Hamburg. Die alte Handwerkskunst Fachwerkbau wird jetzt auch in neugebauten Repliken angewendet. Die Nachfrage und der Wertzuwachs sind groß.

Das ist selten: Ein Fachwerkhaus, das nicht schon ein paar Hundert Jahre auf dem Buckel hat, sondern neu ist. 30 Kilometer östlich von Hamburg, in Hamfelde, bauen Julia und Roman Choinowski sich ein Dreigiebelhaus, das von kräftigen Balken aus Eichenholz getragen wird. Die Räume dazwischen sind mit roten Backsteinen ausgemauert. Und die geteilten weißen Echtholzfenster öffnen sich wie anno dazumal nur nach außen. Warum ausgerechnet ein Fachwerkhaus? „Weil es schön und zeitlos ist und es in unseren Ort passt“, sagt die Bauherrin. Die 500-Seelen-Gemeinde habe noch alte Kopfsteinpflasterstraßen, hier und dort gesäumt von alten Fachwerkhäusern.

Insbesondere in Niedersachsen erleben Neubauten im Fachwerkstil eine Renaissance. Es hat sich dort ein Nischenmarkt gebildet, in dem Fachwerkliebhaber auf Anbieter treffen, deren Bauhandwerker noch mit den alten Handwerkstechniken und lokalen Baustoffen vertraut sind. Und die Häuser bauen können, die wie alte Bäume wirken – irgendwie zeitlos, als wenn sie schon immer da gewesen wären.

Peter Eggemann ist der Kopf einer solchen Firma. Bereits als junger Mann machte er seine Leidenschaft zum Beruf und sanierte zunächst zahlreiche Fachwerkhäuser. Inzwischen baut der 62-Jährige neue, konstruktiv tragende Fachwerkhäuser. Auch weil das günstiger ist als die Sanierung eines alten Fachwerkhauses. Eggemann wuchs in einer Zeit auf, in der es um den traditionellen Holzskelettbau nicht gut bestellt war. „Es begann mit dem Abriss landwirtschaftlicher Nutzgebäude, die durch moderne Industriegebäude ersetzt wurden und endete nicht selten mit dem Abbruch des ganzen Wohnhauses“, erinnert sich der Kaufmann.

Geringes Angebot inspirierte zu Neubauten

Dagegen formierte sich in den Sechzigerjahren eine Szene von Menschen, denen der Erhalt von Fachwerk wichtig war. „Sie begannen, die zahlreichen kaputt sanierten Häuser auf dem platten Land behutsam in ihren Ursprungszustand zu versetzen.“ Als dann die Nachfrage immer größer und das Angebot an geeigneten Häusern immer geringer wurde, stellte Eggemann sich die Frage: Warum nicht selbst klassische Fachwerkhäuser bauen? Das war 1996. Seitdem hat er und sein Unternehmen DLK Deutsche Landhaus Klassiker rund 150 neue massive Fachwerkhäuser bundesweit errichtet.

Er ist nicht allein auf dem Markt. Ingolf Christiansen, Chef des Unternehmens „Landhausbauten“, bietet auch Fachwerkhäuser deutschlandweit an. Das Faible fürs Fachwerk sei auch ein Versuch, sich stärker mit der Region zu identifizieren, einen Rückzugsort in globalisierten Zeiten zu finden, in einem Haustypus, der über Jahrhunderte die Hauslandschaften hierzulande bestimmt hat, meint er. Zur ganzheitlichen Bau- und Wohnkultur gehöre es, nach der Fertigstellung in einem Gebäude zu leben, dessen Materialien weitgehend aus der Region kämen.

So kommt das Eichenholz für seine Holzskelettbauten aus deutschen Regionen. Ebenso die Ziegel für die Ausfachung. Die Ausführung überlässt der Brandenburger anschließend ortsansässigen Bauhandwerkern, die die Regeln der Baukunst für Fachwerkhäuser von der Pike auf gelernt haben.

Das Angebot der einzelnen Fachwerkhaushersteller weist dabei nur wenige Unterschiede auf. Ähnlich wie im Fertighausbau haben sie häufig eine Reihe von unterschiedlichen Musterhäusern im Angebot, die an die Wünsche der Bauherren angepasst werden. Die Palette reicht von 90 bis 500 Quadratmeter großen Häusern – je nach Bedarf und Geldbeutel. Energetisch stehen die neuen klassischen Holzskelettbauten der Konkurrenz in nichts nach.

