Sie leiten Diskussionen, präsentieren Events, vermitteln zwischen Mitarbeitern: Drei Moderatoren berichten von ihrem Werdegang und ihren Aufgaben

Beruf Moderator? Da denkt man an Talkshowgesichter wie Günther Jauch, Sandra Maischberger, vielleicht auch an Sportpräsentatoren wie Matthias Opdenhövel. Oder an den eigenen Lieblingsmoderator im Radio.

Doch Moderatoren sind auch all diejenigen, die vor einer kleineren oder sogar kleinsten Öffentlichkeit ihren Job machen: Moderatoren, die Produkte auf Messen präsentieren, die Diskussionsrunden auf Kongressen leiten oder Mitarbeiter eines Unternehmens in Gruppensitzungen auf Teamarbeit einschwören. Wie sieht ihre Arbeit aus, und wie sind diese Menschen zu ihrem Beruf gekommen? Wir haben drei Moderatoren gefragt.

Die VIP-Limousine wartet schon auf Claudia Bechstein. Vom Flughafen geht es sofort weiter in die Festhalle, wo sie in zehn Stunden eine Wohltätigkeitsveranstaltung moderieren soll. Der Text, den sie sprechen wird, umfasst acht getippte Seiten. Mit ihm hat sie sich schon in den vergangenen Tagen intensiv beschäftigt.

Claudia Bechstein steht vor 1000 Zuschauern auf der Bühne

Nun muss Bechstein hören, was die Regie geplant hat, schauen, wo sie stehen soll, wo die anderen Mitwirkenden platziert sind, und nicht zuletzt die Künstler kennenlernen. Auch eine Kleiderprobe steht noch an. „Wenn das Licht angeht und ich dann vor 1000 Zuschauern auf der Bühne stehe, bin ich natürlich nervös“, sagt Claudia Bechstein. „Aber das ist auch gut so.“ Gesundes Lampenfieber fördert die Konzentration, findet sie. Nach fünf Minuten sei es verschwunden.

„Kann man davon gut leben?“, haben ihre Freunde gefragt, als sie von ihrer Berufswahl hörten. Man kann, sagt Bechstein. „Ich nehme nur Aufträge an, bei denen ich durch meine Erfahrungen und Branchenwissen einen Mehrwert für das Unternehmen generieren kann“, erklärt sie.

Sie hat ein Bachelorstudium in BWL absolviert und studiert aktuell an der FOM Hochschule im Masterprogramm Wirtschaftspsychologie. „Ich kann auf Augenhöhe mit einem geschäftsführenden Vorstand fachlich diskutieren“, sagt Bechstein. So ließen sich entsprechende Gagen begründen.

Imagefilme, Pressekonferenzen, Fachkongresse

Die 37-Jährige dreht auch Image- und Werbefilme. Sie leitet Pressekonferenzen und spricht auf Ärztekongressen und Veranstaltungen von Technologiekonzernen. Sie redet vor Endverbrauchern und Fachpublikum, auf Messen und Galas. Etwa 80 Prozent ihrer Texte schreibt sie selbst. Einmal spricht sie über ein neues bildgebendes Verfahren und seinen Nutzen für eine bestimmte Krebstherapie, ein anderes Mal über Cloud-Computing.

Vieles sind Themen, von denen Außenstehende, wie Bechstein es ja auch erst einmal ist, keine Ahnung haben. Dort muss sie tief in die Materie einsteigen, viel lesen, sich Hintergrundwissen erarbeiten. So findet sie auch die passenden Worte, wenn sie den Auftritt eines Hip-Hop-Künstlers aus Los Angeles mit einem unterhaltsamen Interview anmoderieren muss. „Gute Vorbereitung ist alles“, sagt die Moderatorin.

Nach dem Abitur arbeitete Bechstein zunächst in einer Werbeagentur, modelte ein bisschen und wurde im Jahr 2001 erst Miss Thüringen, dann Miss Germany. Anschließend reiste sie einige Jahre als Model um die Welt. Der Zufall verschaffte ihr einen Moderationsjob auf der Jugendmesse YOU.

Sich nicht die eigene Persönlichkeit „wegcoachen“ lassen

„Ich wollte weiterkommen, nicht nur eine Kleiderpuppe sein“, sagt Bechstein rückblickend. Also nahm sie Schauspielunterricht, absolvierte Coaching-, Stimm- und Sprechausbildungen. Inzwischen leitet Bechstein ihre eigene Agentur und arbeitet auch als Marketingberaterin.

Was man für den Beruf unbedingt braucht? „Man sollte neugierig sein und sich stetig weiterentwickeln.“ Ein Alleinstellungsmerkmal sei hilfreich, sagt Bechstein, um als Experte von sich reden zu machen. Sie warnt davor, sich die eigene Persönlichkeit „wegcoachen“ zu lassen, wie sie es nennt, und empfiehlt: „Führt Videoblogs über Themen, die euch interessieren und stellt sie auf Youtube. So werden Leute auf euch aufmerksam.“

Kristin Kirchhoff leitet Teamsitzungen und löst Konflikte

Kristin Kirchhoff hat sich auf Moderationen in kleinem Kreis spezialisiert. Manchmal sitzt sie mit Gruppen von 15 Personen zusammen, manchmal sind außer ihr nur zwei Menschen beteiligt. Kirchhoff moderiert Teamsitzungen – und zwar gerade dann, wenn es kritisch wird und Ärger in der Luft liegt. „Mediation“ heißt das im Fachjargon. „Ich sehe vor allem das kreative Potenzial solcher Situationen“, sagt die 30-Jährige, die Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personal- und Organisationsmanagement studiert hat.

