Berlin. Alle 90 Sekunden wird in Deutschland ein Rad gestohlen. Hausratversicherung oder eine Extra-Police bieten sich an. Was ist sinnvoll?

Man kommt aus dem Biergarten, Kino oder Schwimmbad. Geht dorthin, wo man sein Fahrrad abgestellt hat. Dort aber ist keins mehr. Man grübelt, dann: Wut.

Alle 90 Sekunden wird in Deutschland ein Fahrrad gestohlen. Vor allem in Städten wie Berlin, Hamburg, Bremen machen die Diebe Beute. Aber nicht nur dort. Bundesweit haben sie 2015 etwa 340.000 Räder gestohlen. Und das sind nur die Fälle, die der Polizei gemeldet werden. Die Eigentümer sehen ihr Rad meist nicht wieder. Nicht einmal jeder zehnte Diebstahl wird aufgeklärt. Der Ärger ist sicher. Doch gilt das auch für die Zahlung von der Versicherung?

Wert gestohlener Räder auf 200 Millionen Euro pro Jahr geschätzt

Immerhin geht es um viel. Im Schnitt geben die Deutschen pro Rad 685 Euro aus. „Der Wert aller gestohlenen Fahrräder ist fast so hoch wie der der gestohlenen Autos. Wir schätzen ihn auf mehr als 200 Millionen Euro im Jahr“, sagt Stephanie Krone, Sprecherin des ADFC, des bedeutendsten Interessenverbands von Radfahrern in Deutschland.

Ob die Versicherung einspringt, „hängt im Ernstfall von Details ab“, sagt Michael Bruns, Rechtsexperte von der Stiftung Warentest. Im Prinzip gebe es zwei Möglichkeiten: eine Extra-Fahrradpolice und – als günstigere Alternative – die Hausratversicherung. Denn ein Rad ist nichts anderes als ein Fernseher oder eine Vitrine: Es zählt zum Hausrat. Darum ist es über eine Hausratversicherung für die typischen Risiken mitversichert – wenn in die abgeschlossene Wohnung, den zugesperrten Keller, die verriegelte Garage eingebrochen wird oder es brennt.

Nachtzeitklausel und andere Besonderheiten

Anders ist das, wenn das Rad aus dem Hausflur oder vor dem Bahnhof gestohlen wird. Außer bei sehr alten Verträgen ist dieser Verlust über die Hausratversicherung nur gedeckt, wenn es eine Zusatzfahrradklausel gibt. Allerdings kann es selbst mit ihr kniffelig bleiben. Für manche Versicherer spielt die Uhrzeit eine Rolle, sie haben eine sogenannte Nachtzeitklausel in ihren Verträgen. „Das Rad ist dann in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr nur versichert, wenn es noch in Gebrauch war“, erklärt Bruns.

Heißt: Sie sind vielleicht ein Nachtschwärmer, fahren gegen 23 Uhr zu einem Freund, stellen das Rad vor seiner Tür ab. Die Versicherung springt ein, sofern Sie nur auf ein Getränk bleiben und bald mit dem Rad wieder zurückfahren wollen. Indes kann die Versicherung die Leistung verweigern, wenn Sie über Nacht bleiben. Dann gilt der Gebrauch als beendet.

Premium-Schutz für sehr wertvolle Räder

Für die Zusatzfahrradklausel zahlt man in jedem Fall einen Aufpreis. Aber: „Eine Hausratversicherung für eine 120 Quadratmeter große Wohnung gibt es schon für rund 100 Euro jährlich, inklusive Fahrradschutz“, so Bruns. Immer seien alle Fahrräder im Haushalt mitversichert. Würden mehrere Räder gleichzeitig gestohlen, gelte das als ein Versicherungsfall. Erstattet bekomme man dann den Neuwert, außer die maximale Leistung für einen Versicherungsfall werde überschritten. Sie sei üblicherweise auf ein bis drei Prozent der Versicherungssumme limitiert.

