Berlin. Es ist eine bei Eltern viel diskutierte Frage: Kann ich mein Baby mal schreien lassen? Eine neue Studie sagt „Ja“, ist aber umstritten.

Das Schlafverhalten von Babys – und vor allem das Verhalten der Eltern dabei – ist in vielen Familien ein Reiz-Thema. Vor allem die Frage: Sollte man das Kind auch mal schreien lassen oder ist das schädlich? An diesen Fragen scheiden sich die Geister. Eine australische Studie will die Antwort wissen.

Der Erhebung liegt vor allem eine umstrittene Methode zugrunde, die im Bestseller „Jedes Kind kann schlafen lernen“ aus dem Jahr 1998 beschrieben wird. Das Buch erhitzt noch heute die Gemüter.

Bestseller fordert „kontrolliertes Weinen“

Das Werk stützt sich auf die Erkenntnisse des Wissenschaftlers Richard Ferber, Direktor des Zentrums für kindliche Schlafstörungen am Bostoner Kinderkrankenhaus. Er setzt auf das „kontrollierte Weinen“.

Nach der „Ferber-Methode“ soll das Kind in seinem eigenen Bett zum Einschlafen gebracht werden. Wenn es weint, soll es nur kurz verbal beruhigt werden, anschließend verlässt die Bezugsperson das Zimmer für einen gewissen Zeitraum, bevor sie erneut hineingeht und wieder verbal beruhigt. Dadurch soll das Kind lernen, selbstständig in den Schlaf zu finden.

„Ferber-Methode“ ist umstritten

Die Methode stand schon oft in der Kritik. Sogar Petitionen gegen den Ratgeber sind gestartet. Die Befürchtung: Die schreienden Babys könnten unter Spätfolgen wie Schlaf- oder Bindungsstörungen bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen leiden.

Die Studie aus Australien will solche Bedenken aus dem Weg räumen. Der Psychologe Michael Gradisar von der Flinders-Universität in Adelaide hat an 43 Baby und Kleinkindern zwischen sechs und 16 Monaten verschiedene Schlafprogramme getestet.

Babys in verschiedene Gruppen eingeteilt

Die Babys wurden in drei Gruppen eingeteilt: Einige wandten die „Ferber-Methode“ an, andere das sogenannte „bedtime fading“, wobei die Einschlafzeit immer weiter nach hinten verschoben wird, und eine andere Gruppe erhielt lediglich Informationen über den Babyschlaf.

Während der dreimonatigen Studie wurden regelmäßig die Cortisol-Werte der Babys getestet, außerdem führten die Eltern Tagebuch und füllten Fragebogen aus.

Studie sieht keine Probleme durch Schlaflernprogramme

Die Erkenntnis des Psychologen: Durch das „Ferbern“ sei der Schlaf der Kinder verbessert worden. Auch das „bedtime fading“ habe sich positiv ausgewirkt. Der Cortisol-Wert habe sich bei den Kindern zudem nicht erhöht.

Sein abschließendes Fazit: Bei Kindern sei bei Anwendung der Schlaflernprogramme weder mit langfristigem Stress noch mit Bindungsängsten zu rechnen. Auch die emotionale Entwicklung sei nicht gefährdet.

Kinderarzt kritisiert Studie

Andere Wissenschaftler sehen die Studie allerdings kritisch. So schreibt Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Autor, in seinem Blog „Kinder verstehen“: „Ich kann Eltern nur raten, sich bei ihren Entscheidungen und ihrer Bewertung von Schlaflernprogrammen nicht auf diese Studie zu verlassen. Sie enthält zu viele Ungereimtheiten und ist methodisch nicht sauber.“ Er kritisiert unter anderem die Cortisol-Messmethode sowie die fehlende Erhebung eines Ausgangsbefundes im Bindungsverhalten. Seiner Meinung nach sollen sich Eltern lieber auf ihre Intuition im Umgang mit ihren Kindern verlassen.