Berlin. Bis zu 7,4 Millionen Gebrauchtwagen wechseln 2016 ihren Besitzer. Wer beim Kauf nichts falsch machen möchte, braucht einen langen Atem.

Selten zuvor waren Gebrauchtwagen so beliebt in Deutschland wie heute. Laut Kraftfahrtbundesamt gab es im ersten Halbjahr rund 3,74 Millionen sogenannte Besitzumschreibungen – das sind rund 1,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Experten rechnen damit, dass bis zum Ende des Jahres bis zu 7,4 Millionen Autos ihren Besitzer wechseln werden.

Die hohe Nachfrage sorgt für neue Geschäftsmodelle. Wer sein Auto loswerden will, landet schnell auf Onlineplattformen wie „Wir kaufen dein Auto“ – kurz WKDA. Auf der Webseite kann der Besitzer Daten zu seinem Auto eingeben wie etwa das Modell, Jahr der Erstzulassung, die Leistung oder Schadstoffwerte. Auf Grundlage dieser Informationen bekommt er dann kostenlos ein Angebot für den maximalen – und unverbindlichen – Preis. Damit es zu einem Geschäft kommt, muss der Besitzer seinen Wagen zu einer der Stationen bringen. Dort findet eine Überprüfung des Autos statt und ein Endpreis wird dem Verkäufer angeboten.

Hochemotionales Geschäft

Der Service klingt nach einem bequemen Geschäftsmodell für Privatleute. Doch in einschlägigen Autoforen tauchen immer wieder Beschwerden über die Plattform auf. Der Vorwurf: Der online angebotene Preis wird vor Ort in den Werkstätten deutlich unterboten. Die Enttäuschten sprechen von „unlauteren Lockangeboten und Abzocke“. Ein Beispiel: Für einen Ford Maverick spuckte die Onlinebewertung laut einem Nutzer einen Preis von rund 4250 Euro aus. Vor Ort bekam der Besitzer dann rund 2000 Euro weniger angeboten.

Auch beim TÜV Saarland und der Tochtergesellschaft tüv.tekit in Bonn sind Beschwerden zu WKDA eingegangen. Tekit hat den Anbieter wiederholt im Rahmen der Zertifizierung geprüft. Für das TÜV-Siegel wurden Dokumente gesichtet, die Webseite auf Transparenz hin abgeklopft und verdeckte Verkäufe an unterschiedlichen Standorten gemacht. „Die erhobenen Vorwürfe gegen WKDA sind nach unserer Auffassung unbegründet“, sagt Guido Hermanowski, Mitglied der tüv.tekit-Geschäftsführung. Das Geschäft mit den Gebrauchtwagen sei nun einmal hochemotional. Verkäufer reagierten aufgrund nicht erreichter subjektiver Preisvorstellungen schnell verärgert.

Zweistufiges Verfahren

Die Prüfer haben bereits mehrfach bei WKDA nachgehakt und sich die Preisunterschiede plausibel erklären lassen. „Aus unserer Sicht werden die Anforderungen zum Thema Transparenz eingehalten“, sagt Hermanowski.

Bei WKDA erklärt man: Erst nach der „professionellen Bewertung“ vor Ort könne ein verbindlicher Preis gemacht werden. Es handele sich um ein zweistufiges Verfahren, um zum Preis für den Gebrauchtwagen zu kommen. Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE) rät dennoch ab. Er hält die Bewertungen mit dem Maximalpreis für „äußerst bedenklich“. Für eine reine Preisübersicht bieten sich laut Hack auch die Berechnungen der DAT – eines Marktforschungsinstituts für Gebrauchtwagen – an. Dort werden meist die Händlereinkaufspreise angegeben – und die klingen weit realistischer. Auch in der Datenbank des ADAC findet man Preiseinschätzungen. Der Experte rät dazu, verschiedene Angebote einzuholen und sich Zeit für Vergleiche bei unterschiedlichen Händlern zu nehmen.

Was für die Autoverkäufer gilt, trifft auch auf die Käufer zu. „Man kann sich online gut ein Bild über den Markt machen“, sagt Hack vom ACE. „Allerdings tummeln sich auch viele Betrüger auf den Plattformen im Netz.“ Häufig fehlen Daten zum Auto, der Wagen taucht in mehreren Angeboten auf, in vielen Fällen kann kaum nachvollzogen werden, wer eigentlich inseriert.

Niemals allein zur Besichtigung

„Bevor man ein Auto kauft, sollte man unbedingt eine Probefahrt machen und den Wagen von einem Prüfdienst durchchecken lassen“, sagt Hack. Gebrauchtwagenchecks werden etwa von Tüv, ADAC oder Dekra angeboten. Außerdem: Niemals allein zur Besichtigung gehen. Rost am Kotflügel, ein drohender Getriebeschaden – im Gespräch werden häufig Details verschleiert.

Wer beim Händler kauft, bekommt eine Gewährleistungsgarantie von mindestens einem Jahr. Allerdings versuchen einige Verkäufer diese Regelung zu umgehen. „Gekauft wie gesehen“ oder die Bezeichnung „Unfallwagen“ können Kunden im Schadensfall zum Verhängnis werden. „Über bestimmte Klauseln, die im Kaufvertrag stehen, wird eine Pauschalisierung vorgenommen“, sagt Julia Schmitz, Juristin bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. „Für den Kunden wird es schwierig, nachzuweisen, ob es den Schaden bereits im Vorfeld gab“.

Schmitz rät Käufern, gemeinsam mit dem Händler eine genaue Liste der Mängel zu erstellen. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es allerdings nicht, denn die Details des Kaufvertrags fallen unter die Vertragsfreiheit. Hält der Wagen nicht, was er verspricht, hat der Kunde dennoch gute Chancen sein Geld zurückzubekommen. Sechs Monate nach dem Kauf muss der Käufer noch nicht beweisen, dass der Mangel bereits beim Kauf des Autos vorhanden war. Nach dieser Frist muss der Käufer Beweise vorlegen.