Hamburg. Wer sich mit einer Firma auf eigene Beine stellt, muss beginnen, wie ein Managerzu denken und zu handeln. Das braucht etwas Übung.

Es gibt Sätze, die Menschen, die sich selbstständig machen wollen, gerne sagen. „Ich will mein eigener Chef sein“, ist so ein Satz. Oder auch „Ich wollte immer schon etwas Eigenes auf die Beine stellen“.

Wer dieses Vorhaben in die Tat umsetzt, stellt meist fest, dass Selbstständigkeit mehr bedeutet, als keinen Vorgesetzten zu haben und eigene Ziele zu verfolgen. Es erfordert ständiges Dranbleiben, steten Einsatz und Weiterentwicklung, viel Weitblick und das Aushalten von Unsicherheit – kurz: Unternehmertum.

„Die Schwierigkeiten werden oft unterschätzt“, sagt Claudia Kirsch. Die Unternehmensberaterin begleitet Gründer und Selbstständige. Die fachliche Qualifikation allein nämlich reicht nicht – sprich das Können als Physiotherapeut, Anwalt oder in einer Dienstleistung. „Man muss im zweiten Beruf Unternehmer sein“, sagt Kirsch.

Den Wettbewerb stets im Blick behalten

Das beginnt mit einem Businessplan: Was sind meine speziellen Kompetenzen? Was ist die Zielgruppe? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Gibt es Mitbewerber? „Dies hilft, sich zu fokussieren und sich zu strukturieren“, sagt Doreen Hotze, Leiterin des Gründungszentrum der Handelskammer Hamburg. Diese Positionierung sollte permanent der rote Faden bleiben.

Ein Unternehmer muss den Wettbewerb, den Markt im Blick haben. „So erkennt man neuen Bedarf und kann das eigene Angebot weiter entwickeln“, sagt Kirsch. Denn eine Idee, die einst funktionierte, kann schnell überholt sein.

Das gilt auch für das Marketing, das viele Selbstständige zu lässig betrachten. Eine Homepage zu basteln, reicht nicht. Man kann eine noch so spannende Idee haben, diese aber muss sichtbar sein für potenzielle Kunden.

Das eigene Angebot muss auf dem Markt sichtbar sein

Und: Noch vor wenigen Jahren war es der neueste Schrei, sich als Firma auf Facebook zu präsentieren. Mittlerweile sind Videos auf YouTube angesagt, um Aufmerksamkeit zu schaffen. „Google liebt YouTube“, sagt Kirsch. Auch hat Google angekündigt, dass Webseiten für mobile Endgeräte bevorzugt gezeigt werden sollen und empfiehlt responsive Internetseiten.

Unternehmer sollten daher einen Relaunch ihrer Seite vornehmen. Doch bei alldem geht es nicht darum, in blindem Aktionismus überall zu wirken. Man muss seine Kunden erkennen. „Es geht darum, den Kanal zu bedienen, den die Zielgruppe nutzt“, rät Hotze.

Seminare statt Learning by Doing

Um stets sichtbar am Markt zu sein, sollten Selbstständige sich jede Woche um ihr Marketing kümmern – und sich zum Beispiel an einem festen Tag für eine Stunde damit beschäftigen, wie sie auf dem Markt und für den Kunden sichtbar werden und bleiben. Learning by doing reicht dabei nicht. Man sollte sich fortbilden – es gibt viele Seminare für Selbstständige, sich in verschiedenen Bereichen zu qualifizieren, vom Marketing über Preisgestaltung bis zur Buchhaltung.

In großen Unternehmen werden all diese Details von einzelnen Abteilungen gesteuert – der Selbstständige macht es in Personalunion und braucht diese Kompetenzen. Dazu gehört auch, sich selbst zu organisieren und zu strukturieren.

Auf Krisen vorbereitet sein

Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre gehören dazu, für die man keineswegs ein BWL-Studium braucht. Man kann sich zwar auch Beratung zu Buchhaltung und Controlling von außen ins Boot holen, doch wer sein eigenes Unternehmen aufbaut und schließlich führt, muss selbst die Fäden in der Hand halten.

Hotze rät Unternehmern dringend, ihre betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu kennen, etwa, an welchen Kunden, Zielgruppen und Produkten sie verdienen und an welchen nicht. „So erkennt man Signale, wenn etwas nicht läuft und kann früh Maßnahmen entwickeln, um gegenzusteuern.“ Die Handelskammer bietet auch eine Krisenberatung an.

Im Tief kühlen Kopf bewahren

Auf Krisen sollte jeder Unternehmer gefasst sein, auch wenn man sich noch so gut aufstellt. „In jedem Unternehmenszyklus gibt es Hochs und Tiefs“, so Hotze. Das löst Angst aus, dass die eigene Firma den Bach runtergeht. Mit dieser Unsicherheit muss man leben – mit blindem Aktionismus zu reagieren, bringt indes nichts.

Wer feststellt, dass Kunden Aufträge stornieren, das Produkt weniger nachgefragt wird oder die Kundenzuwächse zu gering sind, sollte einen kühlen Kopf bewahren und analysieren, woran es liegt. Dabei helfen Gespräche mit dem Steuerberater und der Austausch mit anderen Unternehmern. Kirsch empfiehlt, sich ein Erfolgsteam zu suchen. Das ist eine Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig strategisch unterstützen und sich zum Austausch treffen.

Unabhängiger werden durch mehrere Kunden

Krisenprävention ist für Holger Ahrens aber auch, das Wohl und Weh der Firma nicht nur auf einige wenige Kunden aufzubauen. Er hat sein Unternehmen „Die Profiloptimierer“ vor 16 Jahren gegründet und ist Spezialist für digitales Selbstmarketing. „Bei mir macht kein Kunde mehr als 40 Prozent des Umsatzes aus“, sagt er.

So gerät er nicht gleich ins Schwimmen, wenn mal ein Kunde abspringt. Überdies ist er ständig in der Akquise – erst dann wieder nach neuen Kunden zu suchen, wenn die Auftragslage mal nicht gut ist, ist alles andere als vorausschauend. Aus einer Akquise entsteht nicht immer und nicht sofort ein neuer Auftrag.

50 Prozent der Einnahmen zurücklegen

Um auch schlechtere Zeiten aufzufangen, ohne dass das Unternehmen gleich in Schieflage gerät, rät Ahrens dazu, Rücklagen zu bilden. 50 Prozent der Einnahmen sollte man laut Hotze zurücklegen – für die Steuerabgaben, aber auch als Puffer für schlechtere Tage und für die eigene Altersvorsorge und den Verdienstausfall bei Krankheit.

Die ernüchternde Nachricht ist also, dass „sein eigener Chef“ zu sein viele Anforderungen mit sich bringt. Die gute Nachricht: Das kann man lernen.

Beratung Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bietet Selbstständigen im Rahmen der „Förderung unternehmerischen Know-hows“ Hilfe an, Unternehmertum zu lernen. Regionalpartner ist die Handelskammer Hamburg.
www.bafa.de, www.hk24.de