Berlin. Junge Erwachsene profitierten vom effektiven Übergang von der Schule in den Beruf. Auch bei der frühkindlichen Bildung gehe es voran.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lobt Deutschland für seine Fortschritte bei der frühkindlichen Bildung und die hohe Qualität des Übergangs von Schule, Lehre oder Studium in den Beruf. „Die gute Konjunktur, aber auch die leistungsfähige berufliche Bildung erleichtert jungen Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt“, heißt es in dem Bericht „Bildung auf einen Blick 2015“, der am gestrigen Dienstag in Berlin vorgestellt worden ist. Der Bericht macht Aussagen zum Bildungssystem in den 34 OECD-Staaten sowie in einigen Partnerländern.

Beschäftigungsquoten

Bildung ist in Deutschland der beste Garant, um einen Job zu bekommen. 88 Prozent der Hochqualifizierten (Meister, Studierte) stehen in Lohn und Brot. Bei den beruflich Ausgebildeten beträgt die sogenannte Beschäftigungsquote 80 Prozent. „Ein höherer Abschluss versetzt Arbeitnehmer offenbar eher in die Lage, sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen“, so die OECD. Die Erwerbslosenquote über alle Qualifikationsniveaus hinweg lag in Deutschland mit 4,8 Prozent unter dem OECD-Durchschnitt (7,3 Prozent). Und selbst bei Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildung sank die Erwerbslosenquote zwischen den Jahren 2005 und 2014 um fast acht Prozentpunkte – von 20,2 auf 12 Prozent.

Übergang Schule/Arbeitswelt

Erwachsene mit hohen oder mittleren Abschlüssen finden dem OECD-Bericht zufolge zügig einen Job. 93 Prozent der 20- bis 34-Jährigen Hochqualifizierten mussten nach ihrem Abschluss weniger als ein Jahr darauf warten. Bei den mittleren Abschlüssen waren es 85 Prozent. Als Beweis dafür, dass Bildung und Beschäftigung hierzulande gut aufeinander abgestimmt sind, gilt der niedrige Anteil der 20- bis 24-Jährigen, die sich 2014 weder in einer Schul- oder Berufsausbildung befanden beziehungsweise einen Job hatten (10 Prozent). Eine bessere Quote als Deutschland wies hier nur Luxemburg, Island und Norwegen auf. Wesentlich schlechter war die Situation in der Türkei, in Italien oder Griechenland (über 30 Prozent). „Das anerkannte Berufsbildungssystem ist die solide Grundlage für einen erfolgreichen Berufsweg“, bilanzierte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gestern in Berlin.

Frühkindliche Bildung

Die Betreuungsquote in Deutschland liegt weit über dem OECD-Durchschnitt. 59 Prozent der 2-Jährigen, 92 Prozent der 3-Jährigen und 96 Prozent der 4-Jährigen besuchten 2013 in Deutschland eine Kita. Kindergärten und Tagesstätten gelten als Einrichtung frühkindlicher Bildung. Aller Fortschritte zum Trotz wies die Bertelsmann Stiftung gestern darauf hin, dass es bei der Bildungsqualität Nachholbedarf gebe. „Wir wissen aus vielen Studien, dass frühkindliche Bildung nur dann positiv für Kinder ist, wenn die Qualität gut ist“, sagte Bildungsexpertin Anette Stein. Um in den Kitas bundesweit einen kindgerechten Personalschlüssel zu schaffen, fehlten über 100.000 Fachkräfte und Investitionen von etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr. „Und dabei reden wir nur über Personalschlüssel, auch in die Fort- und Weiterbildung und in andere Bereiche müsste weiter investiert werden“, sagte Stein.

Höhere Bildung

Mehr als jeder zweite junge Erwachsene eines Jahrgangs beginnt laut OECD in Deutschland einen sogenannten tertiären Bildungsgang – also ein Studium an einer Hochschule, Berufsakademie oder Fachhochschule. Auch Meister-Ausbildungsgänge zählen dazu. Damit liegt Deutschland unter dem Schnitt der OECD-Länder (53 zu 60 Prozent). Das Bundesbildungsministerium (BMBF) nennt das gute System der dualen Berufsbildung in Deutschland als Grund für die niedrige Tertiärquote. Doch der Trend weist nach oben: Noch 2006 waren es nur 44 Prozent eines Jahrgangs, die sich für ein Studium entschieden.

Besonders zufrieden ist Bildungsministerin Wanka mit der steigenden Studierendenzahl in den sogenannten MINT-Fächern: So hätten 14 Prozent der Erstabsolventen einen Abschluss in Naturwissenschaften und 20 Prozent in Ingenieurwissenschaften erlangt. Wanka nannte dies zukunftsweisend für ein Technologieland. Ein erheblicher Teil der Absolventen kommt aus dem Ausland.

Der Deutsche Philologenverband gibt zu bedenken: „Einerseits ist es gut, dass mehr junge Menschen die Möglichkeit haben, zu studieren“, sagte Peter Silbernagel, Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig würden sehr viele ihr Studium abbrechen. 2013 machten laut OECD-Studie nur 36 Prozent der Studierenden in Deutschland einen Abschluss (OECD-Schnitt: 50 Prozent). „Ein Studium ist einfach nicht für jeden geeignet.“ Daher sei eine differenzierte Beschäftigung mit den verschiedenen Berufsbildern in der Schule sehr wichtig. „Da ist noch Luft nach oben“, so Silbernagel.

Anders als es die Studie suggeriere, zahle sich die steigende Akademikerquote für den Einzelnen nicht zwangsläufig aus. „Ein akademischer Abschluss ist keineswegs immer mit einem beruflichen Aufstieg verbunden. Es kommt sehr auf die Branche an.“

Bildungsausgaben und Rendite

Deutschland investiert jährlich 11.363 Dollar, umgerechnet 10.677 Euro, in jeden Schüler, Studenten oder Auszubildenden. Das ist etwas mehr als der OECD-Durchschnitt (10.220 Dollar), aber weniger als Luxemburger, Schweizer, Norweger oder US-Amerikaner. Im Vergleich zu 2010 seien die Ausgaben nahezu konstant geblieben. Dass sich Bildungsinvestitionen gesamtgesellschaftlich lohnen, macht die OECD in ihrem Bericht deutlich. In Deutschland würden durch zusätzliche Steuereinnahmen oder Sozialversicherungsbeiträge schon jetzt hohe Erträge erzielt. Stelle man Investitionen und öffentlichen Nutzen gegenüber, ergebe sich bei Hochgebildeten eine Rendite von 205.600 Dollar für Männer und 57.500 Dollar für Frauen.

Auch für den Einzelnen lohne sich eine hohe Berufsqualifikation. Denn im Laufe ihres Berufslebens verdienen Hochgebildete laut OECD mindestens zwischen 98.000 und 220.000 Dollar mehr als jemand mit mittlerer Bildung.

Aber: „Bildungsökonomen sind sich darin einig, dass es eigentlich in allen Bereichen von der Kita, über die Schule bis hin zur Hochschule noch mehr Investitionen geben müsste, um die Qualität weiter zu erhöhen“, sagt Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung.