Berlin. Vor einem Jahr startete der Bund ein Programm zur Verbesserung der Massentier-Haltung. Haben diese Maßnahmen wirklich etwas gebracht?

60 Millionen Schweine landen jährlich auf Deutschlands Tellern, 30 Millionen Tonnen Milch geben die deutschen Kühe pro Jahr und fast 14 Milliarden Eier produzieren die Legehennen. Um diese Mengen zu erzeugen, ist Massentierhaltung hierzulande die Regel. Die gesetzlichen Vorgaben zur Haltung und die Vorstellungen von Tierschützern gehen teils weit auseinander. Um eine gemeinsame Linie zu finden, stieß Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) vor gut einem Jahr, im September 2014, die Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege zu mehr Tierwohl“ an. Was hat sich verbessert?

Was sind Ziele der Initiative?

Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2017 sollte es deutschen Nutztieren in Massentierhaltung deutlich besser gehen als bisher. Dabei will sich das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf zehn Eckpunkte konzentrieren, die von mehr Aufklärung der Verbraucher bis zur Reduktion von Versuchstieren reichen. Unter anderem investierte das BMEL einen Millionenbetrag in mehrere Forschungsprojekte, die direkt auf dem Bauernhof testen: Was tut Schwein, Huhn und Rind gut und wie lässt sich das erkennen. Ställe sollen künftig schon vor der Produktion auf ihre Haltungsfreundlichkeit geprüft werden. Bislang ist das aber nur für Geflügel geplant und wird frühestens 2017 umgesetzt. Um die Schlachtung von hochträchtigen Kühen und Säuen zu vermeiden, rief das BMEL das Forschungsprojekt „S!GN“ ins Leben, das bis 2017 in Zusammenarbeit mit der EU Maßnahmen zur Einschränkung dieses Vorgehens erarbeiten soll.

Auch die jährliche Tötung von rund 45 Millionen männlichen Küken soll künftig vermieden werden. Die Universität Leipzig arbeitet an einem Gerät, das die Geschlechterbestimmung schon im Ei möglich machen soll. Ein Prototyp ist für Ende 2016 angekündigt.

Was all diese Punkte eint: Sie sind weit weg vom Käufer im Supermarkt. Ein Label hat die Initiative des Bundes nicht. „Bei der Haltungskennzeichnung ist bisher wenig passiert“, sagt Angela Dinter von der Tierschutzorganisation ProVieh. „Wie das Tier gelebt hat, ist für Verbraucher nicht transparent.“

Was wurde bisher erreicht?

Die Initiative kann durchaus einige Erfolge verzeichnen: So war es bisher in vielen Ställen Praxis, Legehennen die Schnäbel und Schweinen die Schwänze zu kürzen, damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen. Ab dem 1. August 2016 sollen Landwirte auf das sogenannte Kupieren bei Legehennen, ab dem 1. Januar 2017 auf den Ankauf von Junghennen mit gekürzten Schnäbeln komplett verzichten.

Für Schweine gibt es bislang keine solche Regelung. Das BMEL diskutiert mit der Wirtschaft über freiwillige Maßnahmen, etwa mehr Platz oder Spielzeug für die Tiere, damit sie sich nicht gegenseitig angreifen. Tierschützer sehen das kritisch: „Freiwillige Lösungen werden nicht reichen. Es wäre wünschenswert, zeitnah strengere gesetzliche Regelungen zu erlassen“, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund. So könne es sogar schaden, das Kupieren abzuschaffen, wenn die Tiere nicht gleichzeitig mehr Platz bekämen. „Solange wir ein Nutzgesetz und kein Schutzgesetz für Tiere haben, wird es nicht vorangehen“, so Schmitz. Immerhin: Um Ferkeln unnötige Schmerzen zu ersparen, ist ab 2019 die Kastration neu geborener Schweine nur noch unter Betäubung erlaubt. Diese Regel wurde im Tierschutzgesetz verankert.

Was tun die Hersteller?

Im Januar 2015 startete auch die Wirtschaft ein Projekt mit dem Namen „Initiative Tierwohl“, in der sich Bauern, der Lebensmitteleinzelhandel und Vertreter der Fleischindustrie zusammengeschlossen haben. Zu den teilnehmenden Supermärkten gehören etwa Aldi, Edeka oder Lidl. Von jedem Stück Fleisch, das dort verkauft wird, wandern vier Cent in einen Fonds. Dieses Geld bekommen die beteiligten Landwirte. Sie müssen dafür unter anderem an einem Überwachungsprogramm zum Antibiotikaeinsatz teilnehmen. Darüber hinaus sollen sie aus einem Katalog an Haltungsverbesserungen, etwa größere Ställe oder besseres Futter, frei wählen und das Geld für die Umsetzung verwenden. Ein Modell, das noch nicht ambitioniert genug ist, findet Sophie Herr vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). So beschränkt sich die Initiative bislang auf die Haltung von Schweinen, Hühnern und Puten. Zudem habe der Verbraucher keine Chance zu erkennen, welche Tiere tatsächlich besser gehalten wurden: „Nur ein Bruchteil ist zu den Bedingungen der ‚Initiative Tierwohl‘ produziert“, sagt Herr. Ein Label gibt es nicht, und ähnlich wie bei der Initiative des Bundes fehlen verpflichtende Vorgaben etwa zur Stallgröße. Herr: „Aus Tierwohl-Sicht braucht es klar festgelegte Maßnahmen.“