Berlin. Für Scheidungskinder kann Weihnachten zum Problem werden. Ein Familientherapeut erklärt, worauf die getrennten Eltern achten sollten.

Weihnachten, das Fest der Liebe. Der Spruch, den die Werbeindustrie seit Jahrzehnten gekonnt für sich beanspruchen zu weiß, wird für etliche Scheidungs- und Patchworkfamilien zur alljährlichen Zerreißprobe. Denn besonders Kinder leiden darunter, wenn sich beide Elternteile nicht mehr verstehen und sie das Fest darüber hinaus noch an unterschiedlichen Orten feiern müssen.

Doch wie sollen sich getrennte Elternteile in der besinnlichsten Zeit des Jahres verhalten? Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Familientherapeut Peter Kaiser von der Universität Vechta, worauf sie achten sollten, um ihren Kindern trotz schwieriger Familiensituation ein komplikationsfreies Weihnachtsfest zu ermöglichen.

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    Situation kann für Kinder komplex sein

    Wie wirkt sich Weihnachten auf die Psyche von Scheidungskindern aus?

    Prof. Peter Kaiser: Wenn die Elternteile bereits neue Partnerschaften mit neuem Nachwuchs haben, ist die Situation für die Kinder sehr komplex. Vor allem an Weihnachten macht sich das bemerkbar, wenn man mit allen Angehörigen Kontakt haben will, es aber kein gemeinsames Fest gibt. Das kann zu Terminproblemen und Fehlern bei der Abstimmung führen, weil sich jeder mit erster Priorität behandelt fühlen und niemand nach hinten rutschen will.

    Was ist, wenn es Streitereien zwischen den Elternteilen gibt?

    Kaiser: Das Kind kann in Loyalitätsschwierigkeiten kommen, wenn ein Elternteil übel nimmt, dass das Kind mit beiden das Fest feiern will.

    Wie sollen sich die Kinder dann verhalten?

    Kaiser: Es ist wichtig, dass sie genügend Abstand finden. Dass sie sich sagen, dass das die Probleme der Eltern sind und nicht von ihnen. Aber das ist leichter gesagt als getan, denn vor allem jüngere Kinder können sich dem nur schwer entziehen.

    Was können geschiedene Eltern tun, um ihnen ein möglichst komplikationsfreies Fest zu ermöglichen?

    Kaiser: Sie sollten ihre Probleme mit dem Ex-Partner zurückstellen und die Kinder damit nicht behelligen. Sie sollten versuchen, dem Kind eine unbeschwerte Begegnung mit dem außerhalb lebenden Elternteil zu ermöglichen.

    Unbeschwerte Treffen wichtig

    Wie sieht die Situation aus, wenn es Halbgeschwister gibt?

    Kaiser: Halbgeschwister gehören zusammen. Die Eltern von Patchworkfamilien sollten dafür sorgen, dass sie unbeschwert aufeinandertreffen können. Die Eltern sollten nicht abwertend über sie oder andere Teile der Familie sprechen.

    Würden Sie empfehlen, dass Geschiedene Weihnachten gemeinsam feiern?

    Kaiser: Ja, aber das dürfte die meisten Beteiligten überfordern. Wenn Leute zusammenkommen, die eine intensivere Problemgeschichte haben, wird diese Thematik wieder aktiviert im Erleben. Deshalb sollte man sich vorher genau überlegen, ob man schon so viel inneren Abstand zur Vergangenheit hat. Jeder sollte sich fragen, ob er in einer solchen Konstellation wirklich feiern kann. Es soll auf keinen Fall ein Zwangsritual sein.

    Sollte man die Kinder an dieser Entscheidung teilhaben lassen?

    Kaiser: Klar! Wenn die Kinder sich bereits äußern können, sollte man ihre Wünsche berücksichtigen. Aber: Auch wenn Kinder sich ein gemeinsames Fest wünschen, die Eltern sich dazu aber emotional dazu nicht in der Lage sehen, sollten sie auf diesen Wunsch nicht eingehen. Mit sauren Mienen will schließlich niemand unterm Tannenbaum sitzen.

    Erzwungene Regelungen nicht förderlich

    Was passiert, wenn man sich gar nicht einig wird? Gibt es dazu gesetzliche Regelungen?

    Kaiser: Das Gesetz sieht vor, dass getrennte Eltern im Regelfall weiterhin das Sorgerecht für ihre Kinder ausüben. Im Streitfall muss das dann geregelt werden. Aber in Bezug auf Weihnachten sollten solche richterlichen Regelungen keine Rolle spielen, weil man ja auch eine festliche Stimmung ermöglichen sollte. Da sind erzwungene Regelungen nicht förderlich.

    Sind die Kinder in einer solchen Situation nicht einem enormen Stress ausgesetzt?

    Kaiser: Das hängt davon ab, ob Trennungsquerelen hinter sich gelassen wurden und ob den Kindern ermöglicht wird, die Beziehung zu beiden Elternteilen zu pflegen. Dann ist es mehr eine Frage des Zeitmanagements. Abzuraten ist, das Kind beim Weihnachtsfest zum Ausschließen des anderen Elternteils zu zwingen, weil es dann zu Loyalitätsproblemen kommt.

    Kind könnte sich abgewertet fühlen

    Das würde dann dazu führen, dass das Kind die Meinung eines Elternteils über den anderen übernimmt?

    Kaiser: Ja. Eltern sollten unbedingt vermeiden, abwertend über den anderen zu sprechen, weil sich das Kind mit beiden identifiziert. Es könnte sich sonst ebenfalls abgewertet fühlen.

    Andersherum gefragt: Auch Jugendliche oder erwachsende Kinder haben oft das Problem, ihren Eltern alles recht machen zu wollen. Wie sollte sie kommunizieren, dass sie sich nicht zerteilen können?

    Kaiser: Am besten sagen sie, dass es ein Fest ist, das dem Wohlbefinden aller Beteiligten dient. Daher sollten sie verdeutlichen, dass sie nicht überall gleichzeitig sein können und dass sie Zeitdruck verhindern wollen. Die Kontaktzeiten sollten so geplant werden, dass alle etwas davon haben. Aber Erwachsene sollten hier mit sich reden lassen.