Ein Beispiel: Eine vierköpfige Familie hat für seinen gesamten Hausrat eine Versicherungssumme von 80 000 Euro vereinbart. Das 1000 Euro teure Rad des Sohnes ist mit einem Prozent davon mitversichert, also mit 800 Euro.

Für sehr wertvolle Räder oder E-Bikes kann auch die Spezialversicherung mit Rund-um-die-Uhr-Schutz drinnen und draußen geeignet sein. Da können zum Beispiel auch Vandalismus oder Unfallschäden abgedeckt sein. Einige Anbieter versichern zudem Zubehör mit, etwa den Kindersitz oder Gepäcktaschen. „Aber“, sagt Bruns, „schon allein für einen reinen Diebstahlschutz kann eine Spezialpolice für ein 1500-Euro-Rad 200 Euro im Jahr kosten.“

Wichtiges im Umgang mit Versicherungen

Die Extrapolicen sind vergleichsweise teuer. Und viele Anbieter erstatten nur den Zeitwert des Rades. Sie staffeln die im Fall eines Diebstahls zu zahlende Summe nach dem Alter. Bruns: „Für ein fünf Jahre altes Rad gibt es dann deutlich weniger als die ursprüngliche Versicherungssumme.“

Wichtig: Bei manchen Versicherungen – egal ob für den Hausrat oder eine Spezialpolice – steht die Entschädigung auf dem Spiel, wenn das Rad mit einem zu schwachen Schloss gesichert worden ist. Als Anhaltspunkt gilt unter Experten: Ein Schloss sollte etwa zehn Prozent des Fahrradwertes kosten.

Michael Bruns empfiehlt am Ende: Wer sich für eine Versicherung entscheidet, sollte Kassenbelege sammeln. Fürs Rad, auch fürs Schloss. Und: „Einmal im Jahr ein Foto vom Rad machen, damit der Versicherer nicht sagen kann, man habe das Rad bei Ebay verkauft.“

Laut Auskunft des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft leisten Hausratversicherer pro Jahr 100 Millionen Euro für gestohlene Räder. Kommen dem Sachbearbeiter einer Versicherung bei der Begutachtung eines gemeldeten Diebstahls Zweifel, schaltet er einen Sachverständigen ein. Die Erfahrung zeige, dass in etwa zwei Drittel der dann begutachteten Fälle tatsächlich etwas nicht stimme. Wird eine Betrugsabsicht nachgewiesen, muss der Versicherer nicht für den Schaden aufkommen. Er kann den Versicherungsvertrag kündigen und Sachverständigenkosten zurückverlangen.

Was Radbesitzer tun können

Codierung: Eine personenbezogene Codierung am Rahmen erschwert den Wiederverkauf und kann Diebe abschrecken. Ein weiterer Vorteil: Polizei oder Fundbüro können anhand des Codes sofort den Eigentümer ermitteln. Codierungen bieten Fahrradhändler, Polizei und ADFC in vielen Städten an.

Fahrradpass: Radbesitzer sollten Rahmennummer, Fabrikat und besondere Merkmale in einem Fahrradpass notieren. Den bekommt man beim Händler, bei der Polizei oder der Versicherung. Diese Daten helfen bei der Aufklärung eines Diebstahls, den Betroffene immer sofort der Polizei melden sollten. Die Anzeige und eine Bescheinigung, dass das Fahrrad nicht in einer bestimmten Zeit wiedergefunden wurde, sind ohnehin nötig für die Versicherung.

GPS-Tracker: Selbst jene, die ihr Rad mit der neuesten Technik ausstatten und sicherer machen wollen, sehen ihr Rad oft nicht wieder. Peilsender, GPS-Tracker genannt, lassen sich zwar im Rücklicht verstecken und helfen, ein Rad zu orten „Sie versagen aber in geschlossenen Räumen und natürlich, sobald der Akku leer ist“, so ADFC-Frau Stephanie Krone. Mehr Infos: www.adfc.de/technik/diebstahl