Berlin. Umgraben, bestäuben, Schädlinge bekämpfen – Tiere übernehmen zahlreiche Aufgaben in Rasen und Beet. Davon kann der Mensch profitieren.

Der Hobbygärtner teilt die tierische Gartenwelt in Gut und Böse. In Nützling und Schädling. Die einen, wie etwa der Schmetterling, helfen bei der Bestäubung und sind ganz nebenbei auch noch schön anzusehen, die anderen, wie die Blattlaus, zerstören den gepflegten Garten, richten dem Gärtner also einen wirtschaftlichen Schaden an.

Dass es so einfach nicht ist, erklären vor allem Naturschützer immer wieder. Für sie hat jedes Tier eine Funktion im Ökosystem. „Der Schädling konkurriert mit dem Gärtner, weil er ihm was wegnimmt“, sagt Julian Heiermann, Naturschutzreferent beim Bundesverband des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu).

Schonende Bodenbearbeitung

Einer, bei dem sich alle einig sind und der niemandem etwas wegnimmt, ist der Regenwurm, der seinen Namen nicht der Vorliebe für Regen verdankt, sondern seiner regen Arbeit. Das taube und stumme Tier lockert unermüdlich die Erde, schichtet Nährstoffe von unten nach oben um, kompostiert altes Laub und düngt den Boden mit seinem nährstoffreichen Kot. Und er dient Vogel und Igel als Nahrung. „Um dem Regenwurm etwas Gutes zu tun, sollte man auf schonende Bodenbearbeitung achten“, sagt Herbert Lohner, Referent für Naturschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Berlin. Schonend bedeutet: Den Boden so wenig wie möglich umgraben, höchstens zweimal im Jahr. Denn das Umgraben zerstört die Kanalsysteme, die sich die Regenwürmer geschaffen haben. Außerdem kann der Gärtner Kompost ausbringen und in den Boden einarbeiten.

Herrscht beim Regenwurm noch Einigkeit, wird es bei einem anderen Tier schon schwieriger: der Ameise. „Im Haus oder auf der Terrasse will sie natürlich niemand haben, aber was viele nicht wissen: Die Ameise ist ein sehr wichtiger Verbreiter von Samen“, sagt Herbert Lohner vom BUND. So werden etwa viele Frühblüher wie Schneeglöckchen, Blausternchen, Lerchensporne oder auch kleine Walderdbeeren von Ameisen verbreitet. Es gibt sogar ein eigenes Fachwort dafür: Myrmekochorie. Die Samen oder Sporen der Pflanzen, die sich dieser Fortpflanzungsart bedienen, haben nährstoffreiche Anhängsel, die allein für den Verzehr bestimmt sind. Die Ameise transportiert den Samen in den Bau und frisst das Anhängsel. Übrig bleibt der Samen, der als Müll zum Beispiel in der Nähe des Baus deponiert wird. Auf dieser Deponie kann die Pflanze dann wachsen.

Nützlinge erfüllen diverse Aufgaben

Doch die Ameise legt noch eine andere Verhaltensweise an den Tag, die dem Gärtner nicht gefallen dürfte: Sie hält sich Blattläuse wie der Schäfer seine Schafe und beschützt sie vor Fressfeinden wie dem Marienkäfer oder dem Ohrenkneifer. Dafür bekommt die Ameise überschüssigen Zuckersaft, den die Blattläuse abgeben. „Aber in einem funktionierenden Ökosystem wird sich auch das einpendeln“, sagt Julian Heiermann vom Nabu. Wer etwa dem Ohrenkneifer, der ein emsiger Blattlausvertilger ist, auf die Sprünge helfen möchte, kann einen mit Heu gefüllten Blumentopf an den von Läusen befallenen Rosenstock oder Obstbaum hängen.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Nützlinge ist die kostenfreie Bestäubung von Pflanzen. Hier herrscht perfekte Arbeitsteilung: Tagsüber sind es vor allem die Honigbienen, die 450 Wildbienenarten, Schlupfwespen, Hummeln und Schmetterlinge, die Blüten bestäuben und so zu ihrer Vermehrung beitragen. Nachts übernimmt diese Aufgabe eine große Menge Nachtfalter: „Mehr als 70 Prozent aller bei uns vorkommenden Schmetterlinge bestäuben als nachtaktive Tiere Blumen wie etwa die Nachtkerze oder die wunderbar duftende Nachtviole“, sagt Herbert Lohner. Um den eigenen Garten für die solitär lebenden Wildbienen attraktiv zu machen, kann der Gärtner ein sogenanntes Insektenhotel aufstellen, das ähnlich einem Vogelhaus den Tieren Unterschlupf bietet. „Denn die Wildbienen sind auf eine natürliche Lebensraumstruktur angewiesen, die es bei uns kaum noch gibt“, erklärt Zoologe Heiermann. Dazu gehöre etwa Totholz, also abgestorbene Bäume, die stehen gelassen wurden, und heimische Blütenpflanzen wie Weißdorn, Wildrosen, die Schafgarbe oder Flockenblumen. „Heimische Pflanzen sind deswegen so wichtig, weil sich über eine sehr lange Zeit eine Interaktion entwickeln konnte“, erklärt Heiermann. Pflanze und Tier sind aufeinander abgestimmt.

Zwei Möglichkeiten für chemische Mittel

Wer ein funktionierendes Ökosystem in seinem Garten haben möchte, für den gilt: Je strukturreicher ein Garten ist, desto größer ist die ökologische Vielfalt und desto weniger Schädlinge gibt es auch. Strukturreich bedeutet: Es gibt sonnige und schattige Plätze, genauso wie trockene und feuchte. „Strukturvielfalt schafft man zum Beispiel durch artenreiche Hecken und Hecken mit Wildobstarten, wie der Kornelkirsche oder Liguster“, sagt Herbert Lohner. Auch die Begrünung von Gartenhütten oder Garagenaußenwänden schafft unterschiedliche Strukturen. Es gilt auch: Wo Ordnung herrscht, ist die Vielfalt geringer. „Wer eine Rasenfläche mit einigen Thujas rundherum hat, wird sehr einsam leben“, sagt Julian Heiermann. Der Holz- oder Steinhaufen am Rand des Rasens bietet Spitzmäusen, Igeln, Eidechsen und Insekten Unterschlupf. „Wer den Igel im Garten hat, hat vieles richtig gemacht“, sagt Heiermann. „Er ist ein Bioindikator für ökologische Vielfalt.“

Und: Der Igel liebt Schnecken, die in Gemüsekulturen großen Schaden anrichten können. Das Internet hält zahlreiche Hausmittel bereit, „aber allein die schiere Masse an Ratgebern bedeutet doch letztlich: Das hilft alles nicht wirklich“, sagt Herbert Lohner. Will man keine chemischen Mittel einsetzen, bleiben zwei Möglichkeiten: das Absammeln oder besondere Blechzäune, die um die Gemüsebeete gesetzt werden. Haben die Schnecken allerdings schon ihre weißen kaviarartigen Eier innerhalb der Umzäunung abgelegt, hilft nur die Schneckenlese – oder das Warten auf den Igel. Denn eine der wichtigsten Eigenschaften des Gärtners, sagt Herbert Lohner, ist die Faulheit.