Vor vier Jahren hat sie mit einer Kollegin aus ihrer Mediationsausbildung die „Kommunikationsvisionäre“ gegründet, einen Dienstleister, der die Teambildung in Unternehmen unterstützt. Ihre Fälle sind Teams, die gerade erst gegründet wurden, und solche, in denen Konflikte schwelen oder die zerstritten sind.

„Meistens gibt es Missverständnisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen“, sagt Kirchhoff. „Menschen geht es in der Regel um Verständnis und mehr Wertschätzung im Arbeitsalltag.“ Bei einer Mediation sucht man nicht nach Schuldigen, sondern nach Lösungen. Dieser Ansatz gefiel Kirchhoff. Die Ausbildung zum Mediator dauert etwa ein Jahr und umfasst mindestens 200 Unterrichtsstunden.

Welche Rolle hat jedes Teammitglied? Welche Aufgaben sollen von wem erfüllt werden? Was erwarten die Mitarbeiter voneinander? Darum drehen sich die Gespräche. Manchmal ist Kirchhoffs Arbeit nach zwei Tagen getan, manchmal begleitet sie ein Team ein halbes Jahr und länger. „Die Arbeit ist sinnstiftend“, findet sie und erzählt von berührenden Momenten, in denen sich Konflikte lösen und Kollegen plötzlich fähig sind, die Perspektive zu wechseln und sich in die Lage eines anderen hineinzuversetzen.

Marco Ammer moderiert Messen und synchronisiert

Auch Marco Ammer ist Moderator. Nach dem Abitur in Schwäbisch Hall absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der örtlichen Bausparkasse. Doch während die Kollegen Kreditanträge bearbeiteten, mischte sich Marco Ammer lieber unters Volk, führte Besuchergruppen durchs Gebäude und zeigte ihnen die hauseigene Kunstsammlung. Weil ihm das Reden vor Menschen viel Freude machte, wechselte er innerhalb der Bank in den Bereich „Politik und Gesellschaft“.

Dort traf er Politiker, Vertreter aus Indus­trie und Wirtschaft, Landfrauengruppen und Vereine. Kommunikation sei seine Stärke, bescheinigte ihm auch der Bereichsleiter. „Meine Festanstellung sollte erst mit Eintritt ins Rentenalter enden“, sagt der heute 40-Jährige und lacht. Denn bei der Bank ist er schon lange nicht mehr. Aus Spaß nahm Ammer an einem Moderatoren-Casting teil. Ein Düsseldorfer Jugendsender suchte neue Gesichter mit Erfahrung im Finanzbereich. Die hatte er und wurde prompt engagiert.

Verwirklicht wurde das neue TV-Format dann zwar nicht, aber der Sender wollte ihn trotzdem als Redakteur behalten. Relativ schnell stieg er zum sogenannten Chef vom Dienst auf, eine Art Ressortleiter. Ammer war zuständig für die Themen der täglichen Livesendung. Später sollte sie einen Grimme-Online-Award für die Verknüpfung von Internet und Fernsehen bekommen.

Nach Berlin an die Schauspielschule

Doch eigentlich wollte er viel lieber selbst moderieren, als Themen und Texte für andere vorzubereiten. Das merkte der damals 26-Jährige recht schnell. Ammer ging nach Berlin an die Schauspielschule und lernte dort eine dialektfreie Aussprache und alles über Auftritt und Körpersignale. Berühmt zu werden, war nie sein Ziel. „Ich muss nicht immer im Mittelpunkt stehen“, sagt er. „Beim Moderieren sind die anderen wichtig und das Thema – das gefällt mir.“

Heute arbeitet Marco Ammer als Synchronsprecher für Serien und moderiert Messen und Kongresse für renommierte Unternehmen. Er leitete beispielsweise ein Mieterfest der Degewo und trat in Produktfilmen eines Großkonzerns für Energie- und Automatisierungstechnik auf. Im Fernsehen war er ein „Warm-Upper“ für Günther Jauchs Talk aus dem Gasometer. Als solcher erklärte er dem Publikum vor Beginn den Ablauf der Sendung.

Auch auf der Hannover Messe hat Marco Ammer gearbeitet. Merkel und Obama seien an „seinem“ Stand gewesen. Als Nächstes wird er für einen großen Hausgerätehersteller Produktvideos drehen, das Angebot kam über seine Agentur. Ob er ein Ziel hat, das er unbedingt noch erreichen möchte? „Hauptsache, die Jobs machen mir noch lange Spaß“, sagt er.

Info: Voraussetzungen & Branchenblick

Über eine natürliche Begabung in freier Rede und Schlagfertigkeit sowie Spaß daran, im Mittelpunkt zu stehen, gepaart mit der Fähigkeit, sich zurückzunehmen, helfen Aus- und Weiterbildungen auf dem Weg zum Moderator. Anbieter in Berlin sind unter anderem das Institut artop der Humboldt-Universität (artop.de), die Akademie Deutsche Pop (deutsche-pop.com) und die Kathy Weber Moderatorenschule (kw-moderatorenschule.de).

Wer sich für die Moderation als Beruf interessiert, gewinnt in der umfangreichen Datenbank des Internetportals www.moderatoren.org einen Eindruck, wie vielfältig die Branche ist. Von speziellen Fachmoderatoren (etwa Politik, Sport oder Wirtschaft) über TV-Moderatoren bis hin zu Event-, Gala- und Businessmoderatoren sind hier zahlreiche weitere Spezialisierungen zu finden.

www.moderatoren.org