste je erfasste Korallenbleiche zu verkraften. © REUTERS | REUTERS / DAVID GRAY
Das Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens muss bereits das zweite Jahr in Folge eine Korallenbleiche verkraften.
Das Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens muss bereits das zweite Jahr in Folge eine Korallenbleiche verkraften. © REUTERS | HANDOUT
In einer 700 Quadratkilometer großen Region im nördlichen Teil des mehr als 2300 Kilometer langen Riffs seien zwei Drittel der Korallen abgestorben, manche Korallenbänke hätten gar keine lebenden Korallen mehr, bilanzieren Wissenschaftler der James-Cook-Universität.
In einer 700 Quadratkilometer großen Region im nördlichen Teil des mehr als 2300 Kilometer langen Riffs seien zwei Drittel der Korallen abgestorben, manche Korallenbänke hätten gar keine lebenden Korallen mehr, bilanzieren Wissenschaftler der James-Cook-Universität. © dpa | -
Diese Aufnahme stammt von der Nasa – fotografiert von der ISS am 15. Oktober 2015.
Diese Aufnahme stammt von der Nasa – fotografiert von der ISS am 15. Oktober 2015. © dpa | Nasa
Bislang lagen zwischen den Bleichen am Great Barrier Reef immer einige Jahre, in denen sich das Riff erholen konnte. Nach Angaben von Experten sind dazu normalerweise fünf Jahre erforderlich.
Bislang lagen zwischen den Bleichen am Great Barrier Reef immer einige Jahre, in denen sich das Riff erholen konnte. Nach Angaben von Experten sind dazu normalerweise fünf Jahre erforderlich. © dpa
Im Great Barrier Reef gibt es mehr als 600 Korallenspezies und Tausende Fischarten,Weichtiere und Schwämme, Seeschlangen, Wale, Delfine, Haie und Dugongs (Seekühe).
Im Great Barrier Reef gibt es mehr als 600 Korallenspezies und Tausende Fischarten,Weichtiere und Schwämme, Seeschlangen, Wale, Delfine, Haie und Dugongs (Seekühe). © dpa | Dan Peled
Als Bleiche wird ein Verblassen der farbenprächtigen Steinkorallen bezeichnet: Bei zu hohen Wassertemperaturen stoßen die Nesseltiere die für die Färbung sorgenden Algen ab, mit denen sie sonst in einer Gemeinschaft zu gegenseitigem Nutzen leben. Ohne die sogenannten Zooxanthellen können sie aber auf Dauer nicht überleben – sie sterben ab, wenn sich die Algen nicht binnen einiger Wochen oder Monate wieder ansiedeln.
Als Bleiche wird ein Verblassen der farbenprächtigen Steinkorallen bezeichnet: Bei zu hohen Wassertemperaturen stoßen die Nesseltiere die für die Färbung sorgenden Algen ab, mit denen sie sonst in einer Gemeinschaft zu gegenseitigem Nutzen leben. Ohne die sogenannten Zooxanthellen können sie aber auf Dauer nicht überleben – sie sterben ab, wenn sich die Algen nicht binnen einiger Wochen oder Monate wieder ansiedeln. © dpa | Greg Torda/Arc Centre Of Excelle
Klimawandel, Schifffahrt, Fischerei, Erosion, Stürme und der Abfluss von Dünger und Pestiziden aus intensiver Landwirtschaft bedrohen das Riff. Die Korallendecke ist seit 1985 um die Hälfte geschrumpft.
Klimawandel, Schifffahrt, Fischerei, Erosion, Stürme und der Abfluss von Dünger und Pestiziden aus intensiver Landwirtschaft bedrohen das Riff. Die Korallendecke ist seit 1985 um die Hälfte geschrumpft. © dpa | Greg Torda/Arc Centre Of Excelle
Das Great Barrier Reef steht seit 1981 auf der Liste der Weltnaturerbestätten der UN-Kulturorganisation Unesco, es ist eine der größten Touristenattraktionen Australiens.
Das Great Barrier Reef steht seit 1981 auf der Liste der Weltnaturerbestätten der UN-Kulturorganisation Unesco, es ist eine der größten Touristenattraktionen Australiens. © dpa | JAMES COOK UNIVERSITY/APP
Die Unesco hat allerdings mit dem Entzug dieses Status’ gedroht, falls die australische Regierung nicht mehr unternehme, um die Einzigartigkeit der Region zu erhalten. Sie verlangt regelmäßige Berichte über die Fortschritte.
Die Unesco hat allerdings mit dem Entzug dieses Status’ gedroht, falls die australische Regierung nicht mehr unternehme, um die Einzigartigkeit der Region zu erhalten. Sie verlangt regelmäßige Berichte über die Fortschritte. © REUTERS | DAVID GRAY
Neben dem Klimawandel habe im Jahr 2016 das Wetterphänomen El Niño den Riffen zugesetzt, erklären Experten: Es habe die Temperaturen zusätzlich steigen lassen.
Neben dem Klimawandel habe im Jahr 2016 das Wetterphänomen El Niño den Riffen zugesetzt, erklären Experten: Es habe die Temperaturen zusätzlich steigen lassen. © REUTERS | DAVID GRAY
Die Region zwischen dem nördlichsten Teil der Ostküste und Papua-Neuguinea war bislang der intakteste Teil des Riffs. „Die Region war von den Bleichen 1998 und 2002 nur wenig betroffen, aber dieses Mal sind die Schäden groß“, sagt Korallenforscher Terry Hughes.
Die Region zwischen dem nördlichsten Teil der Ostküste und Papua-Neuguinea war bislang der intakteste Teil des Riffs. „Die Region war von den Bleichen 1998 und 2002 nur wenig betroffen, aber dieses Mal sind die Schäden groß“, sagt Korallenforscher Terry Hughes. © dpa | Andreas Dietzel/Arc Centre Of Ex
Die Rückkehr endgültig abgestorbener Korallen könne zehn bis 15 Jahre dauern – wenn es keine weiteren Störungen gebe.
Die Rückkehr endgültig abgestorbener Korallen könne zehn bis 15 Jahre dauern – wenn es keine weiteren Störungen gebe. © REUTERS | HANDOUT
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Die Zoox­anthellen sind einzellige Lebensformen. Mit dem Wasser und dem Kohlendioxid, das der Polyp ausscheidet, betreiben sie Photosynthese – Sauerstoff und Glukose entstehen. Korallen brauchen diese Stoffe zum Überleben, im Gegenzug liefern sie den Zooxanthellen lebenswichtige Nährstoffe.

Zu hohe Wassertemperaturen

Millionen Algenzellen siedeln auf wenigen Quadratzentimetern. Sie geben den Korallen ihre Farbe. Bei hohen Wassertemperaturen aber werden die Algen giftig, die Korallen stoßen sie ab und verlieren ihre Farbe. Sie werden schneeweiß und sterben. Die erste globale Korallenbleiche trat 1998 auf. 16 Prozent der Korallen weltweit starben. „Riffe brauchen mindestens fünf Jahre, um sich zu erholen“, sagt Katja Frieler.

Sie hat 2012 in einer Studie errechnet, wozu Wärmestress an 2160 Riffstandorten weltweit führen kann: „Mithilfe von Klimasimulationen und der heutigen Temperaturempfindlichkeit der Korallen konnten wir so abschätzen, dass selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad der Großteil der Korallenriffe weltweit schon innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre von schweren Schäden betroffen sein könnte“, sagte sie unserer Redaktion. „Dieses Zeitfenster könnte zu kurz für mögliche Anpassungsmechanismen der Korallen sein.“