Besserverdienende zählen zu den Kunden

Mit meist ökologischen Dämmsystemen und modernen Heizsystemen wie Wärmepumpen oder Pelletheizungen erfüllen sie die Anforderungen der Energieeinsparverordnung. Auch Plusenergiehäuser, die mehr Energie generieren als verbrauchen, sind möglich. Hinzu kommt: „Die verwendeten Materialien wie etwa Holz, Ziegelstein, Lehm- oder Kalkzementputze regulieren den Feuchtigkeitshaushalt optimal und sorgen zudem für ein gesundes Raumklima“, sagt Ingolf Christiansen.

Wer sich ein neues Fachwerkhaus zulegt, „ist auch bereit, mehr auszugeben“, hat Thomas Pennigh, Präsident des Verbandes Privater Bauherren (VPB) und Leiter des Regionalbüros Braunschweig, beobachtet. In der Regel seien die Käufer Besserverdienende. „Da ist dann nicht nur die Fassade aus Naturmaterialien. Auch beim Innenausbau wird an hochwertigen Materialien wie Holzdielen, speziellen Fliesen oder einem Grundofen mit Kachelverzierung nicht gespart“, sagt Pennigh.

Immobilienmakler Markus Schulze bestätigt dies. Sein Wirkungsfeld liegt in den ländlichen Gemeinden nördlich von Hannover, etwa in der Wedemark. In diesem Landstrich findet man immer wieder kleine Fachwerkhausensembles, bisweilen stehen alte neben neuen Gebäuden. Wer hier ein Haus dieser Bauweise kaufen will, muss nicht nur kräftig in die Tasche greifen, sondern auch Ausdauer bewahren. „Denn die Nachfrage nach Fachwerkhäusern – ob alt oder neu – übersteigt deutlich das Angebot“, sagt Schulze. Die Preise lägen zwischen 400.000 und 900.000 Euro. Im Gegensatz zu konventionellen Häusern betrage der Wertzuwachs bis zu 15 Prozent pro Dekade.

Geringer Anteil am Gesamtmarkt

Hohe Preise sind jedoch nicht zwangsläufig. Die Häuser von Peter Eggemann etwa kosten zwischen 1300 und 1700 Euro pro Quadratmeter. Sie sind damit nicht teurer als ein durchschnittliches Fertig- oder Massivhaus. Wer zudem bereit ist, „bei der Materialauswahl im Innenbereich zu sparen oder Arbeiten etwa beim Ausbau der ersten Etage selbst zu übernehmen, kann sein Baubudget reduzieren“, sagt Thomas Pennigh.

Familie Choinowski aus Hamfelde kaufte bei Peter Eggemann ein sogenanntes Ausbauhaus. Während der Rohbau samt Bodenplatte, Fachwerk, Dach, Schornstein, Fenstern und Haustür innerhalb von nur zehn Tagen errichtet wurde, kümmern sich die Bauherren selbst um den Innenausbau. „Heizungs-, Sanitär-, Fußboden- und Malerarbeiten übergaben wir an Handwerksfirmen“, sagt Julia Choinowski. Dagegen helfen Familienmitglieder etwa beim Dämmen des Dachbodens oder beim Bau der Innentreppe.

Dass das traditionelle Fachwerkhaus aus seiner Nische herausfindet und wieder an frühere Zeiten anknüpft, daran glaubt Bauherrenberater Pennigh nicht. Derzeit schätzt er den Anteil der Fachwerkhäuser im Einfamilienhaussegment am Gesamtmarkt auf unter fünf Prozent. Ein Grund sei, dass die meisten Bauherren immer noch die schnelle Lösung favorisierten, ohne selbst groß Hand anzulegen.

Ein Fertighaus stehe in zwei bis drei Monaten. Ein Fachwerkhaus benötige dagegen in der Regel acht Monate Bauzeit. „Auch spielt nicht jedes Bauamt immer mit“, so der Bauherrenberater weiter. Ein Haus mit einem acht Meter hohen Giebel sei längst nicht immer in jedem Bauplan vorgesehen. Hinzu kommt, „dass der Massengeschmack heutzutage durch die schiere Präsenz der Bauträger- und Fertighäuser bestimmt wird“, sagt Ingolf Christi­anus. Das Ehepaar Choinowski und ihre beiden Kinder sehnen derweil den Einzug in ihr neues Haus herbei. Ihr 150 Quadratmeter großes Fachwerkhaus soll im Mai nach siebenmonatiger Bauzeit fertig werden. „Keine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass wir unser Leben lang in diesem Haus verbringen wollen“, sagt Julia Choinowski.